Intensivstationen: Lage in Bielefeld entspannt - warum die Kliniken dennoch Sorgen haben

Bielefeld. Die Ansteckungsraten, sogenannte Inzidenzzahlen, in der noch andauernden Corona-Pandemie steigen wieder – erwartungsgemäß zur kalten Jahreszeit. Geradezu ritualisiert befürchten nun Politiker und manche Intensivmediziner wieder eine Überlastung des Gesundheitssystems, besonders der Intensivstationen (ITS). Ist die Sorge berechtigt? Wie sieht es diesbezüglich in Bielefeld aus? Wir haben in den Bielefelder Krankenhäusern nachgefragt und festgestellt: Im Oberzentrum ist die Lage vergleichsweise entspannt. Zwar steigen auch hier die Inzidenzen, dennoch sind die Belegungszahlen der Kliniken überschaubar. Fachleute vermuten, dass dies mit der relativ hohen Impfrate in der Stadt zu tun hat: Mit Stichtag 31. Oktober hatten 262.782 Menschen in Bielefeld einen vollständigen Impfschutz. Das entspricht einer Quote von mehr als 88 Prozent unter den Impfberechtigten über 12 Jahren. "Im Corona-Klinikalltag sind wir jetzt erheblich routinierter" Die Bielefelder Kliniken plagen allerdings andere Sorgen: Die Kapazitäten auf ihren ITS sind – wie überall sonst im Land – deutlich geringer als noch vor einem halben, erst recht vor einem Jahr. Während im Januar 2021 bundesweit noch 26.475 betreibbare Intensivbetten gemeldet wurden, waren es zum Stichtag 20. Oktober 2021 nur noch 22.207, also 4.268 Betten weniger. Laut DIVI-Intensivregister sind aktuell etwa 20 Prozent der High-Care-Betten, in denen Patienten invasiv beatmet werden können und sogar 35 Prozent der Low-Care-Betten auf deutschen Intensivstationen gesperrt. Dieser Trend zeigt sich auch in Bielefeld. Über 49 Intensivbetten verfügt das Klinikum Bielefeld an seinen drei Standorten, aktuell werden 16 Covid–Patienten behandelt, davon liegen sechs auf der ITS in Mitte, drei davon in Beatmung (Stand: 10.11.). Viele haben Vorerkrankungen, auch &bdquo;jüngere" Patienten unter 60, Ungeimpfte, aber auch Geimpfte. Im Vergleich zur Welle 2020/21 ist das eine gut zu bewältigende Anzahl", sagt Pflegedirektorin Christiane Höbig. "Wir behandeln alle gleich, ob geimpft oder ungeimpft" Augenfällig ist etwas anderes: Zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2021 mussten wegen Personalmangels rund 30 Prozent der Betten auf den ITS des Klinikums abgemeldet werden. Dass das Personal ausgesprochen stark belastet ist durch den hohen Pflegeaufwand bei Covid-Patienten, bestätigt Kilian Heinze, Bereichsleiter Pflege der ITS, Klinikum Bielefeld. Auch hier habe es Abgänge beim Personal gegeben. Das habe auch mit Frustration zu tun: &bdquo;Wir behandeln alle gleich, ob geimpft oder ungeimpft, so Heinze. Immerhin gebe es ja auch viele andere Erkrankungen, die sogar lebenstilabhängig entstünden. Dennoch: das Verständnis vieler Intensivpflegekräfte für Ungeimpfte sei &bdquo;eingeschränkt". &bdquo;Wir sind froh, dass unsere Stationen derzeit nicht so voll sind. Immerhin schlagen jetzt auch die Atemwegsinfekte wieder stärker zu, manchmal mit schweren Verläufen." Die Personalsituation sei ein Dilemma, so Heinze, zugleich sei man im Klinikalltag mit Corona inzwischen &bdquo;deutlich routinierter". Einige Fehler aus der ersten Welle, etwa eine zu frühe Beatmung, die oft weitere Komplikationen nach sich ziehe, seien abgestellt. Von der Politik teilweise im Stich gelassen Im Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) mit seinen Standorten befinden sich zurzeit 20 Patienten mit Covid 19, sechs auf der ITS, drei davon werden beatmet. Insgesamt gibt es zehn Intensivplätze (gegenüber noch 16 im Frühjahr), vier davon sind derzeit frei. &bdquo;Eigentlich sind diese vier Plätze nicht wirklich frei, denn wir haben andere schwere Erkrankungen, die intensivpflichtig sind", korrigiert Petra Krause, Pflegedirektorin am EvKB. Sie bestätigt, dass auch an ihrem Haus Bettenabbau stattgefunden habe. Frei gehaltene Betten würden ja seit einiger Zeit nicht mehr über den Corona-&bdquo;Rettungsschirm" des Bundes refinanziert. &bdquo;Die Häuser müssen jetzt sehen, wie sie ihre strukturellen und die Personalprobleme in den Griff bekommen", so Krause: &bdquo;Da fühlen wir uns von der Politik schon etwas im Stich gelassen." Die nun gültigen Pflegeuntergrenzen ließen wenig Spielräume beim Personaleinsatz. Viele Intensivpflegekräfte seien emotional erschöpft, manchmal helfe da nur die Abmeldung von Betten. Insgesamt aber, so auch Krause, verfüge man über eine viel höhere Kompetenz im Umgang mit Covid-Patienten: &bdquo;Der Ablauf ist nicht mehr neu, sondern zunehmend Routine." Weniger Patienten als noch vor zwei Jahren Georg Rüter, Geschäftsführer der Katholischen Hospitalvereinigung und des &bdquo;Klösterchens"meldet 14 Covid-Patienten in seinem Haus, einer liegt auf der ITS. Er bestätigt den Bettenabbau: &bdquo;2020 gab es die Sonderhilfe von pauschal 50.000 Euro pro Intensivbett, weil man Angst hatte, dass Betten fehlen könnten. Davon haben die Häuser regen Gebrauch gemacht". Später seien diese Betten wieder gestrichen worden. Im Franziskus Hospital habe es in den Corona-Wellen, auch vor dem Hochfahren der Impfkampagne, &bdquo;keine nennenswerten Engpässe" gegeben. Rüter meint, dass manche Krankenhäuser zu früh und zu oft &bdquo;die Kapitulation ausgerufen haben" und zu stark mit &bdquo;Überlastungs-Szenarien" operierten. Die übereilte Absage von Operationen in manchen Kliniken sei für ihn nicht nachvollziehbar. Natürlich seien dramatische Verläufe bis hin zum Covid-Tod auch für das Personal mit einer hohen psychischen Belastung verbunden, zeigt Rüter Verständnis. Andererseits habe es in deutschen Krankenhäusern insgesamt weniger Patienten gegeben als noch vor zwei Jahren.

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