Museumshof Senne: Hier gibt's Bielefelder Heckrind aus dem Glas

Bielefeld. Mit diesem Brot könnte man glatt einen umhauen – spaßeshalber gesagt. Jede Buschkamp-Kruste wiegt 4,5 Kilogramm. &bdquo;Das ist sicher das größte und schwerste Brot der Stadt“, sagt Silvio Eberlein und lacht. Er muss schon balancieren, um es auf dem Holzschieber aus dem alten Steinofen zu holen. Neben den Laibern mit dem eingeritzten &bdquo;B“ gibt es bis zu 20 verschiedene und vor allem auch außergewöhnliche Brotsorten im Historischen Backspeicher auf dem Museumshof Senne – die alle auf traditionelle Handwerksart gebacken werden. &bdquo;Das ist unser Alleinstellungsmerkmal“, sagt der 49-Jährige selbstbewusst. Eigentlich ist Silvio Eberlein von Hause aus Küchenchef – im Historischen Gasthaus Buschkamp und der Auberge le Concarneau, aber im Laufe der Zeit auch ein echter Brot-Spezialist geworden. Schon Koch Ernst-Heiner Hüser, von dem der einst Angestellte vor sieben Jahren den Museumshof gepachtet hat, habe mit dem Brotbacken begonnen. Seit 1989 ist der einst nach Senne translozierte Backspeicher, dessen Ursprung im Jahr 1663 liegt, wieder in Betrieb. Anfangs habe eine Biobäckerei den Teig geliefert, später habe Hüser entschieden, selbst Teig zu machen, erzählt Eberlein. &bdquo;Und ich habe das in den Jahren extrem ausgebaut.“ Mehr-Korn-Flockenbrot, Delikatessbrot mit Käse, Roggen-Dinkel-Vollkorn, Gewürzbrot (mit Kümmel, Fenchel und Anis), Buttermilchtoast, Bratkartoffelbrot, Brennessel-Bärlauch, Apfel-Walnuss, Pfifferlingbrot, Quark-Cranberry-Brot . . . Nicht alles kann hier aufgezählt werden. &bdquo;Wir machen immer wieder neue Sorten“, betont der Koch, die Sonderbrote gibt es nur dann, wenn auch die Zutaten Saison haben. Und: Alle Natursauerteigbrote sind statt mit Hefe mit natürlichem Backferment nach dem Honig-Salz-Prinzip gebacken, das sogar schon die alten Perser gekannt haben sollen. Dafür braucht es vor allem eines: Geduld. Brotgeheimnis steckt in der Zeit und im schnittfesten Wasser Im ersten Schritt, erklärt Eberlein, habe der Teig 16 Stunden Zeit vorzugären, Kohlendioxid einzulagern. Im Brot ist dieses Gas für den lockeren Teig und die Poren verantwortlich. Damit das Brot frisch bleibt, braucht es Wasser (oder Buttermilch), soll aber gleichzeitig nicht matschig werden. Darum machen sie auf dem Museumshof das Wasser schnittfest – durch ein Kochstück. Eberlein erklärt: Mehl und Wasser werden gemischt, die Pampe köchelt, bis die Mehlstärke verkleistert und das Wasser bindet. Dieses Kochstück wird dann gekühlt und später mit dem Teig vermischt. &bdquo;Unser Mehr-Korn-Flockenbrot hält so eine Woche“, erklärt der 49-Jährige. &bdquo;Das ist das, was viele Bäcker heute in der Regel nicht mehr tun“, sagt der Koch. Dieser Weg sorge aber dafür, dass Enzyme ordentlich aufgespalten und das Brot besonders bekömmlich werde. Er habe Kunden mit Glutenunverträglichkeit, die seine reinen Roggen- oder Dinkelbrote trotzdem essen könnten. &bdquo;Weizen ist nicht per se doof, die Frage ist, wie der Weizen verarbeitet wird.“ Statt eines Kochstückes geht übrigens auch klein gemahlenes Restbrot, das mit Wasser vermengt wird. Dessen dunkle Krume bringe zusätzlich Geschmack. So auch beim freigeschobenen Krustenbrot aus dem Historischen Backspeicher, das nach Eberleins Worten wegen der besonderen Krume und Kruste immer als erstes ausverkauft sei. Viele Bielefelder haben beim ihm ein &bdquo;Brot-Abo“, um nicht leer auszugehen oder bestellen vor. Gebacken wird fürs Restaurant und von Freitag bis Sonntag. Was weg ist, ist weg. Zu den weiteren Spezialitäten des Museumshofes gehören die Blechkuchen mit verschiedensten Früchten und Streuseln oben auf (ebenfalls mit Biogetreide gebacken) und ausgefallene Torten, wie Ziegen-Quark-Torte mit Heidelbeeren und Rosmarin-Kornkraut oder Käse-Mohn-Kuchen mit Brombeeren gefüllt. Es gibt selbstgemachte Éclairs und Pralinen, Schokokuchenbrownies mit aufgeschäumter weißer Vanille-Garnache und glasierten Erdbeeren oder, ganz neu, den Senner Zipfel. Ein kleiner Biskuit-Berg, innen mit flüssiger Schokolade und gemahlenen Rosenblüten. Wobei es bei der Schokolade nur die von Valhorna sein darf, die wertigste Kouvertüre, die es nach Eberleins Worten gibt. &bdquo;Seelenfutter“ nennt er all dies. Wem da nicht das Wasser im Mund zusammenläuft. Heckrinder landen in der Buschkamp-Küche Aus der Küche kommen die anderen Spezialitäten, die es im Historischen Backspeicher gibt: das Restaurant to go – im Glas. Das reicht von Kartoffelsuppe mit Speckstippe, über Steckrüben-Maronen-Sellerie-Suppe, Fisch- und Gänsesuppe mit Zimt hin zu rote Linsen mit Chorizo, Ente à lorange, ganze Schwarzfederküken mit Zitronengras oder Pfefferpotthast vom Bielefelder Heckrind. Spitzenkoch Eberlein gehört zu den wenigen Bielefelder Gastronomen, die Zugriff auf die in der Johannisbachaue weidenden Heckrinder haben, so denn eines aus der Herde muss. &bdquo;Westfälisch leicht angeräuchert schmeckt deren Fleisch wie das vom Hirsch.“ Die passenden Kräuter kommen aus dem Garten des Museumshofes. Alles, wie gesagt, im Weckglas mit Museumshof-Logo und im Pfandsystem im Sinne der Nachhaltigkeit. Dies gebe es schon seit 20 Jahren, &bdquo;aber die Corona-Zeit hat das noch mal befeuert“, erzählt Silvio Eberlein. In dieser Zeit sei er mit seinem Team richtig kreativ geworden. Während andere Personal abgebaut haben, hat der 49-Jährige sieben Leute eingestellt. Von seinen 18 Angestellten sind neun Auszubildende, drei im Service und sechs in der Küche. Den angehenden Chefkochs mache vor allem die Patisserie besonderen Spaß, hat Eberlein erlebt. Der Sohn hat auch Lust aufs Geschäft Und er freut sich darüber, dass sein Sohn Jan Patrick jetzt mit im Boot ist. Der 22-Jährige macht eine Ausbildung zum Restaurant-Fachmann. Tochter Guila (19) studiert hingegen Veranstaltungsmanagement. Die Familie, zu der auch Mutter Michaela gehört, wohnt auf dem Museumshof, über der Auberge le Concarneau. Direkt daneben liegt der Backspeicher. Dort gibt es auch verschiedenste Salate, Schnitzel und Wildfrikadellen, kleine Gerichte, wie gefüllte Paprika-Piccata oder Piccata alla milanese mit Huhn. Im Obergeschoss findet sich eine Vinothek mit edlen Tropfen und Gin. &bdquo;Für einen kleinen Hofladen, der nur drei Tage in der Woche auf hat, ist das schon nicht schlecht“, sagt Silvio Eberlein mit strahlendem Lächeln.

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