Überraschende Wende nach brutaler Prügelei an der Bielefelder Kunsthalle

Bielefeld. Es war ein schwerer Vorwurf, den die Staatsanwaltschaft gegen einen 25 Jahre alten Mann aus Bielefeld erhoben hatte: Er soll bei einer körperlichen Auseinandersetzung versucht haben, einen Finger seines Gegners mit einem Messer zu durchtrennen. Dieser Nachweis ließ sich vor dem Amtsgericht jedoch nicht führen. Was auch immer genau am Tattag passiert sein mag - das Gericht sprach den Angeklagten letztlich vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung frei. Eine Aussprache eskalierte Es ist unstreitig, dass es am 6. Juli 2021 auf einem Parkplatz an der Kunsthalle zu einer Prügelei zwischen dem nun angeklagten Ognjen T. (25) und dem gleichaltrigen Sadok G. (Namen aller Betroffenen geändert) gekommen war. Fest steht ebenfalls, dass wenig später Ärzte in einem Krankenhaus einen beinahe gänzlich abgetrennten Finger von Sadok G., der nur noch durch die Haut gehalten wurde, wieder annähen mussten. Doch wie es genau dazu gekommen war, dazu gehen die Darstellungen weit auseinander. Zu jener Zeit waren die Freundin des Angeklagten und Sadok G. - bei dem es sich bis dahin um einen Kumpel der Frau gehandelt hatte - aufgrund eines wenige Wochen zurückliegenden Vorfalls nicht gut aufeinander zu sprechen. Schließlich verabredeten sie sich für den späteren Nachmittag jenes Juli-Tags, um sich auszusprechen. Doch lief die Streitbeilegung in eine gänzlich verkehrte Richtung: Die Diskussion zwischen der Frau und Sadok G. verlief hitzig, so dass nach eigener Aussage der Angeklagte, der seine Freundin begleitet hatte und bis dahin etwas abseits gestanden hatte, sich genötigt sah, einzugreifen. Er habe, so gab Ognjen T. vor Gericht an, G. beruhigen wollen. Doch habe dieser ständig zwei Bierflaschen, die er in den Händen hielt, vor ihm herumgefuchtelt. Als G. aggressiv mit den Flaschen auf ihn zugekommen sei, habe er diesem einmal ins Gesicht geschlagen. Erfolgte die Verletzung durch einen Sturz auf eine Bierflasche? Dabei habe Sadok G. das Gleichgewicht verloren und rückwärts auf sein Hinterteil gefallen. Eine der Flaschen sei zersplittert, als G. versuchte, sich mit den Händen noch abzustützen: "Die andere Flasche hat er dann nach mir geworfen. Aufgrund der kurzen Distanz prallte die jedoch an mir ab und ging dann auch auf dem Boden kaputt." Im Anschluss sei es dann zu einem Gerangel gekommen. Dass der Finger von G. fast abgetrennt war, will Ognjen T. erst bemerkt haben, als die beiden Männer schließlich voneinander abließen. "Ich gehe davon aus, dass er sich beim Sturz auf die Flasche verletzt hat", führte T. aus, "ich hatte zumindest auf gar keinen Fall ein Messer oder Ähnliches dabei." Denn genau das warf die Anklage T. vor: Er soll während der Auseinandersetzung seinen Kontrahenten auf dem Boden fixiert haben und versucht haben, einen Finger des Manns abzusägen. Der Vorwurf basierte auf den Angaben, die Sadok G. der Polizei gegenüber gemacht hatte. Doch war die Version, die G. nun vor Gericht schilderte, eine gänzlich andere: Demnach habe er im Gespräch mit der Freundin von T. von diesem plötzlich wie aus dem Nichts zwei Faustschläge an den Kopf bekommen. Sodann soll T. ein Butterfly-Messer gezückt haben und - während beide Männer standen - versucht haben, mit einer von oben kommenden Stichbewegung den Finger zu durchtrennen. "Ich habe versucht, sein Handgelenk zu greifen. Dabei ist das dann passiert. Hätte ich ihm nicht ins Gesicht getreten, hätte er den Finger ganz abgeschnitten." Auch ein Gutachter bringt nur wenig Licht ins Dunkel Die Rangelei endete schließlich, als zwei Passantinnen auf das Geschehen aufmerksam wurden und schließlich die Rettungskräfte informierten. Allerdings hatten auch diese beiden Zeuginnen nicht gesehen, wie es zu der schweren Verletzung gekommen war. Jedoch schlossen sie aus, dass es eine eindeutige Konstellation eines Aggressors gegen ein Opfer gegeben habe. Vielmehr habe es so gewirkt, als seien die Männer zu gleichen Teilen an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen. Der Rechtsmediziner Bernd Karger sagte in seinem Gutachten, dass die Variante gezielter Sägebewegungen für die Verletzung des Fingers zwar die wahrscheinlichste sei, dass jedoch auch das Fallen auf eine zerplatzende Flasche oder ein Stich von oben dafür in Frage kämen - wobei der Sturz auf die Flasche dann noch plausibler sei als ein Stich. Auf die widersprüchlichen Aussagen von Sadok G. mochte das Gericht letztlich keine Verurteilung stützen - es folgte den Anträgen von Staatsanwalt Steffen Walter und Verteidiger Andreas Chlosta und sprach T. frei.

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