Bielefelder Biologe: halbierter Fleischkonsum beendet weltweiten Hunger

Bielefeld. Klimakrise, Ernährungsdruck und Artensterben hängen miteinander zusammen. Das sagt Karl-Josef Dietz, Professor für Biologie an der Universität Bielefeld. Der Wissenschaftler plädiert deshalb dafür, die neuen, wissenschaftlichen Methoden bei Pflanzenzüchtungen zu nutzen - oder zumindest darüber zu diskutieren. Diese beruhen auf Erkenntnissen über die Wirkung von veränderten genetischen Strukturen. Gentechnik bei Lebensmitteln hat jedoch - zumindest in Deutschland - einen zweifelhaften Ruf. Für Dietz sind die Ängste nicht mehr begründet, stattdessen könnten sie zur Lösung der Probleme beitragen. Der Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale NRW teilt diese optimistische Einschätzung jedoch nicht. Stattdessen hat er andere Lösungsvorschläge. Biologe Dietz gehört zu den Wissenschaftlern, die Pflanzen zerlegen, um sie zu verstehen. Zugleich blickt er über den Tellerrand seiner Profession hinaus. Umweltverschmutzung, Klimawandel und Artensterben beschäftigen ihn, weil alles miteinander zusammenhänge. Ein Faktor der Probleme sei zudem die enorm gestiegene Zahl der Weltbevölkerung und der damit verbundene Ernährungsdruck. 13 Prozent der Erdoberfläche würde für die Landwirtschaft genutzt, Tendenz steigend. Das sei enorm viel. Mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche besteht aus Wasser, hinzu kommen große Flächen wie Hochgebirge oder Wüsten, die weder für die Landwirtschaft noch als Lebensraum für Menschen geeignet sind. "Ich warne vor Technikfeindlichkeit" Beim Klimaschutz müsse laut Dietz deswegen die Ernährungsfrage mitgedacht werden. Und der Druck, alle Menschen, auch in armen Teilen der Welt, zu ernähren, steige. "Wir haben auch dafür die Verantwortung", sagt Dietz. "Ich warne vor Technikfeindlichkeit, das können wir uns eigentlich nicht leisten." Und selbst wenn die Europäer oder Deutschen da nicht mitmachen würden, so wäre die Entwicklung dennoch nicht aufzuhalten. China und die USA forschten massiv in dieser Richtung. Technik heißt: neue Zuchtverfahren. Die beruhen auf genetischem Wissen. Laut Dietz ist die neue Art der Gentechnik "chirurgisch präzise" und nicht mehr so ungezielt wie einst. "Im Prinzip wurde durch Züchtungen immer selektiert und verändert", sagt er. So seien zum Beispiel Ur-Tomaten so klein, dass sie kaum relevant zur Ernährung hätten beitragen können; das schafften erst die so gezüchteten faustgroßen Fleischtomaten. Heute wäre es unter anderem möglich, Reis anzubauen, das kein giftiges Kadmium aufnimmt. Das diene der Gesundheit. "Diese Verfahren sollten in die Diskussion um den Kampf gegen den Klimawandel miteinbezogen werden", sagt Dietz. Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale bewertet diesen Punkt zurückhaltender. Von "trügerischen Hoffnungen" spricht er, wenn es um die Segnungen der Gentechnik bei der Lebensmittelproduktion geht. " Die Diskussion ist 20 bis 30 Jahre alt und die Versprechungen der so genannten grünen Gentechnik haben sich nicht bewahrheitet." Außerdem seien die Verbraucher nach wie vor sehr skeptisch. Gentechnisch veränderte Lebensmittel müssten als solche laut Europäischen Gerichtshof gekennzeichnet sein, ob sie dann gekauft werden würden, sei zweifelhaft. "Wir sollten Pflanzen statt Fleisch essen" Bei guter Aufklärung über die neue, präzise Gentechnik mit ihrer RNA- und Genom-Sequenzierung kann sich das Biologe Dietz aber vorstellen, dass die Skepsis abnimmt . Er fordert, den Blick zu weiten, weg von deutschen Befindlichkeiten hin zu den Bedürfnissen der ganzen Welt. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Es sei nun mal nicht möglich, alle landwirtschaftlichen Flächen auf biologische Erzeugung umzustellen. Dann würden die Erträge sinken, nötig gegen den Hunger der Welt seien jedoch Ertragssteigerungen. Das sei mit der neuen Zuchttechnik machbar. Dadurch ließe sich ein weiterer Flächenverbrauch für die Landwirtschaft - und damit auch Artensterben - verhindern. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Burdick hingegen hält ein anderes Konsumverhaltens sinnvoller. "Zwei Drittel der landwirtschaftlichen Fläche wird für die Ernährung von Tieren verwendet, die wir dann essen", sagt er. Bei einer Halbierung des Fleischkonsums könnte so viel pflanzliche Nahrung auf den landwirtschaftlichen Flächen angebaut werden, die die Ernährung der Weltbevölkerung sichert. "Wir sollten die Art, wie und was wir konsumieren, verändern." Sein Appell: Pflanzen statt Fleisch essen. Welcher Weg der Richtige ist, oder wie viele Wege es zum Ziel gibt, muss diskutiert werden. Wer mehr über die Argumentation von Biologe Dietz und andere Fragen zum "Überleben im Klimawandel" erfahren möchte, hat dazu die Möglichkeit am Samstag, 13. November, ab 10 Uhr. Dann ist der Biologen-Tag in Hörsaal 7 der Universität.

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