Experiment: In Bielefelder Restaurant bestimmen jetzt die Gäste den Preis

Bielefeld. Ganz schön mutige Aktion: Ein noch junger Bielefelder Burgerladen stellt seine Kundschaft auf die Probe. Wenn die Gäste frei entscheiden können, was sind sie bereit, für Bowls und Burger zu zahlen? Dieses Experiment wagen an diesem Freitag, 12. August, Stephanie und Umer Butt in ihrem Glückspilz-Restaurant an der Hagenbruchstraße. Die Aktion heißt "Zahl', was es Dir wert ist", dabei bestimmt der Gast, wie hoch die Rechnung nach dem Essen ist. An diesem Tag werden die Preise an den Gerichten verdeckt, erklären die Chefs. Was genau wollen die Gastronomen mit dem Experiment erreichen? Abgesehen von den üblichen Zielen zugegeben gelungenen Marketings. Den beiden geht es nach eigenen Worten darum, auf die gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise aufmerksam zu machen. Jeder spürt, dass die Preise angezogen haben, sowohl im Supermarkt als auch im Restaurant müssen die Gäste in den meisten Fällen tiefer in die Tasche greifen. "Viele Kunden ärgern sich über höhere Preise" Viele Kunden ärgerten sich darüber, sollen aber verstehen, warum die Gastronomen die Preise erhöhen. "Das ist für uns wirklich kein leichter Schritt, es geht aber nicht anders", sagt Stephanie Butt. Mit dem Versuch wollen die Betreiber des Glückspilz' Erkenntnisse darüber erlangen, was ihre Kunden auszugeben bereit sind. Verluste sind in die Aktion eingepreist. "Um Gewinne geht es uns auch gar nicht." Man wolle einfach auf die derzeit schwierige Lage der Gastronomie aufmerksam machen. Zumal die beiden befürchten, dass die Preise noch weiter steigen könnten. Die Aktion sei auf jeden Fall spannend, sagt Regina Tönsing, Hauptgeschäftsführerin der DEHOGA Ostwestfalen, dem Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbands der Gastwirtschaft. Wer seine Existenz sichern wolle, komme nicht umhin, die Preise anzupassen. Sich dabei auf seine Kunden und sein Geschäftsmodell zu konzentrieren und Recherchen zu betreiben, sei sehr sinnvoll. Der Spagat sei aktuell schwierig: Einerseits die Kunden durch die Preiserhöhungen nicht zu vergraulen, andererseits die gestiegenen Kosten weitergeben zu müssen. Gastronomie sei in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern immer sehr günstig. Die höheren Einkaufspreise einfach auf der Karte aufzuschlagen, sei nur eine Lösung. Cappuccino im Coffee Store bald für 3,40 Euro Man müsse über den Tellerrand schauen, und auch die einzelnen Gerichte unter die Lupe nehmen, so Tönsing. "Muss ich das Filet auf der Speisekarte haben, oder gibt es Alternativen?" Mehr regionale, saisonale Produkte zu setzen, könne beim Sparen helfen. Ohnehin eher fast zu große Portionen etwas zu reduzieren, sei ebenfalls eine Möglichkeit. Wie viel sind die Kunden bereit, für einen Kaffee zu zahlen? Wo ist die Grenze? Das beschäftig auch Axel Deppe, Inhaber des Coffee Stores am Alten Markt. "Aber wir müssen die Preise erhöhen, es geht gar nicht anders", sagt er. Die Kostenexplosionen in vielen Bereichen seien unfassbar. Der Preis für den Import von Kaffee habe sich innerhalb kurzer Zeit verzehnfacht. "Die Transportkosten für einen Container aus Brasilien sind von 700 auf 7.000 Dollar gestiegen", berichtet Deppe. Die Preise für Backwaren hätten innerhalb von drei Monaten um 40 Prozent angezogen. Zudem sei die Personalsituation extrem schwierig, sowohl was die Quantität als auch die Qualität der Mitarbeiter angeht. Wer zum einen Mindestlohn fordere, müsse andererseits auch akzeptieren, dass das ein zusätzlicher Kostentreiber sei. "Da ist ein gesellschaftliches Umdenken notwendig", sagen Deppe und auch Regina Tönsing. Ein Cappuccino im Coffee Store werde zukünftig 3,40 statt 3 Euro kosten, sagt Deppe. Die Herausforderung sei, den Mehrwert auch darzustellen: Ist es ein nur ein Kaffee, auf den ich auch verzichten kann? Oder ein kleiner Luxus, den ich mir gerade in diesen Zeiten noch gönnen möchte. "Wenn ich zu denen gehöre, die sich das aktuell überhaupt noch leisten können", ergänzt Deppe. Lesen Sie auch: Gastronomie: Wie die Kunden auf gestiegene Preise reagieren Vom Lokal in den Supermarkt: Wohin die Bielefelder Gastro-Mitarbeiter gegangen sind

Meistgelesen