Was der Bielefelder Schuldezernent verunsicherten Grundschuleltern jetzt rät

Bis Montag, 14. November, laufen die Anmeldetage für die Grundschulen. Längst nicht immer sind Eltern von der für sie nächstgelegenen Schule überzeugt. Beispielsweise, weil ihnen die Schulleitung beim Tag der offenen Tür sagt, dass nur eine Handvoll Kinder unter allen Viertklässlern eine Gymnasialempfehlung bekommt. Eltern sind in der Zwickmühle: Will ich die Schule stärken, oder versuche ich mein Glück bei einer aus meiner Sicht attraktiveren Schule, die allerdings sehr gefragt ist und nicht allen einen Platz anbieten kann. Was raten Sie da? Udo Witthaus: Die Entscheidungsgründe von Eltern für eine Grundschule sind vielfältig. Grundsätzlich sind alle Grundschulen konzeptionell darauf ausgerichtet, die Unterschiedlichkeit von Kindern bei den Lernprozessen zu berücksichtigen. Aus meiner Sicht kann es jedoch hilfreich sein, eine wohnortnahe Grundschule zu wählen. Das beinhaltet kurze Schulwege und eröffnet Chancen für soziale Kontakte ins Quartier. Einige Schulen leisten tolle Arbeit, haben aber damit zu kämpfen, dass – auch aus dem oben genannten Grund – kaum noch Kinder ohne Migrationshintergrund zu ihnen kommen. Was tut die Stadt, um diese dadurch teils weniger beliebten Schulen zu stärken und attraktiver zu machen, auch um wieder eine bessere Durchmischung der Schülerschaft zu erzielen? Im kommunalen Lernreport haben wir systematisch ermittelt, welche bildungsrelevanten Belastungen die Einzugsbereiche von Grundschulen aufweisen. Im Kurzbericht zu den Wanderungen zwischen den Grundschuleinzugsbereichen ist zudem für jede Grundschule abgebildet, wie Wanderungen die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft verändern. Diese Unterschiede werden über gesteuerte Ressourcen berücksichtigt, indem für die Schulen mit höheren sozialen Belastungen die Größe der Eingangsklassen abgesenkt wird und die Ausstattung mit Schulsozialarbeit entsprechend erfolgt. Die Anforderungen haben sich verändert, oder? Eine zunehmende Heterogenität der Gesellschaft verändert auch die Anforderungen an das System Schule und bedingt somit eine Anpassung des Lernangebots an die individuellen Lernbedarfe der Schülerinnen und Schüler. Dem kann unter anderem mit der Intensivierung individueller Förderung begegnet werden. Wie im ganzheitlichen Schulentwicklungsplan 2020-2030 (SEP) dargelegt, kann dies im Rahmen von kompensatorischen Trainings und Zusatzangeboten ebenso erfolgen wie im offenen Unterricht oder in Binnendifferenzierung und adaptivem Unterricht. Die Stadt hat sich mit der Ganzheitlichen SEP auf den Weg gemacht Bildungsgerechtigkeit zu fördern und schulische Segregation zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Stadt den Ausbau des rhythmisierten Ganztags voranbringen sowie mehr individuelle Förderung durch räumliche Anpassungen und Ausstattungen der Schulen ermöglichen. Immer mehr Grundschulkinder in NRW haben Probleme in den Fächern Mathe und Deutsch. Im Fünf-Jahres-Vergleich sind die Viertklässler in ihren Kompetenzen da deutlich zurückgefallen, so eine aktuelle Studie der Kultusministerkonferenz. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Die Gründe hierfür werden multidimensional sein, insbesondere die Einschränkungen während der Coronakrise dürften dazu beigetragen haben. Programme wie Aufholen nach Corona sind weiterhin notwendig, um die Kinder zu stärken. Weitergehende Antworten liegen aber nicht beim Schulträger, sondern sind als innere Schulangelegenheiten Aufgabe des Landes. Als Kommune engagieren wir uns mit großer Unterstützung der Walter-Blüchert-Stiftung über das Projekt "gut:gehen" an demnächst bis zu 20 Grundschulen, um die Resilienz der Kinder zu stärken. Digitalisierung hat seit Corona nochmal an Bedeutung gewonnen. Die Stadt will schnellstmöglich Kinder, auch schon in der Grundschule, mit einem Laptop ausstatten. Nicht nur im Silicon Valley herrscht hingegen die Erkenntnis, dass jüngere Schüler aber viel besser ohne lernen. Sollte da nicht auch hier in Bielefeld differenziert werden? Die Stadt Bielefeld strebt auf Basis der jüngsten Beschlüsse zur Digitalstrategie eine 1:2 Ausstattung an. Die Lehrkräfte vor Ort werden im Rahmen ihrer Medienkonzepte pädagogisch verantwortlich digitale Inhalte in den Unterricht einbauen. Als Stadt haben wir zudem in den letzten Monaten wichtige Rahmenbedingungen geschaffen wie die Anbindung an das Glasfasernetz, neue Server, Ausleuchtung der Räume mit WLAN; nun folgen noch die digitalen Präsentationsmedien. Damit die zur Verfügung stehende digitale Technik im Unterricht auch flächendeckend effektiv eingesetzt werden kann, wird das kommunale Medienzentrum auf Basis der beschlossenen Digitalstrategie zum Medienlabor weiterentwickelt. Noch vor einigen Jahren wollte die Stadt mehrere kleine Grundschulen schließen, jetzt muss vielerorts an- oder sogar neugebaut werden. Einige Eltern befürchten, dass das nicht schnell genug vorangeht. Liegt Bielefeld da im Plan, was die Schaffung der benötigten neuen Grundschulplätze angeht? Die Planungen für den Neubau der drei neuen Grundschulen laufen. So wurde zuletzt in der vorherigen Woche das Ergebnis des Architektenwettbewerbs zum Schulcampus Gellershagen mit erweiterter Sekundarschule und Grundschule präsentiert. Für die neuen Grundschulen wird zudem an Interimsgebäuden geplant, die bis zur Fertigstellung der Neubauten Schülerinnen und Schüler aufnehmen werden. Desweiteren laufen die Planungen für die Zügigkeitserweiterungen sowie den OGS-Ausbau. Die Stadt möchte den überwiegenden Teil dieser Erweiterungen mittels Systembauten realisieren, die alle das Bielefelder Raumprogramm berücksichtigen. Die FDP hat jetzt angeregt, den geplanten 100-Millionen-Neubau der Martin-Niemöller-Gesamtschule zu stoppen, um Geld zu sparen. Eine Sanierung der Schule sei deutlich günstiger. Was können Sie dazu sagen? Die Planungen für den Neubau der Martin-Niemöller-Gesamtschule sind weit fortgeschritten. Eine Sanierung wäre keinesfalls günstiger; das war bereits Grundlage für die Entscheidung zum Neubau. Welche Projekte beschäftigen Sie als Bielefelder Schuldezernenten aktuell besonders? Wofür investieren Sie derzeit besonders viel Zeit? Was ist Ihnen wichtig mit Blick auf das kommende Schuljahr 2022/23? Derzeit arbeiten wir intensiv an der Schulentwicklungsplanung für die Berufskollegs, die im ersten Quartal 2023 vorgelegt werden sollt. Nach dem Ratsbeschluss zur Digitalstrategie werden Medienentwicklungsplan und Digitalstrategie umgesetzt. Schließlich geht es darum, das Maria-Stemme-Berufskolleg und das AWO-Berufskolleg über einen begleiteten Prozess zusammenzuführen.

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