Repräsentative NW-Umfrage: Mehrheit für stärkeren Auto-Verzicht

Bielefeld. Staus, rote Ampeln, dicke Luft: Verkehrsprobleme sehen die Bielefelder viele. Zu ihrer Lösung fordern immer mehr Menschen die Neuverteilung des Straßenraums: Statt breite und mehrspurige Straßen für Autos, mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger. So sorgt die Verkehrspolitik seit Monaten für Zündstoff in der Stadt. Welche Haltung haben die Bielefelder zur Verkehrswende? Die NW wollte es genauer wissen und hat eine repräsentative Umfrage zum Thema in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Mentefaktum umgesetzt hat, zeigen einen breiten Rückhalt für die Ziele der Verkehrswende. Sie machen aber auch deutlich, das es bis dahin noch ein langer Weg ist. Denn aktuell ist für die Bielefelder immer noch das Auto das wichtigste Verkehrsmittel. 76 Prozent der Bielefelder nutzen es im Winter. Im Sommer sind es 61 Prozent. Trotz des besseren Wetters entscheiden sich deutlich weniger Menschen (41 Prozent) fürs Fahrrad oder Bus und Bahn (40 Prozent). Grundsätzlich erkennen die Bielefelder die Notwendigkeit der Energiewende an und sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, um Klimaziele zu erreichen – dies zeigt die repräsentative Befragung von 500 Bielefeldern über 16 Jahren. Fast jeder Befragte fordert günstigere Preise für den ÖPNV So wären 74 Prozent der Bielefelder grundsätzlich bereit, ihr Auto weniger zu nutzen. Eine breite Mehrheit findet die Klimaziele des Bielefelder Rates für richtig oder fordert sogar eine weitere Verschärfung. Nur jeder Fünfte hält sie für zu ambitioniert. Das Paradoxe ist, dass der faktische Wille offenbar geringer ist. Zwar sprechen sich die Bielefelder im Grunde für die Wende auf der Straße aus, doch fordern 75 Prozent in allen Altersgruppen, dass zuerst einmal die Voraussetzungen für einen besseren ÖPNV beziehungsweise Fahrradverkehr geschaffen werden müssten. Nur 24 Prozent der Bielefelder sind der Meinung, dass die Verkehrsbedingungen sofort verändert werden müssen und dass die Verkehrsteilnehmer sich anzupassen haben. Die Ergebnisse über die Bereitschaft der Bielefelder, ihr Mobilitätsverhalten den geänderten Anforderungen der Klimakrise anzupassen, zeichnen ein klares Bild: Klimaschutz ist wichtig, aber sobald es an den eigenen Geldbeutel oder der Praktikabilität geht, stoppt der Enthusiasmus. Die Bielefelder haben konkrete Vorstellungen, wie die Klimaziele in der Stadt erreicht werden können. Es sind Ideen, die viel Geld kosten. Fast jeder Befragte (97 Prozent) fordert günstigere Ticketpreise für den ÖPNV. 84 Prozent wünschen sich einen Ausbau von Bus- und Bahnnetzen und 78 Prozent fordern deutliche Verbesserungen für den Fahrradverkehr. Zwangsmaßnahmen wie Fahrverbote, Rückbau von Autospuren, Sperrungen oder Parkplatzreduzierungen werden als weniger sinnvoll betrachtet. Nur 18 Prozent sprechen sich für eine deutliche Verteuerung des PkW-Verkehrs aus. Das sehen die jüngeren Befragten genauso wie die Über-60-Jährigen. Tempo 30 in der City fänden die meisten gut Mit Blick auf die konkreten Maßnahmen in Bielefeld zeigt sich ein differenziertes Bild. Eine breite Mehrheit (rund 70 Prozent) der Befragten spricht sich für ein Tempolimit in der Innenstadt aus. Deutlich mehr Angebote für E-Scooter, Leihräder und Car-Sharing fordern vor allem die Jüngeren. Sie fordern auch mehrheitlich den Rückbau der Arthur-Ladebeck-Straße. Unentschlossen sind die Bielefelder beim Ausbau der Fahrradwege zu Lasten des PkW-Verkehrs. Je nach Alter sind etwas mehr oder weniger als Hälfte der 500 Befragten dafür. Deutlicher wird die Meinung bei der Sperrung des Waldhofes. Die Umfrage hat ergeben, dass eine breite Mehrheit altersunabhängig gegen diese Maßnahme ist. Wichtig ist den Bürgerinnen und Bürgern auch, die gesellschaftlichen Auswirkungen im Blick zu behalten, damit vor allem Ältere oder Handwerker und Auslieferer geschützt werden. So finden die Bielefelder, dass nur vier Prozent der Älteren von der Verkehrswende profitieren und sogar nur zwei Prozent der Handwerker. Beide Gruppen sind laut Umfrage die großen Verlierer der veränderten Verkehrspolitik. Für sie habe sich die Situation massiv verschlechtert.

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