Verein schlägt Alarm: Historisches Gebäude soll abgerissen werden

Bielefeld. Das frühere Anker- und Seidensticker-Fabrikgebäude am Stadtholz soll abgerissen werden zugunsten eines Neubaus für die Polizei. Damit endet eine jahrelange Suche der Behörde nach einem neuen Standort, damit beginnt aber auch die Verstimmtheit von Historikern und Ästheten über den drohenden Verlust eines weiteren historischen Industriegebäudes in Bielefeld. Der Bau am Stadtholz entstand in den frühen 1920er Jahren. Nachdem sich die Firma Anker zwischen Rohrteich-, Turner-, Ravensberger und Gerichtsstraße – heute &bdquo;Anker-Gärten“ – nicht mehr ausdehnen konnte, erwarb das Unternehmen Anfang der 1920er-Jahre ein 60.000 Quadratmeter großes Areal an der Ecke Am Werkering/Am Stadtholz. "Pragmatischer Industriebau Richtung Neue Sachlichkeit" Bis 1923 wurden darauf zwei sechs Stockwerke hohe Fabrikgebäude mit 14.000 Quadratmetern Arbeitsfläche für die Registrierkassenproduktion errichtet. &bdquo;Wichtig war vor allem der Gleisanschluss an die Köln-Mindener-Eisenbahn im Vordergrund auf der heutigen Straße Am Stadtholz“, erklärt Andreas Beaugrand, FH-Professor für Gestaltung und Mitglied im Historischen Verein für die Grafschaft Ravensberg. &bdquo;Die Architektur würde ich als pragmatischen Industriebau in Richtung Neue Sachlichkeit einordnen“, ergänzt er. Für Beaugrand ist zumindest die Fassade wegen ihrer industrie-historischen Bedeutung erhaltenswert. Die drücke die Klarheit der Zeit aus. So sieht das auch Heinz-Dieter Zutz vom Historischen Verein, der fürchtet, das Bielefeld wieder einen markanten Industriebau verliert. &bdquo;Es muss doch möglich sein, das Gebäude so umzugestalten wie das Luftwaffenbekleidungsamt“, sagt er. Das Beispiel vom Lenkwerk am Stadtholz schräg gegenüber des besagten Ankerbaus gilt im Verein als Positivbeispiel, wie alte Substanz gerettet und in neue Strukturen integriert werden kann. Das ehemalige Luftwaffenbekleidungsamt heute unter anderem ein Automuseum und eine Restaurant, es ist weitgehend im Original erhalten. "Jeder Bürger kann tätig werden" Beim Ankergebäude, in dem später auch die ehemalige Seidensticker-Tochter Jobis untergebracht war, ist unbekannt, wie es um die Bausubstanz steht oder ob es innen Erhaltenswertes gibt. Der Eigentümer der Immobilie aus Düsseldorf ist für eine Auskunft nicht zu erreichen. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass das gesamte Gebäude abgerissen werden muss, damit alle Funktionen für die Polizei dort untergebracht werden können – also auch die Fassade. Im Historischen Verein sehen die Mitglieder einen Weg, zumindest die Fassade doch noch zu retten. &bdquo;Bevor ein Gebäude einfach verschwindet, kann jeder Bürger in der Weise tätig werden, dass er die zuständige Untere Denkmalbehörde der Stadt Bielefeld darüber informiert, dass seiner Meinung nach am Erhalt des Bauwerks ein öffentliches Interesse besteht“, sagt Emanuel Hübner. Die Behörde müsse dann eine Denkmalwertprüfung vornehmen. Diese werde in der Regel von der für Denkmalfragen zuständigen Abteilung des LWL durchgeführt. Der Verein beabsichtigt, eine derartige Eingabe zu machen. Das Denkmalschutzgesetz des Landes begreifen die Mitglieder des Historischen Verein als Unterstützung ihres Ansinnens. Darin heißt es in Paragraf 2 bei den Begriffsbestimmungen: &bdquo;Denkmäler sind Sachen, Mehrheiten von Sachen und Teile von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Ein öffentliches Interesse besteht, wenn die Sachen bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen.“ Andreas Beaugrand wünscht sich generell, dass historische Industriebausubstanz in Bielefeld mehr geschätzt wird. &bdquo;Sie gehört zur Kulturgeschichte Bielefelds“, sagt er. Neben dem Luftwaffenbekleidungsamt-Gebäude am Stadtholz sei der Umbau des Hochhauses &bdquo;H1“ am Kesselbrink durch Goldbeck ein gelungenes Beispiel. Die Ankerbau-Fassade sollte hinzukommen.

Meistgelesen