Bielefeld. Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat durch Starkregen, Stürme und Hitzewellen auch in Deutschland bereits erhebliche Schäden angerichtet. Heimische Tier- und Pflanzenarten kommen zwar seit Jahrtausenden mit längeren Frostperioden und nasskalten Sommern zurecht, aber nicht allen gelingt es, sich in kürzester Zeit an die neuen Bedingungen anzupassen. Gleichzeitig eröffnen sich für wärmeliebende Arten Chancen, in Mitteleuropa neue Lebensräume zu erobern. Das macht sich auch in unserer Region bemerkbar.
Insekten: viele profitieren

Der massive Einsatz von Agrargiften hat Wildblumen und Insekten dramatisch reduziert. Wo Kommunen oder Gartenbesitzer etwas mehr Wildnis zulassen, gibt es aber auch kleine Erfolge. Hinzu kommt, dass viele Insektenarten vom warmen und trockenen Wetter profitieren. Wärmeliebende Arten wie der Schwalbenschwanz wurden dieses Jahr in Bielefeld häufiger beobachtet. Ihre grün-schwarze Raupe mit hellroten Punkten frisst gern an der Wilden Möhre. Davon gibt es besonders viele in der Johannisbachaue, wo mit etwas Glück die Falter oder Raupen zu entdecken sind.
Auch das Taubenschwänzchen, das im Sommer aus südlichen Gefilden bei uns einwandert, ist jetzt häufiger anzutreffen. Wie ein Kolibri saugen diese tagaktiven Schwärmer im Schwirrflug Nektar aus den Blüten. Das kostet sehr viel Energie und wenn nicht genügend Blüten vorhanden sind, ist die weite Reise unserer Besucher wegen Treibstoffmangels vorzeitig zu Ende.
Die hübschen Streifenwanzen sind, aus dem Mittelmeerraum kommend, inzwischen in Bielefelder Gärten zu finden. Man sieht sie oft auf den Blütendolden des Gierschs. Da zeigt sich wieder einmal, dass auch ungeliebte Pflanzen im Zusammenspiel der Natur wichtige Rollen spielen – zumal Giersch auch sehr wertvoll auf unserem Teller ist.

Der Südliche Blaupfeil ist eine Libellenart, die langsam nach Norden vordringt. In NRW gelang 2009 unweit von Köln der Erstnachweis für das Bundesland, auch in Isselhorst konnte 2021 ein Exemplar dokumentiert werden.
Weniger erfreulich ist die Ausbreitung wärmeliebender Mücken, die als Überträger von Krankheiten gefährlich werden können. So kann die Anopheles-Mücke Malaria übertragen. Die Asiatische Tigermücke, die in Süddeutschland bereits gesichtet wurde, kann Menschen mit dem Dengue-Virus infizieren.
Amphibien leiden

Amphibien, bei uns also Frösche, Kröten, Molche und Salamander, sind bei der Larvenentwicklung auf Wasser angewiesen. Zunehmende Dürre und frühzeitiges Austrocknen kleinerer Gewässer kann deshalb zum Totalverlust ganzer Populationen führen. Seltene Arten wie der Moorfrosch sind besonders bedroht. In der Paarungszeit im zeitigen Frühling sind die Männchen hellblau gefärbt und versuchen mit blubbernden Geräuschen die Weibchen zu beeindrucken. Im Oppenweher Moor in der Nähe von Rahden kann man das noch erleben. Trocknen die flachen Moortümpel aus, bevor die Kaulquappen sich zu kleinen Fröschen entwickelt haben, ist das Schicksal der Moorfrösche besiegelt.
Reptilien sind Gewinner

Für Reptilien ist die zunehmende Erwärmung dagegen eine eher günstige Entwicklung: Sie bevorzugen warme, trockene Standorte. Im Bielefelder Raum betrifft das besonders die Zauneidechse, die in der Senne vereinzelt vorkommt. Etwas leichter zu finden sind Zauneidechsen im Umweltzentrum Heerser Mühle in Bad Salzuflen. Sie leben dort versteckt in angelegten Steinhaufen, aber besonders in der morgendlichen Kühle nehmen die wechselwarmen Tiere gerne ein Sonnenbad an exponierten Stellen. Um sich weiter auszubreiten benötigen Eidechsen neben Wärme auch Lebensräume mit geeigneten Rückzugsmöglichkeiten und Insekten als Nahrungsangebot.
Vögel: Verdrängung

Unter den Vogelarten, die aus Süd- und Osteuropa allmählich nach Deutschland vordringen, ist der Bienenfresser wohl das spektakulärste Beispiel. Die Vögel mit der tropisch anmutenden Farbenpracht haben zunächst das Gebiet um den Kaiserstuhl und das Saaletal erobert. Über Bielefeld sind immer wieder ziehende Bienenfresser beobachtet worden und im Raum Minden gibt es inzwischen einige Brutpaare. Ihre Brutröhren befinden sich in den Steilwänden von Kiesabbauflächen, die nicht öffentlich zugänglich sind. So können die störungsempfindlichen Vögel in Ruhe ihren Nachwuchs aufziehen. Andere Vogelarten haben durch veränderte klimatische Bedingungen eher Probleme.
Trauerschnäpper beispielsweise überwintern südlich der Sahara und machen sich nach einem angeborenen Rhythmus im April auf die Rückreise. Wenn sie im Brutgebiet eintreffen, Höhlen besetzen und brüten, ist zum Zeitpunkt der Fütterung das Nahrungsangebot an kleinen Raupen normalerweise optimal. Sind Vegetation und Insekten durch wärmeres Klima aber bereits weiterentwickelt, verpassen die Trauerschnäpper den günstigen Zeitpunkt, der Bruterfolg sinkt. Auch in Bielefeld gibt es immer weniger Trauerschnäpper, wobei Lebensraumverlust und Insektenschwund wohl ebenfalls eine Rolle spielen.
Ähnliche Probleme wie der Trauerschnäpper hat auch der Kuckuck. Als Brutparasit legt er seine Eier in die Nester anderer Vogelarten. Allerdings ist das einzelne Weibchen auf eine bestimmte Wirtsvogelart spezialisiert. Wenn diese nun früher brütet als bisher üblich, kommt das Kuckucksweibchen zu spät, um sein Kuckucksei unterzuschieben.
Bilanz
Trotz aller Freude über die eine oder andere neue Tier- oder Pflanzenart in Bielefeld überwiegen die negativen Folgen des Klimawandels. Und auch Bienenfresser, Schwalbenschwänze und andere Zuwanderer benötigen neben Wärme naturnahe Flächen, auf denen sie sich ernähren und fortpflanzen können. Für die bisher zu zaghaften Bürger und Politiker in Bielefeld bedeutet das für den NABU: Flächenversiegelungen minimieren, Schottergärten (mindestens) bei Neubauten verbieten, Flachdächer begrünen, weitere naturnahe Flächen unter Schutz stellen und ökologischen Landbau unterstützen.