Bielefeld. Die Veranstaltung hat so ein bisschen was von einem verführerischen Buffet: Man bekommt die wundervollen Leckereien gezeigt, aus denen man sich später etwas aussuchen darf. Wenn die Theater- und Konzertfreunde (Thekos) zum Festlichen Auftakt einladen, bekommt das Publikum Ausschnitte aus dem Programm des Bielefelder Stadttheaters präsentiert und darf so in die neuen Produktionen hineinschnuppern. Das macht Lust: Lust auf mehr.
Das Vorwort zum Auftakt hatten die Blechbläser der Bielefelder Philharmoniker, die ihr Publikum vor der Halle mit launigen Titeln wie „Puttin on the Ritz“ in Empfang nahmen. Man lauschte, plauderte, lachte, tanzte gar – und als kurze Zeit später die Philharmoniker unter Alexander Kalajdzic den Abend im großen Saal mit der „Fledermaus“-Quadrille eröffneten, fingen sie diese Hochstimmung aufs Feinste ein. Kann man besser starten?
"Großer Zusammenhalt"
„Wir haben diese Horizonterweiterung sehr vermisst“, sagte Christiane Pfitzner, Vorsitzende der Thekos, mit Blick auf das aktuelle Spielzeitmotto „Wir arbeiten für Sie an der Wiederverzauberung der Welt“, das so gut das Bedürfnis nach ein bisschen weniger Realität einfängt.
Nun also endlich die dringend nötige Wiederverzauberung. Dass das Stadttheater mit seinen drei Sparten (Oper, Schauspiel und Tanz) und die Philharmoniker vergleichsweise sauber durch die Zeit gekommen sind, begründete Intendant Michael Heicks mit dem „großen Zusammenhalt der Sparten und Gewerke“, aber auch mit dem Publikum: „Danke, dass Sie so an unserer Seite gestanden haben.“
„Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“

Wie vielseitig die Wiederverzauberung sein wird, bewiesen die Philharmoniker und Ensemblemitglieder an diesem Abend. Ob mit „Anthropocene“ aus dem Jahr 2019 die Grenzen der Harmonik auslotend (Gesang: Todd Boyce und Andrei Skliarenko, beide neu am Haus, sowie Moon Soo Park) oder mit Tschaikowskys „Eugen Onegin“ im Klang badend, herzergreifend wie Leoncavallos „Zazà“ (Gesang: Dusica Bijelic und Nenad Cica) oder fein und durchsichtig wie in der „Winterreise“ (eindringlich vom Tanz-Ensemble umgesetzt), witzig wie in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (Schauspiel: Christina Huckle und Thomas Wehling), swingend wie in „Dear World“ (Gesang: Frederike Haas) oder üppig wie mit Wagners „Parsifal“ (Gesang: Alexander Kaimbacher).
Apropos Parsifal: Moderatorin Nadja Loschky (Künstlerische Leiterin Musiktheater) erinnerte an eine ganz besondere Begebenheit am Theater Bielefeld: „Am 14. März 1913 gab bei der Aufführung von Parsifal die mittlere Querverstrebung nach und die Bühne versank mitsamt den Darstellern; zum Glück ohne Verletzte. Wir sind nicht abergläubisch, wir machen den Parsifal trotzdem.“ Nun, der Hang zum Aberglauben an Theatern sei einmal dahingestellt, aber das „Bühnenweihfestspiel“ wird ab Mai in der Oetkerhalle zu sehen sein.
Und dann war es schließlich so weit: Reinhold Decker vom Theko-Vorstand verlieh den Schauspieltaler für „seine Fähigkeit, die unterschiedlichsten Rollen in beeindruckender Weise Wirklichkeit werden zu lassen“ an Simon Heinle, seit drei Jahren festes Ensemblemitglied und dem Publikum in den vielfältigsten Rollen ans Herz gewachsen. „Ich denke die ganze Zeit: Alles was wir machen, machen wir zusammen. Meine größte Freude ist, jeden Tag zur Arbeit zu gehen und mit diesen tollen Leuten zusammenarbeiten zu dürfen“, sagte der charmante 33-Jährige in seiner Dankesrede.
Operntaler verliehen
Den Operntaler verlieh Christiane Pfitzner in diesem Jahr an die Sopranistin Dusica Bijelic. Die gebürtige Bosnierin musste mit acht Jahren wegen Krieges ihre Heimat verlassen, und so hatte es einen besonderen Beiklang, als sie sagte: „In Bielefeld fühle ich mich in meiner Opernfamilie geborgen.“ Zum Dank sang Bijelic das „Ave Maria“ aus Verdis „Othello“ und erntete Jubelrufe des Publikums. Beide Preise sind mit 4.000 Euro dotiert.
Und noch eine Ehrung fand statt: Oboist Klaus-Joachim Dudler wurde nach 37 Jahren, von denen er 21 Jahre lang als Orchestervorstand agiert hatte, in den Ruhestand verabschiedet. „Du warst die Konstante“, bescheinigte ihm sein Vorstands-Nachfolger, Solopauker Stephan Kostenbader. Diese Konstante ist nicht ganz weg, unterschrieb Dudler doch direkt nach dem Auftakt die Beitrittserklärung für die Thekos. Doch er fand zum Abschied auch mahnende Worte: „Eine Stadt wie Bielefeld, die sich so gerne Metropole oder Oberzentrum nennt, muss sich darüber im Klaren sein, dass eine Stadt ohne Theater und ohne Orchester eine leere Stadt ist.“ Dafür gab es lautstarken Beifall.
Und welche der Produktionen sind nun für den Theaterbesuch vorgemerkt? Nun ja, einfach alle. Denn anders als am Buffet kann man sich hier den Teller gar nicht zu voll packen. Man sieht sich!