"Viele werden Winter nicht überstehen": Alarm aus dem Tierheim Bielefeld

Bielefeld. Deutschlandweit schlagen die Tierheime Alarm: Steigende Energie-, Futter- und Personalkosten sowie zahlreiche Neuabgaben von Hund, Katze und Kaninchen bringen die Tierschutzvereine zur Verzweiflung. "Es ist zu befürchten, dass viele Einrichtungen den Winter nicht überstehen", findet der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, deutliche Worte. Auch in Bielefeld treiben den Mitarbeitern hohe Preise und gleichzeitig die Flut von vierbeinigen Neuankömmlingen die Sorgenfalten auf die Stirn. Doch es gibt auch (kleine) Lichtblicke. Der Vorsitzende des Bielefelder Tierschutzvereins, Helmut Tiekötter, hat über 40 Jahre bei der Sparkasse gearbeitet, und er war lange Schatzmeister des Vereins. Mit wenig Geld möglichst viel und gleichzeitig Akzeptables zu erreichen, das ist für ihn nichts Neues - das Tierheim hat noch nie im Geld geschwommen. Doch so etwas wie jetzt hat er noch nicht erlebt. Allein die Ausgaben für die Energie haben nie gekannte Ausmaße erreicht. Preis für Heizöl hat sich verdoppelt 12.000 Liter Heizöl seien für das Tierheim vor ein paar Tagen geliefert worden, berichtet Tiekötter - Monate später als bestellt. "Und es war mehr als doppelt so teuer wie im vorigen Jahr." Beim Strom dagegen sieht es besser aus. "Wir haben eine große Photovoltaikanlage auf dem Dach, die schon voriges Jahr schon geplant war. Wie es im Moment aussieht, erzeugen wir an Tagen mit viel Sonnenschein so viel Strom, wie wir tagsüber brauchen." Etwas ins Stromnetz einzuspeichern sei aber "kein Thema", und auch Speicher für den Eigenbedarf habe das Tierheim (noch) nicht. Bei den Futterkosten gibt es wenig Spielraum - "die laufen jeden Tag auf, und es gibt keine Alternative", sagt der 70-Jährige. Beispiel Katzen, von denen das Tierheim derzeit rund 170 beherbergt, darunter viele kleine: Die Preise fürs getreidefreie Futter sei beim Discounter pro Dose von anfangs 39 Cent auf 59 Cent im Mai und inzwischen auf 85 Cent geklettert - da kommt bei den Hunderten von Portionen, die das Tierheim täglich benötigt, ein erkleckliches Sümmchen zusammen. Zudem werden weitere Paletten für die Streunerkatzen gebraucht. Die Preise fürs Katzenstreu hätten sich glücklicherweise nicht ganz so stark erhöht. Bis jetzt. Deutlich besser sieht's bei der Versorgung der aktuell etwa 40 Tierheimhunde aus. "Das Futter kriegen wir komplett gespendet", erzählt Bielefelds oberster Tierschützer. Auch von Menschen, deren Hund gestorben sei, das gekaufte Futter nicht vertrage oder es schlicht nicht möge. Einiges komme zudem über die Spendenboxen in diversen Geschäften zusammen. Was das Tierheim nicht verwenden kann, gehe an die Tiertafel, und, wenn dann noch etwas übrig sei, an das größte Tierheim der Welt, die Smeura in Rumänien. "Wir werfen nichts weg." Kaninchen werden "eiskalt" im Park ausgesetzt Täglich Hunger haben aber auch die rund 100 Kaninchen, die derzeit an der Kampstraße logieren. Deren Zahl sinkt nicht, "trotz guter Vermittlung", so Tiekötter. Auch wegen Corona kämen immer wieder Hoppler nach. "Wenn Hunde ausgesetzt werden, bekommt das oft noch der Nachbar mit." Aber wenn die Kinder wieder zur Schule müssten, und die unbedacht angeschafften Kaninchen würden einfach im Park laufengelassen, könne die niemand zuordnen. "Sie werden eiskalt rausgesetzt - es guckt ja keiner." Zweimal in der Woche fahren die Tierschützer zum Großmarkt, um Berge von Salat und ein bisschen Gemüse für die Kleintiere zu besorgen. Ein Lichtblick sei der Artikel in der NW über die Bielefelder Initiative "Obst verbindet - Liebe auf den zweiten Blick" am Bielefelder Großmarkt, die nicht nur aussortiertes Obst, sondern auch Gemüse für kleines Geld verkaufe, sagt der Vereinsvorsitzende. "Wir sind frohen Mutes, dass sie uns versorgen können. Und wir brauchen ja nur das, was unsere Kaninchen gern mögen." Höhe der Baukosten sind unkalkulierbar Photovoltaik ist übrigens auch auf der geplanten neuen Hundequarantäne vorgesehen. Der Abriss laufe noch gut, das übernehme die Freiwillige Feuerwehr Sieker, sagt Tiekötter dankbar. Aber dann wird’s kritisch. &bdquo;Wir müssen mit dem Neubau aus dem Quark kommen, aber die Frage nach der Kostenhöhe ist so etwas wie ein Blick in die Kristallkugel.“ Früher habe man Angebote eingeholt, ein günstiges gewählt und dann angefangen. &bdquo;Jetzt müssen wir sehen, wie wir das nacheinander takten.“ Er hofft auf einen städtischen Zuschuss. "Die Situation derzeit ist schon extrem", meint der Vereinsvorsitzende. "Wir laufen im Moment finanziell auf Reserve, sowohl, was die Sach- als auch die Personalkosten angeht" - und bei Letzteren kommt mit dem Mitarbeitermangel sogar noch ein weiteres Problem hinzu. "Ein Drittel, krank, ein Drittel Urlaub, ein Drittel muss die Arbeit schaffen", fasst er die Situation zusammen. Er rechnet in diesem Jahr mit einem Minus von deutlich mehr als 100.000 Euro. "Wenn wir unsere Rücklagen nicht hätten, sähe es ganz dunkel aus." Gestiegen seien im Übrigen auch die Medikamentenkosten. "Wir sind froh, dass wir unseren eigenen Tierarzt haben." Froh ist Tiekötter auch über Spendenentwicklung: "Das hält sich auf dem bisherigen Niveau."

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