Blutkonserven in Bielefeld schon vor den Sommerferien extrem knapp

Bielefeld. Bedrohlich blutarm ist das Land, in diesem Jahr noch früher als 2021. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das nach eigenen Angaben rund 75 Prozent des Blutbedarfs der Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen deckt, hat deshalb ungewohnterweise schon vor den Sommerferien Alarm geschlagen und ruft die Menschen dringend zum Aderlass auf. Bielefeld läuft erfreulich gegen den Trend, dennoch sind auch hier Blutkonserven Mangelware. Weil jeder Tropfen kostbar ist, sollen Operateure in den Kliniken der Stadt sogar vermehrt an "Blutwäsche" denken. Was es damit auf sich hat, erklärt Klaus Leimkühler, Leiter des Blutspendedienstes Bethel am Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB), der die meisten Krankenhäuser der Stadt mit Blutkonserven versorgt. Alle Ärzte seien wegen des Mangels bereits "sehr sensibilisiert, so blutarm wie möglich zu operieren" und vor planbaren OPs bestehende Anämien nach Möglichkeit medikamentös zu verbessern. Aber bei Eingriffen mit einem hohen Blutverlust sollte das Blut aufgefangen und wieder aufbereitet werden, um es dem Patienten zeitnah wieder zuzuführen und somit Fremdbluttransfusionen zu verringern (maschinelle Autotransfusion). Warum das nötig ist, erklären diese Zahlen: "Das EvKB verbraucht im Regelbetrieb rund 8.500 bis 9.000 Blutkonserven pro Jahr", schildert Klaus Leimkühler, darüber hinaus würden noch einmal rund 4.000 benötigt. Der Blutspendedienst Bethel versorgt darüber hinaus auch das Krankenhaus Mara sowie die Häuser der katholischen Hospitalvereinigung OWL mit dem Franziskus-Hospital Bielefeld, dem Mathilden-Hospital Herford und dem Sankt-Vinzenz-Hospital Rheda-Wiedenbrück. Dazu kommen verschiedene Praxen, die beispielsweise Krebspatienten behandeln, die regelmäßigen Transfusionsbedarf haben. Auf seiner Homepage gibt es ein Blutspendebarometer, das zeigt, bei welchen Gruppen es aktuell kritisch ist. Doch nicht nur Menschen mit Blutgruppe A oder Null sollten jetzt kommen. "Grundsätzlich brauchen wir alle", betont Klaus Leimkühler, zumal sich die Lage täglich verändere. Müssen Operationen verschoben werden? Obwohl der Bielefelder Blutspendedienst 2022 hochgerechnet auf etwa 5.500 selbsthergestellte Blutkonserven kommt und damit ein Plus von rund 1.000 im Vergleich zu Vorjahr aufweisen kann, "fehlen immer noch mehr als die Hälfte der benötigten Konserven. Alles, was man sammeln kann, hilft ein bisschen weiter", so Leimkühler. Zugekauft werden Blutkonserven üblicherweise vom Herzzentrum in Bad Oeynhausen (Blutspendedienst OWL) oder vom DRK-Blutspendedienst Westfalen-Lippe. Die können aber nur noch bedingt liefern. Auch eine gute Einkaufsquelle in Thüringen sei versiegt. "Das ist schon ein mulmiges Gefühl", sagt Leimkühler, auch wenn der Bodensatz der Vorräte noch nicht erreicht sei und noch keine Operationen verschoben werden mussten. In Deutschland werden im Schnitt jeden Tag 15.000 Blutspenden benötigt, um kranken und verletzten Menschen zu helfen. In Bielefeld liegt der Bedarf darüber - allerdings aufs Jahr gesehen. Die Werbung für Blutspenden kommt einigen Betroffenen offenbar zu kurz. Klaus Leimkühler erzählt von einem chronisch Kranken, der regelmäßig auf Blutprodukte angewiesen sei. Dieser sei vor ein paar Tagen zu ihm gekommen, um sich entsprechende Plakate abzuholen und diese aufzuhängen. "Er hatte in der Universität Plakate vermisst, die zur Blutspende aufrufen." Ein anderer Patient habe sogar die Idee gehabt, eigens eine Stiftung ins Leben zu rufen, um gezielt die Blutspendedienste zu unterstützen. Dies habe sich aber letztlich nicht realisieren lassen. Erfolg: Sonderaktion brachte mehr als 900 Neuspender Es hat übrigens einen speziellen Grund, dass Bethel entgegen dem Bundestrend mehr Blutspenden als im Jahr zuvor erzielen konnte: Von Mitte Februar bis Anfang April hatte der Blutspendedienst mit einem kostenlosen Test auf Sars-CoV-2-Antikörper gelockt. "Die Aktion hat sich nach Leimkühlers Worten so richtig gelohnt. "Wir hatten mehr als 900 Neuspender innerhalb dieser Zeit." Wiederholen lassen sich dieser Erfolg aber nicht, nach Antikörper-Tests werde bei Spendenterminen kaum noch gefragt, außerdem sei es aufgrund des hohen Laboraufwands kostenintensiv. Einer dieser Neuspender kam sogar aus Potsdam zum Blutspendedienst Bethel. Er hatte, wie Leimkühler erklärt, im Fernsehen von der Aktion in Bielefeld gehört. Und weil er passenderweise beruflich in der Stadt zu tun gehabt habe, habe er gespendet und sich testen lassen. Auch aus Hamm, Höxter und Paderborn seien Menschen angereist, die auf diese Weise erfahren wollten, ob sie sich unerkannt mit Corona infiziert haben oder wie hoch ihre Antikörperzahlen nach einer Impfung waren. Nur 3,5 Prozent der Bevölkerung geht zur Blutspende Wie nachhaltig das Ganze ist, muss sich erst noch zeigen. "Aber einige der neuen Spender sind nach der Aktion ein zweites oder drittes Mal wiedergekommen", schildert Klaus Leimkühler. Sie haben die offensichtlich die innere Hürde zum Aderlass erfolgreich übersprungen. Laut einer repräsentativen Umfrage des digitalen Versicherers Clark in Zusammenarbeit mit YouGov zum Weltblutspendetag am 14. Juni sind 19 Prozent der 18- bis 34-Jährigen (25 Prozent) theoretisch dazu bereit, bei den ab 55-Jährigen etwa 14 Prozent. Tatsächlich spenden In Deutschland nach Zahlen des DRK aber nur 3,5 Prozent der Menschen Blut. Demgegenüber steht, dass jeder dritte Bundesbürger statistisch gesehen mindestens einmal in seinem Leben auf ein Blutprodukt angewiesen ist.

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