Long Covid oder keine Lust? Bielefelder Experten klären auf

Bielefeld. Sie klagen über Atemnot, Schwindel, oder es fehlt ihnen schlichtweg die Kraft: Nach vorsichtigen Schätzungen leiden mindestens 1 bis 2 Prozent aller Kinder, die eine Corona-Erkrankung hinter sich haben, an Long- oder Post-Covid. Für die Kinder eine ganz schwierige Situation, auch für die Eltern eine enorme Belastung. Aber woher weiß man eigentlich, ob das eigene Kind Long- oder Post-Covid hat – also Beschwerden, die länger als vier bzw. zwölf Wochen nach einer akuten Covid-Infektion bestehen bleiben oder gar neu auftreten – oder vielleicht doch etwas ganz anderes dahinter steckt? Im April hat an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) eine der ersten Long- und Post-Covid-Ambulanzen in Nordrhein-Westfalen eröffnet. Hier wird verzweifelten Eltern geholfen, die nicht mehr weiterwissen. Sie wurden von einem Kinderarzt eingewiesen, wenn der Verdacht einer Long- oder Post-Covid-Erkrankung naheliegt. Hier erhoffen sie sich Gewissheit. Uni-Professor Eckard Hamelmann ist Ärztlicher Direktor im Kinderzentrum Bethel am EvKB. Gemeinsam mit Assistenzarzt Jeremy Schmidt und der Psychologin Juliane Venghaus, zuständig für die Long- und Post-Covid-Ambulanz, wurden bislang mehr als 40 Kinder am Grenzweg in Bethel behandelt. "Kinder stark belastet" Bei den meisten der Kinder, weiß Hamelmann, ist es gar nicht so eindeutig, ob sie Long- bzw. Post-Covid haben oder sich doch etwas ganz anderes hinter dem Krankheitsbild verbirgt, wie z.B. eine Depression oder andere Folgen der Pandemie. &bdquo;Die Kinder sind durch die Pandemie noch immer stark belastet“, sagt Hamelmann. Es sei gar nicht so einfach zu unterscheiden, was durch die Corona-bedingten Einschränkungen und was durch die tatsächliche Infektion mit dem Virus verursacht sei. &bdquo;Manchmal ist es auch beides.“ Er spricht dann von einem &bdquo;Mischbild“. Generell geht er von einem Drittel-Mix aus, was die Einordnung der Probleme, mit denen die Kinder in die Ambulanz kommen, angeht: ein Drittel mit klaren körperlichen Befunden als Folge der Erkrankung, ein Drittel mit psychosomatischen Problemen, also eben dem Mischbild aus körperlicher und seelischer Betroffenheit, und ein Drittel mit überwiegend psychischen Problemen. Viele haben Tortur hinter sich Schon bei der Anmeldung in der Ambulanz versucht das Team aus Ärzten, Psychologen und Pflege herauszufinden, ob Long- oder Post-Covid vorliegen könnte. Viele Familien haben da bereits eine Tortur hinter sich, sind von Arzt zu Arzt gegangen. Auch aus dem Umfeld gibt’s häufig komische Blicke: Die klassischen Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit oder Konzentrationsschwäche werden von vielen nicht ernst genommen und die Kinder als faul abgestempelt. &bdquo;Dabei leiden sie enorm, weil sie wollen, aber nicht können“, sagt Hamelmann. &bdquo;Wichtig ist, dass wir die Kinder und ihre Eltern ernst nehmen.“ Wenn ein Kind zehn Minuten spazieren geht und ein bis zwei Tage danach immer noch aus der Puste ist, dann ist es mit Sicherheit Long Covid, weiß Jeremy Schmidt. &bdquo;Wir hatten Kinder hier, die sich nach dem Frühstück wieder hinlegen mussten, weil selbst das für sie zu viel war.“ Viele der Patienten seien auch zu schwach, um zur Schule zu gehen. &bdquo;Die fehlen dann oft wochen- oder monatelang.“ Dabei wollten sie unbedingt zu Schule. Ein Bild vom Alltag des Kindes Um eine Diagnose stellen zu können, macht sich Jeremy Schmidt in der Ambulanz gemeinsam mit einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin ein genaues Bild vom Alltag des Kindes und seinen Beschwerden. Neben intensiven Gesprächen wird ihnen am EvKB Blut abgenommen, das Lungenvolumen überprüft, die Herzströme und Blutdruck gemessen und untersucht, ob der Kreislauf stabil ist. Für die Eltern sei es oft eine Erleichterung, wenn sie wüssten, worunter ihr Kind leidet. Auch, wenn es ein langes Leiden sein kann. &bdquo;Sie haben dann Gewissheit und können viel besser auf ihr Kind und die Krankheit reagieren“, sagt Schmidt. Sie müssten die Kinder auch bremsen, wenn sie sich zu viel vornehmen. Beide, Eltern und Kinder, müssten lernen, ihr Batterie-Level einzuschätzen. Großes Einzugsgebiet Das Einzugsgebiet der Ambulanz ist groß. Jedes dritte Kind wohnt weiter als zwei Stunden Autofahrt von Bielefeld entfernt. Einen Nachmittag sind die Kinder mit ihren Eltern in der Ambulanz, anschließend werden sie wohnortnah weiter betreut. Für die meisten ist es ein langer Weg.

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