Abzocke-Verdacht in Bielefeld: Vermeintliche „Parksünder“ sollen 140 Euro zahlen

Bielefeld. Wer ist Paul H.? Der Bielefelder, der offenbar Kunde einer privaten Falschparker-App ist, hat in den letzten Tagen für Unmut bei den Sportlern des VfB Fichte und anderer Anlieger der Mühlenstraße gesorgt. Denn er hat ihre Autos bei dem umstrittenen App-Dienstleister &bdquo;Park & Collect“ angezeigt. Sie sollen angeblich seinen privaten Parkplatz blockiert haben und nun dafür 146,79 Euro zahlen. Dabei sind sich die Betroffenen keiner Schuld bewusst. Verursacher am "Tatort" in Bielefeld unbekannt Jobst Hölzenbein, Vorsitzender des VfB Fichte, hat sich schlau gemacht und spricht von zumindest &bdquo;dubiosen Zahlungsaufforderungen“. Denn der Mandant, für die &bdquo;Park & Collect“ die stattliche Summe einfordert, ist an seiner angegebenen Adresse unbekannt. Weder Mieter noch Vermieter des Hauses kennen den angeblichen Parkplatzbesitzer Paul H.. Er hat aber offensichtlich am Tag des ersten Fichte-Saisonspiels, dem 12. August, mehrere Fahrzeuge auf dem öffentlichen Parkplatz zwischen Stauteich 1 und Rußheide-Stadion fotografiert und über die App gemeldet. Dahinter steckt ein Inkassodienst Hinter der in Irland ansässigen Firma &bdquo;Park Collect Europe“ (die deutsche Filiale sitzt in Köln) steckt offensichtlich die Inkassofirma &bdquo;Euro Collect“ aus Monheim am Rhein bei Düsseldorf. Die Unterschrift des &bdquo;außergerichtlichen Vergleichsangebots“ ist mit einem Stempel der Inkassofirma versehen, dessen Name im Zusammenhang mit unseriösen Abmahnungen mehrfach im Internet zu finden ist. 2017 wurde der Inkassodienst laut Verbraucherzentrale NRW in drei Fällen wegen unzulässigen psychischen Drucks gegenüber Verbrauchern, wegen unzulässiger Schufa-Drohung und Irreführung verurteilt. App für geplagte Besitzer von Privatparkplätzen Die Falschparker-App hat eigentlich eine ganz konkrete Zielgruppe: Sie ist für geplagte Besitzer privater Parkplätze zugeschnitten, auf denen ständig fremde Fahrzeuge stehen. Normalerweise darf der Besitzer eines solchen Parkplatzes, ein fremdes Auto tatsächlich von seiner Stellfläche abschleppen lassen. Zusätzlich kann er auch Schadenersatz einfordern, heißt es bei Stiftung Warentest. Aber nur, wenn er den Schaden konkret nachweisen kann. Die App-Betreiber hingegen versprechen Parkplatzbesitzern, ganz einfach einen frei wählbaren Schadenersatz von bis zu 40 Euro zu beschaffen. Man müsse nur das unberechtigt parkende Fahrzeug fotografieren und in der App hochladen. Die Firma schicke dann für den Mandanten ein &bdquo;außergerichtliches Vergleichsangebot“ zu. Genau diese sind nun an der Rußheide aufgetaucht. 100 Euro gehen an den App-Betreiber, 40 Euro an den Melder 40 Euro werden als erhöhtes Parkentgelt bezeichnet und gehen an den Mandanten. Die übrigen 100 Euro der Forderung gehen als &bdquo;Halterermittlung“ (10 Euro), &bdquo;Einigungskosten“ (67,50 Euro) und &bdquo;Post- und Telekommunikationspauschale“ (13.50 Euro) an den Dienstleister. Aber das Geld fließt nur, wenn der &bdquo;Falschparker“ freiwillig zahlt, betont Stiftung Warentest. Zahlt der Angeschriebene nichts, fließt auch kein Geld - weder an die App-Betreiber noch an den Melder. App-Kritik von Stiftung Warentest Stiftung Warentest kritisiert, dass ein entstandener Schaden nur aufgrund konkreter Belege (Abschleppkosten sowie Taxi- oder Parkhaus-Rechnungen) ersetzt werden könne: Frei wählbaren Schadenersatz, wie die App es verspricht, &bdquo;können Grundstücksbesitzer gar nicht verlangen“. Die Betreiber der App nutzen aus, dass Parkverstöße auf Privatparkplätzen nicht vom Amt geahndet werden. Der Streit (&bdquo;Besitzstörung“) ist also immer ein zivilrechtlicher. Die App-Anbieter greifen ein Stadium vor der Klage ins Geschehen ein. Sie verschicken daher Rechnungen, die als außergerichtliche Streitbeilegung anzusehen sind. Wer sie bezahlt, ist allen Ärger los. Unberechtigte Forderungen in Bielefeld Doch nicht immer ist die Forderung berechtigt: Im Fall an der Rußheide standen die Betroffenen auf einem öffentlichen Parkplatz. Ein Fichte-Spieler kann das beweisen, &bdquo;weil er vor dem ersten Saisonspiel zufällig ein Selfie mit seinem geparkten Auto gemacht hat“, sagt Hölzenbein. Dort sei weit und breit kein privater Parkplatz zu finden. Das angebliche Beweisfoto der Gegenseite zeige zwar seinen Wagen vor einem Baum. Doch dieser Baum ist klar erkennbar dem öffentlichen Parkplatz zuzuordnen. Abzocke-Verdacht an der Rußheide An der genannten Adresse gegenüber des Stadions – fernab des öffentlichen Parkplatzes – gibt es zwar private Stellplätze: Aber der angeblich so behinderte Parkplatzbesitzer wohnt dort gar nicht. Und seine Fotos stammen erkennbar nicht von dort. Hölzenbeins Spieler und ein Ausrüster des Vereins, der ebenfalls ein Schreiben von "Park & Collect" erhalten hat, werden daher Widerspruch einlegen. Sie vermuten eine Abzocke-Masche. Es bleibt allerdings unklar, ob hier ein Bielefelder illegalerweise Autofahrer als Falschparker anschwärzt oder ob die Firma &bdquo;Park & Collect“ hinter dem Trick steckt. Eine Anfrage der Lokalredaktion ließ die Kölner Firma bisher unbeantwortet. Ein verlorener Prozess in Bielefeld Ist das schon Betrug? Der Polizei Bielefeld liegen zu dieser Verfahrensweise derzeit keine Anzeigen vor. Allerdings, so Polizeisprecher Michael Kötter, sei ein solcher Sachverhalt in Schildesche aus der Vergangenheit bekannt. &bdquo;In dem Fall hatte der betroffene Autofahrer geklagt“ und er hat gegen den Anwohner vor Gericht gewonnen, berichtet Kötter. Zweites Schreiben droht Schlagen Angeschriebene das Vergleichsangebot aus oder ignorieren es ganz, kann der Ärger trotzdem weitergehen. Wie verschiedene Erfahrungsberichte im Internet zeigen, erhalten manche anschließend eine Unterlassungserklärung mit einer mindestens genauso hohen Rechtsanwaltsrechnung. Diese Abmahnung, so Stiftung Warentest, sei dann kein unverbindliches Angebot mehr. Rechtsanwalt Florian Schuh aus Frankfurt, der mehrere solcher Fälle vorliegen hat, hält sie dennoch für fragwürdig: "Aufgrund des Schreibens besteht grundsätzlich keine Zahlungsverpflichtung." Es gebe gute Chancen, sich gegen die kostspieligen Forderungen zu wehren, betont er. Ratschlag: Echte Parksünder sollten agieren Wer allerdings tatsächlich unberechtigt auf einem privaten Grundstück geparkt hat und mit Ärger rechnet, sollte zügig handeln und von sich aus eine Unterlassungserklärung anbieten, rät Stiftung Warentest. Hat der Grundstücksbesitzer noch keinen Rechtsanwalt eingeschaltet, kann das kostspielige Abmahnungen verhindern.

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