Wutrede mit Folgen: Bielefeld ist die Hochburg der Nörgelfritzen

Bielefeld. Nach fünf fröhlichen Leineweber-Tagen dröhnte ein Donnerwetter durch die Stadt, das viele Bielefelder in Erstaunen versetzte. Es sorgte sogar dafür, dass sich die Freude über ein erfolgreiches und gelungenes Fest in großes Befremden verwandelte. Gemeint ist die öffentliche Wutrede Martin Knabenreichs. Der Chef der Stadtmarketing GmbH regte sich auf über verbale Attacken und Drohungen gegenüber eigenen Mitarbeitern. Als Veranstalter des Leinewebers erfährt Knabenreich seither viel Zuspruch. Eine große Mehrheit findet, dass Bielefeld solche Stadtfeste braucht Doch war der öffentliche Wutausbruch in dieser Art wirklich notwendig? Das Fest zählte 380.000 Besucher! Die Bielefelder haben mit ihren Füßen abgestimmt und beeindruckend untermauert, welchen Stellenwert der Leinweber für sie und für die Lebensqualität in der Stadt hat. Eine große Mehrheit findet, dass Bielefeld solche Stadtfeste braucht. Das ist offensichtlich. Der Leinewebermarkt 2022 wäre eine Erfolgsgeschichte geworden. Doch jetzt bleibt vielen nur die Schimpftirade in Erinnerung. Als Veranstalter hatte Knabenreich am Sonntag zu einem Bilanz-Pressegespräch eingeladen. Routinemäßig wird bei solchen Gesprächen über Besucherzahlen und Umsätze gesprochen. Leineweber geht manchen gegen Strich - na und? Doch Knabenreich nutzte die Gelegenheit, um seinem offensichtlich angestauten Ärger Luft zu machen. Er sprach von untragbaren Rahmenbedingungen, verbalen Angriffen auf seine Mitarbeiter. Von Händlern und Gastronomen in der Altstadt, die sich gegen Stadtfeste in der Innenstadt verbünden. &bdquo;Wir haben die Schnauze voll“, endete der Frustablass. Natürlich gibt es Menschen, denen ein Fest in der Innenstadt auf die Nerven oder sogar gegen den Strich geht. Das ist aber mitnichten Grund genug, dass ein Volksfest, das erfolgreich zu Ende gegangen ist, in Frage gestellt wird. Sogar von einem möglichen &bdquo;Aus” für den Leineweber und andere Feste in der Innenstadt war die Rede. Das erscheint angesichts der Vorkommnisse vollkommen überzogen. Alle waren baff Selbst die Altstadt-Kaufleute, allen voran ihr Vorsitzender Henner Zimmat, waren baff nach dem verbalen Ausbruch Knabenreichs. Nach der öffentlichen Klage der Bielefeld Marketing GmbH über die mangelnde Unterstützung einiger Akteure aus der Altstadt, unterstrich Zimmat das Bekenntnis seiner Leute zum Leinweber. Die Einzelhändler, die den Leineweber torpediert hätten, seien keine Mitglieder der Kaufmannschaft, betonte er. Auch Knabenreich hatte nur von Einzelnen gesprochen. Die Verbände und Institutionen stünden hinter dem Fest. Umso mehr Klärungsbedarf gibt es. Wie kann es sein, dass die Unmutsbekundungen weniger Einzelhändler, Gastronomen und Anwohner plötzlich eine derartige Wucht entfalten? Knabenreich hat ungewöhnlich drastische Worte gewählt, um seinem Ärger über die Nörgler Luft zu machen. Das irritierte viele. Denn Lob und Zuspruch hatten den Leineweber bis dahin öffentlich begleitet. Zeitpunkt und Ort zum Frust ablassen nicht gut gewählt Klar gab es auch Diskussionen: Über hohe Preise und geringe Umsätze am verkaufsoffenen Sonntag. Doch abgesehen davon blieben die Auseinandersetzungen hinter den Kulissen der Öffentlichkeit verborgen. Natürlich kann es nicht angehen, dass Mitarbeiter der Marketing GmbH angeschrien und unter Druck gesetzt werden. Doch die Angelegenheit hätte öffentlich nicht auf diese Weise eskalieren dürfen. Zeitpunkt und Ort des Frustablassens waren nicht gut gewählt. Der Verlierer einer solchen Diskussion ist die Stadt selbst. Der Imageschaden ist schon jetzt immens. Die Bielefelder schaffen es immer wieder, ihre eigene Stadt schlecht zu reden. Beispiele sind die Linie 5, Der Kesselbrink, der Altstadtversuch, der Jahnplatz und jetzt auch noch der Leineweber. Eine laute Minderheit macht die Stadt zur Hochburg der Nörgelfritzen. Das muss aufhören. Weil Bielefeld das nicht verdient hat. Und schon gar nicht die Altstadt. Sie bietet unglaublich viel Aufenthaltsqualität. Doch die positiven Seiten der Stadt verschwinden seit Monaten in einem Negativsog. Das kann sich keine Stadt leisten. Die Nerven liegen blank Wenn die Nerven bei einigen Akteuren in der Altstadt blank liegen, muss es jemanden geben, der für Ruhe und Sachlichkeit sorgt – am besten hinter den Kulissen. Und er muss Verlässlichkeit schaffen – für den Veranstalter, Anwohner und Händler. Das kann eigentlich nur einer: Der Oberbürgermeister. Das gilt auch für andere Themen in der Stadt, bei denen man sich mehr Präsens und deutliche Worte von Pit Clausen wünschen würde.

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