Streit eskaliert: Hebamme verlässt während der Geburt den Kreißsaal

Bielefeld. Katastrophal sei die Geburt ihres ersten Kindes vor einigen Wochen in einem Bielefelder Krankenhaus gewesen, berichtet Sina K. (Name von der Redaktion geändert). &bdquo;Im Kreißsaal gab es Streit und die Situation ist dann derart eskaliert, dass die diensthabende Hebamme gesagt hat, sie macht da nicht mehr mit und den Raum verlassen hat", sagt die junge Mutter. &bdquo;Wir waren dann allein mit dem Arzt." Und es ist einiges schiefgelaufen. Das sei ein traumatisches Erlebnis gewesen. Dauerhafter Stress statt entspannter Atmosphäre, davon berichtet Hebamme Tanja M. (Name von der Redaktion geändert), die seit 18 Jahren in einer Bielefelder Klinik arbeitet. Ob der neue Studiengang, der jetzt an der Fachhochschule Bielefeld gestartet ist, das ändern kann, bezweifelt sie. Reibereien und Konflikte sind vorprogrammiert Überforderung und Überarbeitung des Hebammenteams seien in fast jedem Kreißsaal Alltag. Ob unter der Geburt, bei einem akuten Notfall in der Schwangerschaft, bei der OP bei einem Kaiserschnitt, nach der Geburt mit dem Baby und auch, wenn das Kind nicht lebend auf die Welt kommt: Eine angemessene Betreuung sei kaum möglich. Das habe sich unter Corona noch weiter zugespitzt. Immer mehr Aufgaben - beispielsweise Abstriche und Dokumentationen - würden hinzukommen. &bdquo;Wir haben einen wunderbaren Beruf, aber die Arbeitsbelastung macht alle mürbe", sagt die 40-Jährige. Nicht die Akademisierung des Berufs könnte ihrer Meinung nach die Misere verbessern, denn Kollegen mit Bachelor-Abschluss arbeiteten unter denselben Bedingungen. Hebammen müssen nach der Geburt auch noch den Kreißsaal putzen Über fehlende Wertschätzung und gesellschaftliche Anerkennung könnten sie und die Kollegen sich nicht beschweren. Zudem sei die emotionale Belastung für alle sehr hoch. Das führe zwangsläufig auch zu Reibereien und Konflikten. &bdquo;Es würde einfach schon ganz viel bringen, wenn die Klinikleitung uns mal fragen würde, wie man die Situation verbessern kann", sagt Tanja M. Man könne zum Beispiel Anmeldungen oder Abstriche auslagern. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista &bdquo;In einigen Kliniken müssen Hebammen nach der Geburt auch noch den Kreißsaal putzen", berichtet Tanja M. Aufgrund des Arbeitspensums seien Trink- und Essenspausen oft nicht möglich, geschweige denn die vorgeschriebenen Pausen beim Tragen einer FFP2-Maske, oft kaum der notwendige Toilettengang. Auch sei der finanzielle Anreiz, sich für so einen fordernden Beruf zu entscheiden, nicht gegeben. Die Kliniken müssten endlich handeln und das Arbeitsumfeld verbessern, &bdquo;damit wieder mehr Frauen in diesem schönen Beruf arbeiten können und wollen". Akademisierte Kräfte werden auch nicht besser bezahlt &bdquo;Derzeit können wir mit insgesamt 27 Hebammen unseren Kreißsaal noch besetzen", berichtet Heike Meinefeld, Leitende Hebamme am Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB). Für Bethel als Perinatalzentrum der höchsten Versorgungsstufe sei ein personell gut besetzter Kreißsaal essenziell. Zudem seien die Geburten in der Klinik in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. &bdquo;Wir haben allein in 2020 rund 2.100 Neugeborene zur Welt gebracht", berichtet Meinefeld. In diesem Jahr sei die Zahl weiter gestiegen. Der Fachkräftemangel bei den Hebammen sei sehr ernst zu nehmen. &bdquo;Wir haben deshalb schon vor der Ablösung des Ausbildungsberufs durch ein Bachelor-Studium Kooperationen mit entsprechenden Fachhochschulen gebildet." Trotzdem sei dieser akademische Abschluss noch neu - und darauf hätten die jeweiligen Tarife der Krankenhäuser noch nicht reagiert. Das Gehalt ist gleich, weil die Hebammen mit Ausbildung und die mit Bachelor-Abschluss dieselbe Tätigkeit verrichten. Im Klinikum Bielefeld gibt es jährlich rund 1.000 Geburten und 12,08 Hebammenstellen - zwei akademisierte Hebammen sind darunter. &bdquo;Bei uns gibt es keinen Mangel", sagt Ute Kelkenberg, Oberärztin mit Schwerpunkt Geburtshilfe und Pränataldiagnostik. Das Klinikum binde jetzt eine bestimmte Anzahl FH-Studenten pro Jahr mit ein, habe feste Verträge geschlossen. &bdquo;Sie können zum Bachelor schon eine Teilzeitstelle bekommen", sagt Kelkenberg.

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