Immobilien Raumwunder: Exklusiver Einblick in ein ganz besonderes Bielefelder Haus

Bielefeld. Als ihr Blick von der Dachterrasse einer Freundin auf drei benachbarte, alte Garagen fiel, haben sie auf dem asphaltierten Fleck gleich ein Häuschen für sich gesehen. Das erzählen die Eigentümerinnen eines minimalistischen Neubaus im nahen Osten der Stadt. Zwar habe die Fläche auch auf den zweiten Blick immer noch recht klein gewirkt, doch wie es der Zufall ebenso wollte, präsentierte eine weitere Freundin auch gleich den passenden Architekten für das ambitionierte Projekt. Norbert Engelage kam, sah und notierte die Ideen der Bauherrinnen: im Idealfall sanieren, minimal versiegeln, maximal begrünen, kein Einsatz synthetischer Baustoffe, nutzen regionaler Materialien, Verzicht auf fossile Brennstoffe für Wärme oder Warmwasser – und alles vereint unter einem gepflegten Flachdach. Der Routinier im Umgang mit Baulücken prüfte den Bestand der drei Garagen samt verwittertem Anbau, votierte für einen Neubau und nahm penibel Maß. Schließlich kennen Bauamt und Bebauungsplan kein Pardon, wenn es beispielsweise um das zentimetergenaue Einhalten von Abständen zur Nachbargrenze geht.Weil die Grenzen der nur 320 Quadratmeter kleinen Parzelle nicht parallel verlaufen, arbeitet Engelage an kritischer Stelle auf der einen Hausseite mit einem Versatz, und nutzte auf der gegenüberliegenden eine luftige Außentreppe, um den Abstand zu den Nachbarn zu gewährleisten.Bebauungsplan verlangt ein Satteldach Im ersten Moment protestierten die Eigentümerinnen gegen das oktroyierte Satteldach, widersprach es doch gänzlich ihrer Vorstellung, und Engelage erklärte den zwingenden Grund: &bdquo;Der Bebauungsplan aus den 50er-Jahren gestattet kein Flachdach an dieser Stelle – das kann auf der anderen Straßenseite schon wieder ganz anders aussehen, gilt dort ein anderer B-Plan.“ Mittlerweile lieben die Frauen ihr Satteldach mit Südneigung, denn auf ihm produzieren Photovoltaik-Module reichlich Strom für Erdwärmepumpe samt Fußbodenheizung. Und unterm Dach existiert durch Ausnutzung der maximalen Drempel-Höhe zusätzlicher Wohnraum für Gäste, Fitness-Geräte, einen Nähtisch – sowie die Tür zu Dachterrasse: Während die Eigentümerinnen beim Blick aus der Terrassentür im Erdgeschoss gegenwärtig noch auf nackte Wände schauen, genießen sie vom Dach freie Sicht bis zur Teuto-Promenade. Und auch die Terrassentür im Erdgeschoss bereitet den beiden Freude, denn sie lässt sich nach dem Öffnen ganz umklappen und versperrt somit niemandem den Weg. Das sei ein großer Gewinn, ebenso die Schiebetüren als elegante wie platzsparende Raumtrenner im Parterre und im ersten Stock. Dort befindet sich auf 30 Quadratmetern eine Einliegerwohnung, erreichbar über die angedockte Außentreppe.Wie fühlt es sich nun an, etwas eingeklemmt zwischen zwei altgestandenen Häusern zu wohnen? &bdquo;Wir fühlen uns hier richtig wohl, für die Nachbarn waren die Veränderungen allerdings nicht nur positiv, doch sie sind uns alle mit viel Verständnis und Unterstützung begegnet“, erzählen die beiden. Denn Anlieferung und Lagerung des Baumaterials sei nicht immer einfach gewesen auf dem engen Raum. Schließlich sind die Wände gemauert, sie bestehen Stein für Stein aus dicken, wärmedämmenden Ziegeln anstatt einer Kombi aus Stein mit Styropor als Dämmung. Verein Pro Grün hofft auf viele NachahmerUm möglichst wenig Fläche zu versiegeln, sollte das Carport mit den beiden Stellplätzen direkt am Bürgersteig stehen – das Ansinnen aber boykottierte der antiquierte Bebauungsplan. Der verlange das Schaffen eines fünf Meter breiten sogenannten &bdquo;Abstandsgrün“. Wobei das Grün auch gerne Grau sein darf, wenn der Weg zu der fünf Meter entfernten Garage oder zum Carport eben gepflastert oder asphaltiert werden muss. Das sei auch so eine Reminiszenz an die 50er, die schon lange niemand mehr brauche, sagt Engelage.Doch trotz dieser Einschränkung durchs Baurecht sei es gelungen, das Grundstück viel weniger zu versiegeln als zuvor, einzig ein schmaler gepflasterter Weg führe zum und um das Haus herum, wo Blumen, Stauden, Sträucher blühen und Kletterpflanzen ranken sollen.Martin Enderle vom Verein Pro Grün bewertet den Bau als ein gelungenes Beispiel für die Idee innerstädtischer Nachverdichtung: &bdquo;Es ist sehr erfreulich, dass sich immer mehr Bauprojekte finden, wo man mit wenig Fläche auskommt. Pro Grün tritt seit vielen Jahren dafür ein, die weitere Zersiedlung unserer Landschaft durch immer mehr Baugebiete deutlich zu reduzieren.“Dieses Beispiel zeige, wie das sogar im Randbereich der Bielefelder Innenstadt möglich sei. Und die Vorteile lägen auf der Hand: vorhandene Infrastruktur, kurze Wege, bester ÖPNV-Anschluss, gewachsene Nachbarschaft, Grün und Parks. &bdquo;Wir freuen uns, wenn das Beispiel viele Nachahmer findet. Deshalb planen wir noch in der ersten Jahreshälfte eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zu diesem Thema mit Praxisbeispielen.“

Mehr zum Thema