Bielefeld Frust und Ratlosigkeit nach Stopp des Altstadt-Tests

Bielefeld. Der kurzfristige Rückzieher der Stadt beim Altstadt-Verkehrsversuch sorgt für Wirbel, Kritik und Frust. Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) hält es rechtlich für unausweichlich, die Straßensperrungen nach Ablauf des Tests am 1. März wieder freizugeben. SPD, Grüne und Linke, die das Konzept vorantreiben wollen, suchen verzweifelt nach einem Ausweg. Die Opposition bemängelt politische Fehler und fordert Konsens. Und die Wirtschaft warnt vor einer Verschärfung der Verkehrswende. Denn Dienstag stehen dazu einschneidende Beschlüsse an. Die Ratsmehrheit steht unter Druck. Die Klage von Anliegern der Klasingstraße gegen die Sperrung brachte den Altstadt-Test ins Wanken und letztlich zu Fall. Die von Rot-Grün-Rot erhoffte Übergangslösung birgt aus Sicht von Clausen zu hohe juristische Risiken, als dass der Test über die beschlossene Frist hinaus weiterlaufen kann. Das Verwaltungsgericht Minden wirft der Stadt das Fehlen von Konzept, Analyse und Zielsetzung vor. Das kann die Stadt in Kürze nicht liefern. Der Verkehrsversuch war stets umstritten. Jetzt trifft die Stadt Unmut und Häme. Leser schreiben von dilettantischer Vorbereitung, ignorierter Bürgerbeteiligung und schlampiger Umsetzung. Die FDP kritisierte in einem kurzfristig angesetzten Pressegespräch nicht nur handwerkliche und politische Fehler, sondern auch einen großen Imageschaden für Bielefeld, der vermeidbar gewesen wäre. Der Vorsitzende Jan Maik Schlifter: &bdquo;Das war schlecht gemacht.“"Sehr, sehr ärgerlich"Umso ärgerlicher sei das, weil es für die Erweiterung der Fußgängerzonen &bdquo;gute Ideen“ gebe: &bdquo;Doch die können nur im Konsens im Rat, mit Anliegern, Kaufleuten und Gastronomen umgesetzt werden.“ Mit einem Fragenkatalog fordert die FDP im Stadtentwicklungsausschuss am Dienstag Aufklärung, wie es zu dem Misserfolg kam und welche Kosten das zur Folge hat. SPD und Grüne zeigten sich überrascht über die plötzliche Kehrtwende des ihnen politisch nahestehenden Oberbürgermeisters. &bdquo;Das ist sehr, sehr ärgerlich“, sagt Sven Frischemeier (SPD): &bdquo;Das Hin und Her stößt die Bürger vor den Kopf.“ Dabei beinhalte der Test &bdquo;viele gute Teile“. Es wäre schade, das alles rückgängig zu machen.Eine erste Koalitionsrunde am Freitag suchte deshalb nach Auswegen, wie jetzt handwerklich und rechtlich sauber die Aufwertung der Altstadt doch noch gelingen kann. Montag beraten die Fraktionen, wie sie sich im Ausschuss verhalten. Der OB erwartet, dass der Rat am 10. Februar das Test-Ende zum 28. Februar beschließt."Schnellschüsse vermeiden" Die Mehrheit der Bezirksvertretung Mitte hofft immer noch, dass die &bdquo;bewährten“ Regelungen in der Altstadt im Sommer gelten können. &bdquo;Die rechtlichen Probleme müssen schnellstens gelöst werden“, schreibt die BZV-Fraktion der Grünen in einer Erklärung. Ob das klappt, ist zweifelhaft. Grünen-Ratsfraktionschef Jens Julkowski-Keppler bekräftigt das Ziel der beruhigten Altstadt mit mehr Aufenthaltsqualität: &bdquo;Doch wir müssen das rechtlich absichern und Schnellschüsse vermeiden.“ Vor denen warnt auch die Industrie- und Handelskammer (IHK). Denn nicht nur für die Altstadt drängen Entscheidungen. Der Stadtentwicklungsausschuss soll am Dienstag wichtige Konzepte für den Autoverkehr, das Parken und die Fußgänger auf den Weg bringen – die in Richtung der Mobilitätsstrategie gehen mit dem Ziel, den Autoverkehr zu halbieren und andere Verkehrsarten zu stärken.Appell für Kompromisse Einen Appell für &bdquo;ein kompromissfähiges Gesamtverkehrskonzept“ richtet die IHK an den Rat. Denn sie befürchtet, dass der Wirtschaftsverkehr ausgebremst werde, so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Harald Grefe. Der Wirtschaftsstandort hänge nicht nur von Lkw, sondern auch Liefer-, Kunden- und Pendlerverkehr ab: &bdquo;Es fehlen funktionierende Alternativen.“Grefe befürchtet durch Rückbauten von Herforder, Artur-Ladebeck-, Eckendorfer und Detmolder Straße &bdquo;großen wirtschaftlichen Schaden für die Stadt“. Für ein &bdquo;moderates“ Konzept solle der Lenkungskreis Innenstadtmobilität stärker zu Rate gezogen werden, so Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke: &bdquo;Mit guten Kompromissen und alltagstauglichen Lösungen bringen wir gemeinsam die Verkehrswende Stück für Stück voran.“ Wie der Stadtentwicklungsausschuss reagiert, ist derzeit offen. Die Koalition berät noch, ob sie die Konzepte mit den geplanten Einschnitten ins Straßen- und Parkplatznetz so verabschiedet.

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