Mediziner-Mangel Die nächste Bielefelder Kinderarztpraxis schließt

Bielefeld. Die nächste, bitte nicht: Ohnehin ist es für Eltern schon nicht einfach, einen Kinderarzt zu finden. Von den Praxen, die noch da sind, haben viele einen Aufnahmestopp. Zum 30. September hat jetzt auch Uwe Büsching seine Praxis für KInder und Jugendliche an der Beckhausstraße in Schildesche geschlossen - nach 32 Jahren. Gründe für Auflösung gebe es reichlich, sagt der 69-Jährige. Die Tätigkeit sei unsicher und extrem anstrengend, immer weniger junge Ärzte wollten die Verantwortung übernehmen. "Sie arbeiten lieber angestellt in der Klinik oder höchstens noch angestellt in einer Praxis, oft dann auch nur in Teilzeit", sagt Büsching. Im Falle seiner Praxis komme hinzu, dass die Eigentümer des Hauses die Immobile nicht weiter vermieten, sondern verkaufen wollen. So müssen die rund 1.000 Patienten, die Büsching aktuell noch betreut, jetzt anderswo in der Stadt unterkommen. Das werde vermutlich schwer, sagt der Kinderarzt. Denn auch weitere Kollegen gingen in der nächsten Zeit in den Ruhestand. Und längst nicht alle finden einen Nachfolger, sagt Marcus Heidemann, Sprecher der Bielefelder Kinder- und Jugendärzte. Zahlen und die Realität vor Ort klaffen da extrem auseinander Die Problematik gebe es schon seit einigen Jahren, aber es ändere sich nichts. "Die Kinderarztpraxis von Franz Storms in Brake konnte in letzter Minute gerettet werden", berichtet Heidemann. Sie sollte schon geschlossen werden, dann konnte aber, mit Katharina Emptmeyer doch noch eine Nachfolgerin gefunden werden. Das auch nur, weil Allgemeinmediziner und Internist Tim Niedergassel vom Medicum Brake, das etwa 150 Meter Luftlinie entfernt liegt, mit eingestiegen. Er übernimmt Tätigkeiten wie Abrechnungen und Buchhaltung. Die Arbeitsbelastung für Ärzte und Medizinische Fachangestellte habe extrem zugenommen, weiß Heidemann. Üble Beschimpfungen gehörten bei einigen Kollegen zur Tagesordnung. "Es macht einfach keinen Spaß mehr, und auch keinen Mut", sagt Heidemann. Während alle auf dem Zahnfleisch gingen und die Frage sei, wie lange man das so noch durchhalten kann bei der Taktfrequenz, betone die Politik, dass es keinen Kinderarztmangel gebe. Die Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung und die Realität vor Ort klafften da extrem auseinander. Wo Eltern mit ihren Kindern in Zukunft unterkommen sollen, wisse er nicht. Was sie dann tun können? "Die Missstände sichtbar machen", sagt Heidemann. Das System sei desolat, demotivierend - und fahre gerade mit Karacho an die Wand. "Ich würde mir im Winter mehr Sorgen darüber machen, keinen Kinderarzt zu finden, als dass wegen fehlendem Gas die Wohnung kalt bleibt." Kleiner Lichtblick für die kinderärztliche Versorgung im Bielefelder Norden Um ein wenig aufzufangen, will Büsching übergangsweise noch bis Jahresende an zwei Tagen die Woche einige Patienten weiter betreuen. Ansonsten will er sich seinem zeitintensiven Hobby widmen: der Stiftung für Kinder- und Jugendarbeit, die sich kritisch mit der Mediennutzung beschäftigt. Spätestens zum Ende des Jahres muss der Kinderarzt dann aber raus aus der Immobilie. Einiges an Praxisausstattung gehe über Kontakte einer Patientenmutter in die Ukraine. Für wenige seiner jungen Patienten mit besonderen Problemen, wie ADHS oder auch Schulverweigerer, will er auch zukünftig in seinem Privathaus, ganz in der Nähe der Praxis, da sein. Nicht die Symptome zu bekämpfen, sondern wirklich zu schauen, was die Kinder und Jugendlichen auf dem Herzen haben, was eigentlich hinter Bauchschmerzen und anderen Problemen stecke, sei wichtig. Und leider immer mehr aus de Blick geraten. Eltern bräuchten einen Arzt mit Augenmaß und Mitgefühl, den sie ansprechen können. Dann sei manches Krankheitsbild vermeidbar, das dann wiederum in der Folge auch nicht in Spezialkliniken oder -ambulanzen behandelt werden müsse. Das Bewusstsein der Politik müsse sich da dringend ändern. "Geht es den Kindern gut, geht es den Eltern gut - und dann auch der Wirtschaft", sagt Büsching. "Weil sie den Kopf frei haben und sich nicht mit anderen Problemen beschäftigen müssen." Einen Lichtblick für die kinderärztliche Versorgung im Bielefelder Norden gibt es, ergänzt Büsching: Die Kinder und Jugendarztpraxis von Bülent Adasoglu in Heepen wolle seinen Kassensitz übernehmen und so die Kapazitäten dort erhöhen.

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