Kirche in Flammen, Haus explodiert: Einschneidende Erlebnisse eines Feuerwehrmanns

Bielefeld. Der alteingesessene Senner Detlev Eikelmann ist 61 Jahre alt. 47 Jahre davon war er als Feuerwehrmann aktiv. Am 8. Januar wird der Brandoberinspektor nach elf Jahren als Gesamtsprecher der Freiwilligen Feuerwehr verabschiedet. Für die NW blickt er auf seine spektakulärsten Einsätze zurück. Der erste Großbrand: &bdquo;Harry Brot" Am 1. Januar 1975 tritt Detlev Eikelmann, mit knapp 15 Jahren in die Jugendfeuerwehr ein. Er ist Spross einer echten Feuerwehrfamilie. &bdquo;Damals durfte die Jugendfeuerwehr noch zu Einsätzen dazukommen", erinnert er sich. &bdquo;Aus heutiger Sicht ist das total wahnsinnig." So erlebte er als Jugendlicher ein besonders zerstörerisches Feuer hautnah mit. In Sennestadt brennen am 7. Februar 1976 die Firmen &bdquo;Gobiplast" und &bdquo;Harry Brot" an der Industriestraße. Die NW titelt damals: &bdquo;Drei Fabrikhallen ausgebrannt – bei 1.000 Grad Hitze schmolzen die Stahlträger wie Wachs an der Sonne". Eikelmann ist einer von 240 Einsatzkräften. Für den Jugendlichen war es einer der prägendsten Einsätze. Harry Brot kehrt nicht mehr an den Standort zurück. Lebensgefahr in der Waterbör Nach seiner Ernennung zum Feuerwehrmann Ende Januar 1979 dauert es nicht lange, bis Eikelmann auch an einer dramatischen Menschenrettung beteiligt ist. In der Nacht zum 12. Juli 1979 brennt das Waldrestaurant Waterbör in Senne vollständig nieder. Im Gebäude schläft damals ein 15-jähriger Kochlehrling, der lebensgefährliche Verletzungen erleidet. Die Retter holen ihn aus dem Haus, er wird in eine Spezialklinik verlegt, wo die Ärzte sein Leben retten. Eisregen lässt Bäume wie Streichhölzer knicken Am Rosenmontag, 2. März 1987, geht über Ostwestfalen ein Eisregen nieder, der Bielefeld völlig lahmlegt. &bdquo;Morgens hatte ein Nieselregen eingesetzt", so Eikelmann. &bdquo;Doch plötzlich wurde alles zu Eis. Ab 10 Uhr fielen Hunderte Bäume der Reihe nach um." Die Bäume sind in einen zentimeterdicken Eismantel gehüllt. Vor allem die weichen Birken und Kiefern knicken unter dem Gewicht des Eises wie Streichhölzer um. Die Behörden sperren die Wälder. Die Feuerwehr muss helfen. Die NW berichtete damals von einem &bdquo;Großeinsatz nach den schwersten Winterschäden seit 20 Jahren". Eine solche Zerstörung im Wald erlebt Detlev Eikelmann erst 20 Jahre später wieder, als Orkantief Kyrill über den Teutoburger Wald hinwegfegt. Die brennende Kirche von Brackwede kippt In der Brandbekämpfung ist die Praxiserfahrung viel wert. Am 21. Februar 1990 geht die Brackweder Bartholomäuskirche bei Dacharbeiten in Flammen auf. &bdquo;Wir jungen Feuerwehrleute haben dort sehr viel über Hitzestrahlung gelernt", erinnert sich Eikelmann. &bdquo;Obwohl die Kirche alleine steht, waren die Wände der umstehenden Gebäude gefährlich erhitzt." Um 12.37 Uhr fällt dann sogar der 54 Meter hohe Turm lichterloh brennend in die Tiefe. Die 150 Brandbekämpfer sind zum Zusehen verdammt. Sie können nur die umstehenden Gebäude schützen. &bdquo;Zum Glück fiel der Turm in die richtige Richtung – genau zwischen die Gebäude – und nicht auf die Hauptstraße." Gesamtsprecher Genau am Tag des 150. Geburtstages der Freiwilligen Feuerwehr Bielefeld – am 9. Januar 2010 – wird Detlev Eikelmann - bis dahin Bezirkssprecher Süd - zu ihrem neuen Gesamtsprecher ernannt. Sein Vorgänger – Ulrich Rüter – hatte ihn schon Jahre vorher als Nachfolger aufgebaut. Als Feuerwehrchef Gerhard Wörmann fragt, sagt Eikelmann &bdquo;Ja". Ihn erwartete keine leichte Aufgabe: &bdquo;Der Sprecherrat und ich hatten enorme Herausforderungen zu schultern. Viele Gerätehäuser waren marode, einige Fahrzeuge waren 33 Jahre und sogar älter und selbst die Schutzausrüstung war nicht mehr auf dem neuesten Stand." Eikelmann habe seitdem so viele neue Gerätehäuser auf den Weg bringen können, wie keiner seiner Vorgänger. Auch die Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr sei unter den Amtsleitern Rainer Kleibrink und Hans-Dieter Mühlenweg besser geworden, sagt Eikelmann nicht ohne Stolz: &bdquo;In den 1980ern gab es noch große Vorbehalte. Heute wissen alle: Es geht nicht ohne die anderen." Während seiner Amtszeit schwankt die Zahl der aktiven Mitglieder nur geringfügig – zwischen 850 und 950. Das schwärzeste Kapitel Am 28. Mai 2012 endet eine lange Reihe von Brandstiftungen mit einem der umfangreichsten Großbrände der vergangenen Jahrzehnte. Brandstifter setzen das Recycling-Unternehmen Kriehme Am Strebkamp in Brand. Rund 600 Brandbekämpfer sind über mehrere Tage hinweg damit beschäftigt, den Flammen Herr zu werden. Vier von ihnen werden verletzt. Es entsteht Millionenschaden. Im August wird klar: Zwei der drei Brandstifter sind freiwillige Feuerwehrleute. &bdquo;Das ist das schwärzeste Kapitel meiner Amtszeit", sagt Eikelmann, der dem gesamten Prozess als Zuschauer beigewohnt hat. Anfang 2013 werden sie schuldig gesprochen. Streit in Dornberg Aber auch die Auflösung der Löschabteilung Kirchdornberg im Frühjahr 2014 blieb Eikelmann in negativer Erinnerung: &bdquo;Wir mussten die Löschabteilung mit der von Großdornberg fusionieren. Dafür tritt man nicht als Gesamtsprecher an, aber es war notwendig", sagt der 61-Jährige auch heute noch. Die Zahl der aktiven Mitglieder hatte nicht mehr die erforderliche Größe. Viele Kirchdornberger kehrten der Feuerwehr damals im Groll den Rücken. Im Frühjahr des Jahres 2022 steht wieder eine Fusion an. Eikelmann hat auch diese Veränderung bei der Freiwilligen Feuerwehr begleitet: Doch diesmal geschieht es einvernehmlich. Aus den Löschabteilungen Mitte und Ost wird schon bald die &bdquo;Löschabteilung Innenstadt". Explosionen wie im Krieg 2012 ist das Jahr der besonderen Großeinsätze. Nach dem Kriehme-Brand im Mai, explodiert am Sonntag, 3. Juni 2012, plötzlich der Anbau eines Zweifamilienhauses an der Engerschen Straße. Die Wände werden regelrecht weggesprengt, Menschen springen aus den Fenstern, fußballgroße Gesteinsbrocken fliegen auf die Straße, zehn Menschen werden durch Trümmer getroffen und verletzt. Im Untergeschoss des Anbaus hatte ein Hobby-Pyrotechniker kiloweise Feuerwerk gelagert, das an jenem Nachmittag bei einer Fehlzündung in die Luft fliegt. Der 42-Jährige wird schwerstverletzt: &bdquo;Es war enorm beeindruckend", sagt Eikelmann. &bdquo;Als wir eintrafen, explodierten noch über lange Zeit weitere Feuerwerkskörper." Der Gesamtsprecher stellt sich bei solchen Einsätzen als Unterstützer der Einsatzleitung zur Verfügung. &bdquo;Da gibt es genug zu tun. Ich gebe Ratschläge und vermittele passende Ansprechpartner." Das Unglaubliche: &bdquo;Wir dachten damals wirklich, Zeugen eines Jahrhundertereignisses gewesen zu sein. Aber keine zwei Wochen später passierte das auch in Holtkamp." Tatsächlich fliegt am 12. Juni 2012 auch das Materiallager eines Profi-Sprengmeisters in die Luft. Verletzt wird hier zum Glück niemand. Als die Wohnmobile brannten Detlev Eikelmann eilt auch aus dem Bielefelder Süden an den Ostring, als am 8. Mai 2015 ein technischer Defekt an einer Gas-Heizungsanlage eines gebrauchten Wohnmobils ein Feuer auslöst. In Sekundenschnelle breiten sich die Flammen auf dem Gelände des Wohnmobil-Herstellers Palmowski aus, weil kurz darauf Gasflaschen explodieren und damit mehrere der geparkten Wohnmobile in Brand setzen. "Wir hatten dort eine enorme Brandausbreitungsgeschwindigkeit", erinnert sich Eikelmann. Längst schlagen Flammen auch aus der Werkzeughalle, die nicht mehr zu retten ist. 164 Feuerwehrleute sind im Einsatz. Am Abend geht die Feuerwehr von einem Brandschaden in Höhe von 4 bis 5 Millionen Euro aus. Lebensrettung im Hotel Einen seiner letzten dramatischen Einsätze als Gesamtsprecher erlebt Detlev Eikelmann am 17. April 2021. Am frühen Morgen brennt es plötzlich in einem ehemaligen Hotel an der Schildescher Straße. Die Bewohner sind Wohnungslose, die über den Winter im &bdquo;Hotel Kaiser" untergebracht sind. Ihr Weg ins Freie ist durch den beißenden Qualm im Treppenhaus abgeschnitten. Sie müssen sich auf ein Vordach retten. Ein Ersthelfer und die Feuerwehr kommen gerade rechtzeitig, um die fünf Personen zu retten. Die Zukunft Der scheidende Gesamtsprecher hängt seinen Feuerwehrhelm nicht an den Nagel: &bdquo;Ich bleibe in Senne Feuerwehrmann. Aber nach 47 Jahren trete ich kürzer." Der Gesamtsprecher hat neben den Einsätzen sehr viele Termine zu absolvieren. Seine Frau Anke habe immer Verständnis gezeigt. &bdquo;Dafür danke ich ihr sehr. Die Feuerwehr in Bielefeld ist sehr gut aufgestellt. Es ist der richtige Zeitpunkt zu gehen." Für Eikelmanns Nachfolger Jens Husemann, der am 8. Januar das Zepter übernimmt, bleibt dennoch viel zu tun. Die Löschabteilung Innenstadt wird geboren. Für die Mitglieder in Theesen in ein neues Gerätehaus geplant, für Schildesche sei man auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück und die tagsüber schwächere Verfügbarkeit von Feuerwehrleuten ist ein schwer zu lösendes Problem. Zum Thema: Schwindelerregender Blick auf die Bielefelder Feuerwehr

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