In Bielefeld aufs Auto verzichten? Am Stadtrand kaum möglich

Bielefeld. Was müsste passieren, damit mehr Bielefelderinnen und Bielefelder in Busse und Stadtbahnen steigen? Antwort: Der Takt müsste dichter, das Netz größer, der Preis niedriger werden. Und wann würden sich mehr Leute aufs Fahrrad schwingen? Wenn es mehr, sichere und saubere Radwege gäbe, wenn Ampeln fahrradfreundlich geschaltet würden und wenn man sein Rad an vielen Plätzen in der Stadt sicher und ordentlich abstellen könnte. Das sind Ergebnisse des Versuchs &bdquo;Drei Monate ohne Auto“. Klimabeirat, Umweltamt und Universität hatten 50 Menschen das Angebot gemacht, ihr Auto stehenzulassen und ihre Wege oder auch Urlaubsreisen stattdessen zu Fuß, per Rad, per Car-Sharing oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Dafür erhielten sie maximal 400 Euro, um ÖPNV-Abos oder Regenjacken zu kaufen oder E-Scooter zu mieten. 43 Teilnehmer hielten durch und gaben anschließend Auskunft über ihr Verhalten. Repräsentativ ist das nicht, aber die kleine Studie gibt Hinweise darauf, wo Mobilitätsangebote in der Stadt besser werden können. Fahrpläne passen nicht zu Arbeitszeiten &bdquo;Wer auf das Auto verzichten will, trifft immer wieder auf Herausforderungen“, sagt Anke Egging vom Umweltamt. Wer Kinder habe oder pflegebedürftige Angehörige oder wer selbst ein Handicap habe, für den sei es schon schwieriger, den Bus oder das Fahrrad zu benutzen. &bdquo;Das gilt auch für Leute, die im Schichtdienst arbeiten oder am Stadtrand wohnen“, sagt Egging. Das fange schon damit an, dass ÖPNV-Fahrpläne in den Schulferien ausgedünnt würden, die Arbeitszeiten aber gleich blieben. &bdquo;Ein Leben ohne Auto ist möglich. Das gilt vor allem für die Innenstadt“, sagt Umwelt- und Verkehrsdezernent Martin Adamski. Das vorhandene Radwege- und ÖPNV-Angebot sowie die Leihdienste für Pkw, Fahrräder und Scooter seien bereits leistungsfähig, müssten aber optimiert werden. Einfache Tarife verringern Einnahmen der Verkehrsunternehmen Bei Bussen und Bahnen, so die Mini-Studie, verlangen die Nutzer nach Flexibilität, Pünktlichkeit, Erreichbarkeit und möglichst niedrigen Kosten. &bdquo;Das Angebot muss ausgebaut werden, der ÖPNV muss schneller werden und auf den Straßen Vorrang bekommen und er muss etwa mit Ausleihstationen für Zweiräder vernetzt werden“, folgert der Dezernent. Leicht ist das nicht. Denn angesichts der Corona- und Energie-Krise &bdquo;haben wir Probleme, die aktuelle Qualität zu halten“, sagt Adamski. Auch Verbesserungen wie eine vielfach gewünschte Vereinheitlichung von Tarifen oder die Einführung eines digitalen NRW-Tickets würden ins Geld gehen. &bdquo;Durch Tarifvereinfachungen sinken immer die Einnahmen der Verkehrsunternehmen. Sie sind nur möglich, wenn deutlich mehr Geld in das ÖPNV-System gesteckt wird“, sagt Nahverkehrsexperte Godehard Franzen vom Bielefelder Klimabeirat. Radfahrer für höhere Parkgebühren Vor dem Beginn des Ohne-Auto-Projektes nutzen 64 Prozent der Teilnehmer einen eigenen Pkw für ihre täglichen Wege. 44 Prozent fuhren auch mit Bussen und Bahnen, nur 36 Prozent gaben an, regelmäßig aufs Rad zu steigen. Nach Ablauf der drei Monate ohne Auto gaben 68 Prozent an, am häufigsten das Rad benutzt zu haben. Platz zwei und drei gingen an Bus und Stadtbahn. Für Anke Egging vom Umweltamt ist daher klar: &bdquo;Das Fahrrad wird eine wesentliche Rolle spielen, wenn es darum geht, ohne Auto mobil zu sein.“ Das spiegelt sich auch in der Zustimmung der Studienteilnehmer zu Vorschlägen für eine umweltfreundliche Mobilität: 100 Prozent befürworten den Ausbau des ÖPNV-Streckennetzes, 96 Prozent sind für den Rückbau von Straßen beispielsweise für neue Radwege, 92 Prozent wünschen sich eine autofreie Innenstadt und knapp 80 Prozent sprechen sich für höhere Parkgebühren in der City aus. Auto nicht verteufeln Dezernent Adamski beurteilt solche Werte eher zurückhaltend. &bdquo;Strecken von null bis zehn Kilometer lassen sich im Innenstadtbereich problemlos mit Rad und ÖPNV bewältigen.“ Anders liege die Sache, wenn Menschen in Außenbezirken wohnten oder dort ihre Arbeitsplätze hätten. &bdquo;Wir dürfen das Auto nicht verteufeln. Es kommt auf den richtigen Mix der Verkehrsmittel an“, sagt er. Weitere Erkenntnis aus dem Projekt: Neben praktischen Problemen hält auch das &bdquo;Restrisiko“ eine große Zahl von Menschen davon ab, ganz auf das Auto zu verzichten. &bdquo;Sie fürchten, in eine Situation zu geraten, in der es ohne Auto nicht geht. Das könnte etwa sein, dass man am Sonntagmorgen unerwartet zu einem Kinderarzt muss“, sagt Regine Thamm-Wind vom Umweltamt. Um das zu lösen, müsste eine &bdquo;lückenlose Mobilität für alle Alltagssituationen“ geschaffen werden. Busangebote in Randzeiten und in Außenbereichen der Stadt gehörten dann dazu. &bdquo;Ebenso, dass Taxis mit Kindersitzen auch spontan verfügbar wären“, sagt Thamm-Wind.

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