Lehrer fehlen: Die ersten Bielefelder Klassen sind wieder im Distanzlernen

Bielefeld. 14 Unterrichtsstunden, die allein in der vergangenen Woche ausgefallen sind - bei Schülern, die kommendes Jahr Abitur machen. Zehn Prozent eines Kollegiums, das langzeitkrank ist. Ein Lehrer, der parallel drei Klassen unterrichtet, damit die Kinder irgendwie mit dem Stoff weiterkommen: Teils wenig Unterricht nach Stundenplan und viele Ausfälle machen Eltern und auch Schülern Sorgen, auch mit Blick Richtung Herbst und Winter. An der Martinschule fehlen so viele Lehrer, dass in dieser Woche zwei Klassen erst einmal zuhause bleiben müssen. Distanzlernen ist angesagt, mit digitalen Aufgaben und klassischen Arbeitsplänen. Videokonferenzen können aus Kapazitätsgründen nicht zugesagt werden. "In der vergangenen Woche war die Vertretungssituation sehr angespannt. Aufgrund verschiedener Umstände - Klassenfahrten, Dienstunfähigkeiten, Unfälle - fehlten bis zu zehn Lehrkräfte", teilt Schulleiter Markus Spiekermann in einem aktuellen Elternbrief mit. In dieser Woche sind es 11 von den insgesamt 29 Kollegen. Distanzlernen sei der Notfall, und werde erst eingesetzt, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Vertretung - Auflösung von Doppelbesetzung, Ausfall von Förderangeboten, Dienstzeitverschiebungen und Mehrarbeit, Randstundenausfall, Einsatz von Studierenden aus dem Praxissemester und Aufsicht in zwei Klassen - ausgeschöpft seien. Tatsächlich seien mehrere Lehrkräfte wieder an Corona erkrankt. "Wir wissen natürlich nicht, woher die Infektionen stammen", so Spiekermann. "Es gab aber auch Beobachtungen, dass Kinder mit Symptomen ohne Testnachweis in die Schule geschickt wurden." Kollegen sind vorsichtiger geworden bei coronatypischen Symptomen Etwa drei Wochen nach den Sommerferien sei es aufgrund einer Krankheitswelle "schon brenzlig" gewesen, was den Unterricht angehe, berichtet auch Katharina Tweeboom, Leiterin der Gesamtschule Gellershagen und Sprecherin der Sekundarschulen. Die Kollegen seien zudem vorsichtiger geworden seien bei coronatypischen Symptomen. Zum 1. November könne es für alle Schulen noch einmal problematischer werden: Zu diesem Termin werden feste Stellen besetzt. "So fallen eventuell Vertretungskollegen weg, die auch erst kurz vorher erfahren, ob sie die Stelle bekommen oder nicht", sagt Tweeboom. In der Theorie sind Bielefeld Schulen überdurchschnittlich gut besetzt, was die Lehrerstellen angeht. Laut zuständiger Bezirksregierung ist Lehrkräftemangel an den Schulen in OWL aktuell kein Thema. Nur wenige neue Lehrerinnen und Lehrer würden gesucht, heißt es. "Von 18.721 Stellen waren zum Stichtag 1. Juni über alle Schulformen nur rund 140 nicht besetzt", so die Bezirksregierung. Das entspricht einer Gesamtquote von 99,26 Prozent. OWL liegt damit unter dem Landesdurchschnitt. NRW-weit ist die Zahl der unbesetzten Stellen von 1,9 Prozent in 2017 auf aktuell 2,7 Prozent gestiegen. "Grundsätzlich sind wir gut besetzt", sagt Tweeboom. Ein Problem seien allerdings bestimmte Mangelfächer, wie Physik, Chemie, Musik oder Technik. Glücklicherweise hätten fachfremde Kollegen auch Interesse daran, würden sich in einjährigen Zertifikationskursen für den Unterricht qualifizieren. Es werde immer dann eng, wenn ein Kollege oder eine Kollegin mit einem Fach, das eher dünn besetzt ist, längerfristig ausfällt, sagt Caro Brauneis, Leiterin des Gymnasiums am Waldhof (GaW) und Sprecherin der Gymnasien. Qualifizierte Lehrende zu gewinnen und zu halten, wie kann das einer Schule gelingen? "Zunächst kann man in die Ausbildung der Praktikanten und der Referendare investieren", sagt Brauneis. Ansonsten sei es hilfreich herauszufinden, ob es auf dem Markt aktuell Menschen gibt, die die gewünschte Fächerkombination beziehungsweise Qualifizierung haben, bevor man die Stelle ausschreibt. Sehr hoher Krankenstand und gleichzeitig Kurs- und Klassenfahrten, das waren auch am GaW die Gründe für erhöhten Unterrichtsausfall in den vergangenen Wochen. Schwer organisierbar sei beispielsweise auch Vertretung für männliche Kollegen, die insgesamt vermehrt Elternzeit nutzen würden. Allerdings dann, häufig nur für wenige Wochen. Der genaue Geburtstermin sei nicht planbar, zudem sei es pädagogisch wenig wertvoll, wenn jemand nur kurz in die Klasse zu kommen. "So greifen wir doch oft aufs Kollegium zurück, und das ist ohnehin schon sehr ausgelastet", sagt Brauneis. Insgesamt gehen die Schulen trotzdem optimistisch in die am 4. Oktober startenden Herbstferien, so der Tenor. "Wir haben alle gelernt, mit Corona umzugehen", sagt Daniel Norkowski, Leiter der Theodor-Heuss-Realschule und Sprecher seiner Schulform. Für den Notfall sei tageweise Distanzunterricht eine Option, so auch die anderen Kollegen. Das wolle aber keiner. "Ich denke auch nicht, dass der Plan B greifen muss", ergänzt Tweeboom. Viele Schüler und Lehrer hätten auch bereits Corona gehabt. Das Gefühl, dass es im Herbst und Winter nicht noch einmal extrem schlimm werden wird, überwiege.

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