Bethel positioniert sich besonders zur Corona-Impfung in Bielefeld

Bielefeld. Den vielleicht bekanntesten Impf-Befürworter in der Geschichte Bielefelds hat jetzt Bärbel Bitter vorgestellt. In einem Artikel in Bethels "Der Ring" arbeitet die Leiterin der Historischen Sammlung Bethel Friedrich von Bodelschwinghs besonderes Verhältnis zum Thema Impfen heraus. Eines, das mit einem Drama begann. Bodelschwingh hatte kurz bevor er die Leitung Bethels übernahm alle seine vier Kinder verloren - weil es damals noch keinen Impfstoff gegen Diphterie gab. Seine vier Kinder - Friedrich, Elisabeth, Karl und Ernst - starben im Januar 1869 binnen zwei Wochen. Bodelschwingh litt, er beschrieb Szenen vom gemeinsamen Beten: "Es war wehmütig mit anzuhören ... wie ein Stimmchen nach dem anderen in der wachsenden Atemnot verstummte." Vermutlich, so Bitter, hatten die beiden ältesten Kinder die Krankheit in die Familie getragen, nachdem sie zwei Tage vor Weihnachten in der Nachbarschaft ein todkrankes Kind besucht hatten. "Verlor ihren Schrecken" 25 Jahre später wurde ein Serum entwickelt, das den Verlauf der Krankheit abmilderte und die Sterblichkeit bei Kindern halbierte. 1923 dann wurde der Impfstoff entwickelt - zur Vorbeugung. Bitter: "Die Diphterie verlor ihren Schrecken." Eine andere Parallele zu heutigen Impfdebatten und Diskussionen rund um Covid 19 zeichnet Bitter am Beispiel der Pest nach. Sie wütete im 14. Jahrhundert in Europa, forderte rund 25 Millionen Opfer. Ihr Erreger wurde 1894 gefunden, 1942 wurde ein erstes Antibiotikum entwickelt (Penicilin). Damals wurden Begriffe geprägt, die heute, in Corona-Pandemie-Zeiten, wieder jeder wie selbstverständlich nutzt. Bitter: "Bevor Schiffe aus Seuchengebieten in den Hafen des heutigen Dubrovnik einlaufen konnten, mussten sie 40 Tage auf einer nahen Felseninsel bleiben." Auf italienisch: "quarantina die giorni" für die 40 Tage und "isola" für Insel. Begriffe wie Quarantäne und Isolation "gehen auf diese Praxis zurück", so die Historikerin.Vacca, isola, quarantina Und noch einen Begriff arbeitet sie heraus. Das Vakzin, das viel diskutierte in diesen Monaten. Der Begriff stamme von der Kuh "vacca" (lateinisch). Und diese brachte einen Arzt auf die Spur der Impfung gegen Pocken, die ebenfalls Millionen Menschen sterben ließ. Der Arzt Eduard Jenner hatte herausgefunden, dass Menschen, die sich erst mit den harmlosen Kuhpocken infiziert hatten, später keine echten Pocken bekam. 1796 testete er das an einem Jungen - erfolgreich. Vaccine nannte er den Impfstoff. Hier schlägt Bitter nun indirekt wieder den Bogen ins Heute. Sie beschreibt, dass es trotz Tausender geretteter Leben plötzlich "Vorbehalte gab". Bitter: "Manche Menschen glaubten, ihnen würden nach der Impfung Kuhhörner wachsen, in Deutschland fürchteten einige die Verwandlung in Kühe." Auf diesem Nährboden seien 1896 erste Organisationen von Impfgegnern entstanden, "die die Vorbehalte gegen die Impfung weiter schürten". Bereits 1874 war im Deutschen Reich die Impfpflicht eingeführt worden, es drohten Geldstrafen, Haft "oder auch eine Zwangsimpfung", so Bitter. Sie stellt klar: "Trotz der Erfolge der Pockenimpfung zogen Impfgegner weiter gegen sie ins Feld - mit dem Ergebnis, dass sich immer wieder Menschen der Impfung entzogen und so auch noch im 20. Jahrhundert an die 500.000 Menschen an Pocken starben." Erst 1979 wurden die Pocken als ausgerottet erklärt. "Es war keine Frage" Friedrich von Bodelschwingh war laut Bitter ein Befürworter der Pockenimpfung. Für ihn, mit seiner Vorgeschichte, so Bitter, "war es keine Frage, Kinder impfen zu lassen". Nachdem er vier Kinder binnen zwei Wochen verloren hatte, bekamen er und sein Frau Ida in Bethel ab 1872 weitere vier Kinder - Wilhelm, Fritz, Frieda und Gustav. Alle wurden geimpft. Bitter: "Die Möglichkeiten der Medizin zu nutzen war für ihn immer selbstverständlich." "Vernünftiger verachtet sie nicht" Das habe er an vielen Stellen sehr deutlich gemacht. So zitierte er im "Christlichen Ratgeber für Epileptische" aus dem Buch Sirach: "Gott lässt die Arznei aus der Erde wachsen, und ein Vernünftiger verachtet sie nicht." Dass Bitters Artikel in Bethels Haus-Zeitschrift "Der Ring" steht und optisch auch die Titelseite ziert, ist zweifelsfrei kein Zufall, auch wenn die Autorin nur ein einziges Mal im Text den Fokus direkt auf die heutigen Covid-19-Impfdebatten richtet. Da kommentiert Bärbel Bitter das Bibelzitat zur Arznei so: "Ein Satz, den Bodelschwingh heute sicher auch vielen Gegnern der Impfung gegen das Corona-Virus entgegengehalten hätte."

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