Bielefelder Politiker appellieren an Demonstranten: "Geht nicht spazieren"

Bielefeld. Am Freitagabend werden in Bielefeld wieder drei große Lichterspaziergänge in der Innenstadt erwartet. Die Gruppe &bdquo;Bielefeld steht auf" wird dabei flankiert von &bdquo;Herford steht auf" und &bdquo;Gütersloh steht auf". Diese wollen gegen 18 Uhr von drei verschiedenen Stellen aus losmarschieren und ihren Protest gegen die Corona- und Impfpolitik deutlich machen. Die Polizei wird wieder mit einem Großaufgebot in der Stadt im Einsatz sein, um Protest und Gegenprotest zu trennen. Es wird - wie vor zwei Wochen - zu spürbaren Verkehrsbehinderungen kommen. Gleichzeitig gingen alle Bielefelder Ratsfraktionen (außer die AfD) mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit, um einen Appell an die "Lichterspaziergänger" zu richten: "Wir stehen voll hinter der Meinungsfreiheit und wir stehen voll hinter dem Versammlungsrecht, aber wir sind auch der Auffassung, dass man sich dabei an Regeln halten sollte", sagt Ralf Nettelstroth (CDU) im Namen aller Fraktionen. Mit Sorge hätten die Ratsmitglieder die zunehmende Zahl an Versammlungen beobachtet – dicht gedrängt und ohne Maske –, "die als Spaziergänge deklariert werden, um versammlungsrechtliche Auflagen zu umgehen", heißt es in der Erklärung. "Großer Teil der Teilnehmer ist nicht rechtsextrem" "Dem Bielefelder Rat ist bewusst, dass der große Teil der Teilnehmer sich nicht rechtsextremistischen Gruppierungen zurechnet. Mit diesem bleiben Politik und Verwaltung im Gespräch", heißt es weiter. Leider mischten sich auch Rechtsextremisten unter die Spaziergänger, seien sogar teilweise Mitorganisatoren. "Sie verbreiten Hass und Hetze über soziale Medien und bedrohen unverhohlen demokratisch gewählte Amtsträgerinnen und Amtsträger." Deshalb bitten die Ratsfraktionen die unzufriedenen Bürger, die "Spaziergänge" nicht zu unterstützen. Die bisherige Distanzierung von Rechtsextremisten und deren undemokratischen Bestrebungen sei bisher nicht ausreichend. Zudem würden Versammlungsrecht und Coronaauflagen gezielt umgangen oder ignoriert. Christina Osei (Grüne) fordert auch eine Haltung von den Bürgern ein: "Guckt Euch die gut Leute an. Man marschiert nicht mit Nazis." Deutlich Kritik an der Darstellung des "Bündnis gegen Rechts" Dann gibt es noch eine klare Abgrenzung der Ratsmitglieder: Björn Klaus (SPD) und Jasmin Wahl-Schwentker (FDP) machten deutlich, dass sie sich in dieser Erklärung gezielt nicht der Argumentation des &bdquo;Bündnis gegen Rechts" angeschlossen haben. &bdquo;Wir lehnen Statements und Demos ab, die das Potenzial zur Spaltung haben. Das gilt auch für Demos, die alle anderen in eine rechtsextreme Ecke stellen", sagt Wahl-Schwentker. Klaus erklärt: &bdquo;Wir wollten die Polizei nicht pauschal für ihren deeskalierenden Einsatz kritisieren. Und wir wollten nicht alle Spaziergänger in eine Schublade werfen." Beides sei in den Erklärungen des &bdquo;Bündnis gegen Rechts" aber passiert. Die Ratsfraktionen, die die AfD bei der Erklärung gezielt nicht einbezogen hatten, formulieren in ihrem Statement – ganz im Gegenteil – einen großen Dank an die &bdquo;Polizisten und Ordnungskräfte der Stadt, die vor Ort Schmähungen, Beschimpfungen oder Tätlichkeiten durch Demonstranten ausgesetzt waren und sind". Und ein genauso großer Dank geht an die 283.000 Geimpften (Impfquote: 85 Prozent) und Geboosterten (64 Prozent) in Bielefeld. &bdquo;Es ist deutlich, wo die eindeutige Mehrheit in unserer Stadt steht." Ein angemeldeter Spaziergang und fünf Gegenproteste Wie die Polizei mitteilte, wurde bisher erst ein Lichterspaziergang am Kesselbrink als Demo angemeldet. Man erwarte aber auch noch &bdquo;zwei weitere Anzeigen, die mit Aufrufen über Telegram korrespondieren." Die Polizei geht von einer hohen Mobilisierung aus und "rechnet mit einer hohen Anzahl von regierungs- und coronakritischen Versammlungsteilnehmern in der Bielefelder Innenstadt". Unter dem Motto &bdquo;Bielefeld nimmt Platz" hat das &bdquo;Bündnis gegen Rechts" derweil für Freitag von 17.30 bis 21 Uhr gleich fünf stehende Kundgebungen am Kesselbrink, vorm Alten Rathaus, auf dem Siggi, an der Teutoburger Straße sowie vor dem Eingang in die Altstadt (Obernstraße Ecke Waldhof) angemeldet. Eine weitere Kundgebung hat "Die Partei" unter dem Motto "Mahnwache gegen Wahnmache" vor dem Alten Rathaus angemeldet.Update, Donnerstag, 20. Januar: Wie "die Partei" am Donnerstag mitteilte, wurde die Anmeldung für die Mahnwache inzwischen wieder zurückgezogen. Die Polizei betont, dass noch nicht angezeigte Demonstrationen diese Plätze deshalb nicht mehr nutzen dürfen. Sie müssen mit ihrer Route ausweichen. Laut eigener Ankündigung wollen die Spaziergänger die Innenstadt zwischen Kreuzstraße und Feilenstraße umrunden. Dabei dürfte ihnen nun der Weg vor das Rathaus verwehrt bleiben. Es gilt in jedem Fall Maskenpflicht, ab 750 Teilnehmern gilt 3G Nach den aktuellen Corona-Regeln gilt für alle Versammlungen – unabhängig von der Teilnehmerzahl – Maskenpflicht. Es sei denn, die Verantwortlichen können 3G unter den Teilnehmern sicherstellen. Dann könne die Maskenpflicht entfallen. Übersteigt die Zahl der Demo-Teilnehmer 750 Personen gilt nach Angaben der Polizei automatisch 3G-Pflicht. Hier lesen Sie die komplette Erklärung der Ratsfraktionen: Gemeinsame Erklärung zu den sog. &bdquo;Spaziergängen" Die Versammlungsfreiheit, das Demonstrationsrecht sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung sind grundgesetzlich verbriefte Rechte aller Bürgerinnen und Bürger, zu denen wir uneingeschränkt stehen. Sie schützen auch Meinungen und Äußerungen, die vom gesellschaftlichen Konsens abweichen und erlauben es allen Bürgerinnen und Bürgern, ihre Ängste, Sorgen und Haltungen auszudrücken. Mit Sorge beobachten wir jedoch die zunehmende Zahl an Versammlungen und &bdquo;Spaziergängen", die dicht gedrängt und ohne Masken seit einigen Wochen auch in Bielefeld abgehalten werden. Bei diesen handelt es sich um Demonstrationen, die als Spaziergänge deklariert werden, um versammlungsrechtliche Auflagen zu umgehen. Ein solches Verhalten ist nicht nur bewusst regelwidrig, sondern gerade in der derzeitigen pandemischen Lage unsolidarisch und unverantwortlich, weil es viele Mitglieder unserer Stadtgesellschaft, inklusive der Demonstrierenden selbst, gesundheitlich gefährdet. Leider mischen sich in Bielefeld Rechtsextremisten unter die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser &bdquo;Spaziergänge" und sind sogar teilweise deren Organisatorinnen oder Organisatoren. Sie verbreiten Hass und Hetze über soziale Medien, wie z. B. Telegram, und bedrohen dort unverhohlen demokratisch gewählte Amtsträgerinnen und Amtsträger. Dem Bielefelder Rat ist bewusst, dass der große Teil der sich versammelnden Menschen sich nicht rechtsextremistischen Gruppierungen zurechnet. Mit diesen bleiben Politik und Verwaltung vor Ort im Gespräch. Jedoch bitten wir alle Bürgerinnen und Bürger, diese &bdquo;Spaziergänge" nicht zu unterstützen, denn sie distanzieren sich nicht ausreichend von Rechtsextremisten und deren undemokratischen Bestrebungen. Außerdem werden versammlungsrechtliche Auflagen und Coronaschutzmaßnahmen gezielt umgangen bzw. ignoriert. Wir danken den Polizistinnen und Polizisten und Ordnungskräften der Stadt, die vor Ort Schmähungen, Beschimpfungen oder Tätlichkeiten durch Demonstrantinnen und Demonstranten ausgesetzt waren und sind. Wir danken insbesondere den mehr als 280.000 Geimpften in Bielefeld (Impfquote 85 Prozent). auch den etwa 60 Prozent, die bereits eine &bdquo;Booster-Impfung" erhalten haben und damit sich und andere schützen. Diese Zahlen nehmen weiter zu. Mehr als 100.000 Menschen lassen sich derzeitig pro Woche testen und stehen damit zu ihrer Verantwortung. Es ist deutlich, wo die eindeutige Mehrheit in unserer Stadt steht. Bleiben wir auch weiterhin in Bielefeld eine solidarische, weltoffene, demokratische und freiheitliche Stadt. Bielefeld, 18. Januar 2022 Ralf Nettelstroth (CDU), Riza Öztürk (SPD), Christina Osei (Grüne), Jasmin Wahl-Schwentker (FDP), Brigitte Stelze (Linke), Lena Oberbäumer (Die Partei), Gordana Rammert (Bürgernähe), Michael Gugat (LB), Dietmar Krämer (BfB)

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