Ekelhafte Zustände in Bielefelder Wohnhaus: Stadt muss eingreifen

Bielefeld. In einem Mehrfamilienhaus an der Oststraße herrschen offenbar solche Zustände, dass die Stadt - die wohl von Nachbarn alarmiert wurde - nun entschlossen durchgreifen will: Dort gebe es einen "massiven Rattenbefall", die hygienischen Zustände seien unhaltbar. Zudem sollen sich auf dem Dachboden Hausbesetzer eingenistet haben. Die Eingangstür wurde mehrfach aufgebrochen. Schon im vergangenen Jahr hatte die Verwaltung versucht, die Nager durch "professionelle Schädlingsbekämpfung, Müllräumung und Klempnerarbeiten, bei denen Rückfallklappen in Fallrohre eingebaut wurden", loszuwerden. "Das ist uns jedoch nicht gelungen", teilt Peter Schmid, der Leiter des Bielefelder Gesundheitsamts, auf Anfrage mit. Stadt greift zur "Ultima Ratio" "Daher greifen wir nun zur Ultima Ratio, was wir bisher fast nie tun mussten. Wir untersagen vorübergehend die weitere Nutzung als Wohnhaus und haben den Eigentümer aufgefordert, das Haus bis Mitte des Monats zu räumen." Sonst drohe ihm ein Zwangsgeld, über dessen Höhe von der Stadt nichts zu erfahren war. Sobald es leer steht, soll das Haus grundlegend saniert werden, um die Rattenproblematik ein für allemal zu lösen. Mieter wissen nicht, wohin Die Bewohner hat die Verwaltung am 12. April durch eine Postwurfsendung "An alle Mieter" über die bevorstehende Räumung informiert. "Unglaublich", findet das Sebastian Spalthoff. Der Bielefelder, der seit drei Jahren in dem Gebäude - "mit unbefristetem Mietvertrag!" - wohnt, berichtet, dass das Ordnungsamt mit Kammerjägerin noch kurz zuvor Rattengift verteilt habe. Dann hätten plötzlich Vertreter der Stadt und der Polizei vor seiner Haustür gestanden, er habe seinen Personalausweis vorzeigen müssen - "alles ohne Rechtsbelehrung". Wer von der Verwaltung das genau war, das habe er erst hinterher mühevoll über die Bürgerberatung herausgefunden. In seiner Wohnung sei ihm gesagt worden, dass er eine Ausweichunterbringung bekomme, aber als er dann nachgehakt habe, habe es geheißen, er müsse sich selbst kümmern. "Am 13. Mai wollen sie in die öffentlichen Räume und einen Tag später in die Wohnungen", erzählt er empört. Und berichtet von einem anderen Mieter mit Migrationshintergrund, der ein minderjähriges Kind habe und nun überhaupt nicht wisse, was tun. "Das ist doch ein Unding." Obdachlosenunterkunft befürchtet Nun befürchtet der Bielefelder, am Ende in einer Obdachlosenunterkunft zu landen. "Da kümmere ich mich lieber selbst - aber eigentlich ist es gar nicht möglich, in einem Monat eine neue Wohnung zu finden. Geschweige denn, umzuziehen." Er hätte sich gewünscht, eine ausreichende Zeit vorher informiert worden zu sein, und das gründlich. Und räumt ein, dass es in den vergangenen Monaten Probleme gab - "der Zustand als solches war nicht tragbar". Doch inzwischen seien die Ratten nicht mehr da. Er habe seine Wohnung mit Stahlwolle versiegelt, eine zweite Wand gezogen und so sämtliche "Eingriffstore" dichtgemacht. Seitdem herrsche dort Ruhe. Sonst funktioniere alles, auch die Heizung (Fernwärme). Es gebe auch keinen Schimmel an den Wänden. Hausbesetzer auf dem Dachboden Komplett aufgeräumt und "clean" sei inzwischen außerdem der Keller, zudem habe er rund ums Haus gründlich sauber gemacht, erzählt der Mieter. Allerdings,gebe es für den anfallenden Müll seit langem nicht genug Restmülltonnen, drei für fünf Wohnparteien. Die drei weiteren Wohnungen ständen leer. Für zusätzlichen Abfall sorgten Hausbesetzer, die sich auf dem großen Dachboden eingerichtet haben. "Sie haben die Haustür dreimal kaputt gemacht", erzählt Spalthoff, der den Schließmechanismus zweimal erneuerte. Inzwischen wurde er wieder zerstört, die Tür lässt sich einfach aufdrücken. Der Eigentümer melde sich nie. &bdquo;Andererseits stresst er aber auch nicht.“ Gegen die Besetzer könne auch die Polizei nicht vorgehen, solange der Vermieter nichts sage, erklärt Spalthoff, der sich inzwischen beim Mieterbund OWL Rechtshilfe geholt hat. "Das läuft unter Besetzungsrecht. Ich hätte da schon längst einen Riegel vorgeschoben." Stadt hat Wohnaufsichtsrecht Der Mieterbund bestätigt die rechtliche Einschätzung. Geschäftsführer Ralf Brodda: "Wenn Menschen ohne Mietvertrag Räume nutzen, ist das Sache des Vermieters." Anders sehe es beim Thema Gesundheit aus, denn die Stadt als staatliches Organ habe eine Wohnaufsichtspflicht. "Und wenn die Wohnverhältnisse nicht zumutbar sind, dann ist das Haus unbewohnbar." Das sei auch bei Einsturzgefahr so, bei Überbelegung oder wenn sonst Gefahren von dem Gebäude ausgingen. Der Eigentümer sei dann verpflichtet, angemessene Wohnverhältnisse zu schaffen. Die Stadt müsse ihm nachdrücklich darauf hinweisen. Und sie behaupte, das auch getan zu haben. Räumung nur bei "zumutbaren Alternative" Andererseits: Eine Räumung, wie jetzt geplant, gehe nur, wenn eine "zumutbare Alternative" als Ersatzwohnraum zur Verfügung stehe, so Brodda. "Eine Obdachlosenunterkunft ist damit nicht gemeint." Grundsätzlich befürworte er, "dass die Stadt sich kümmert". Allerdings nicht so: Nicht angemessen sei der kurze Zeitraum von nur einem Monat, fragwürdig die Information der Mieter über Postwurfsendungen genauso wie die Personalienaufnahme. "Wenn die Mieter gemeldet sind, dann sind die doch sowieso bekannt." So würden die rechtlich einwandfreien Mieter, die eh' schon unter den Hygieneverhältnissen und auch der Hausbesetzung litten, weiter belastet. Mieter sind Opfer, nicht die "Bösen" "Aber sie sind ja nicht die Bösen, sondern die Opfer", unterstreicht der Mieterbund-Geschäftsführer, der sich fragt, wer oder was wirklich hinter dem kategorischen Vorgehen der Stadt stehe. Denn: "Ratten gibt es viele in Bielefeld - wahrscheinlich mehr als Menschen."

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