Jan Maik Schlifter (FDP): „Cannabis kontrolliert in Apotheken abgeben“

Bielefeld. Wie wirken sich Entscheidungen des Bundestages auf die Stadt aus? Was kann Berlin für Bielefeld tun? Vor der Bundestagswahl am 26. September machen sechs Kandidatinnen und Kandidaten von im Rat vertretenen Parteien ihre Positionen zu wichtigen Bielefelder Themen deutlich. Das sind die Standpunkte von Jan Maik Schlifter (FDP): Migration Bielefeld beteiligt sich am Bündnis &bdquo;Sichere Häfen in Europa". Die Städte erklären sich dazu bereit, aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufzunehmen. Unterstützen Sie dieses Anliegen? Migrationspolitik sei eine Kompetenz des Bundes, betont Jan Maik Schlifter. Daher lege auch der Bund fest, ob und wie viele Geflüchtete in Form von Sonderkontingenten national aufgenommen würden. Deren Verteilung auf die Städte erfolge dann nach Quoten. Erkläre sich eine Stadt bereit, über die Quote hinaus aufzunehmen, senke das die Kontingente anderer Städte, erhöhe aber nicht die Gesamtkapazität. &bdquo;Das ist deshalb gut gemeint aber nicht zielführend. Daher standen wir dieser Initiative skeptisch gegenüber." Pflege Bethel hat eine eigene Pflegeschule – zu hören ist, dass kaum noch jemand der neuen Pfleger länger als ein paar Jahre &bdquo;durchhält". Was kann getan werden? Pflegekräfte hätten mehr Anerkennung verdient, meint Schlifter. Vor allem sollten sie besser bezahlt werden. Auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssten verbessert und der Beruf attraktiver werden. &bdquo;Ich setze mich dafür ein, die Pflegeausbildung zu verbessern und bei den Pflegeberufen eine leistungsgerechte Durchlässigkeit zu erreichen. Ich möchte Auszubildende vom Schulgeld befreien und sie bei der Berechnung des Personalbedarfs nicht mehr berücksichtigen", so Schlifter. Kasernen Für drei Jahre soll in der Catterick-Kaserne die Ausbildung von Bundespolizisten verstärkt werden. Ist davon auszugehen, dass das Ausbildungszentrum Bielefeld danach wieder verlässt? Und wie sinnvoll ist die Befristung auf drei Jahre? Schlifter sagt: &bdquo;Bielefeld sollte sich freuen, als Standort dieser Bundeseinrichtung ausgewählt worden zu sein. So kommen gut bezahlte Arbeitsplätze und zusätzliche Kaufkraft in unsere Stadt." Sich nahezu ausschließlich auf die Konversionsflächen bei der Bekämpfung der Bielefelder Wohnungsnot zu verlassen, räche sich nun. Das könne aber an anderen Stellen geschehen. Er will sich dafür einsetzen, dass das Ausbildungszentrum dauerhaft in Bielefeld bleibe. Sicherheit Was kann sich bundespolitisch in Sicherheitsfragen verbessern, damit das Sicherheitsgefühl auf dem Kesselbrink und anderen Problemplätzen der Stadt steigt? Bundespolitisch könne dazu recht wenig getan werden, so Schlifter. Sein Vorschlag: &bdquo;Ich halte im Bereich der Drogenpolitik die kontrollierte Abgabe von Cannabis in Apotheken für einen sinnvollen Weg, Dealer zurückzudrängen, Polizeikapazitäten freizumachen und das Sicherheitsgefühl insgesamt zu verbessern." Steuern Täglich pendeln 40.000 Bielefelder in Nachbarkommunen zur Arbeit. Wie soll das künftig steuerlich angerechnet werden? Schlifter spricht sich für eine Pendlerpauschale von 40 Cent ab dem ersten Kilometer aus – also für eine Erhöhung. Denn: Die geplante Besteuerung von CO2 werde den Preisanstieg für Benzin und Diesel in den nächsten Jahren erheblich beschleunigen. Wohnen Günstiger Wohnraum ist in Bielefeld knapp. Wie erhält die Stadt künftig Unterstützung beim sozialen Wohnungsbau? &bdquo;Ich möchte das Bauen von günstigen Wohnungen erleichtern, indem wir Dachgeschossausbau ermöglichen, überzogene Brandschutzregeln lockern und mehr Geld in die Bauvorhaben an sich stecken", sagt Schlifter. Flaschenhals beim Bauen sei aber die fehlende Flächenausweisung auf Ebene der Stadt Bielefeld. Bildung Die Coronakrise hat auch in Bielefeld Ungleichheiten im Bildungssystem verstärkt. Was wollen Sie gegen diese Entwicklung tun? Schlifter betont: &bdquo;Bildung ist die elementare Voraussetzung für individuelles Vorankommen und ein selbstbestimmtes Leben." Die Chance zum sozialen Aufstieg hänge heute mehr denn je von der Bildung ab. Die FDP wolle, dass man schon am Zustand der Schulen erkenne, &bdquo;dass wir als Land auf die Zukunft setzen." Deshalb arbeite die Partei dafür, dass moderne Bildung in Deutschland zum Standard werde und digitale Lernformen etabliert würden. &bdquo;Dafür wollen wir ein Prozent der Mehrwertsteuereinnahmen zusätzlich in Bildung investieren, den Bildungsföderalismus durch eine Reform zukunftsfähig machen und die Qualität der Lehrer-Ausbildung verbessern." Tempolimit Wie stehen Sie zu Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts? An einigen Stellen, beispielsweise vor Kitas und Schulen, sei Tempo 30 sinnvoll. &bdquo;Die Einführung sollte dort auch vereinfacht werden", sagt Schlifter. Ein pauschales Tempo 30 lehnt er jedoch ab – vor allem auf Hauptverkehrsstraßen. Verkehr Aus Bielefelds Altstadt soll eine Wohlfühloase ohne Autos werden. Der Verkehrsversuch läuft aktuell. Könnte die Bundespolitik von Bielefeld lernen? Der Verkehrsversuch zeige vor allem, dass Verkehrspolitik im Konsens passieren müsse. &bdquo;Dass die Bedenken der Anwohner und Altstadtkaufleute bei der Planung der Sperrung am Waldhof ignoriert wurden, führt zu einem riesigen Verkehrschaos, dabei war ein Konsens zum Greifen nah", bedauert Schlifter. Verkehrspolitik mit der Brechstange führe nicht weiter. Klima Das Bielefelder Klimabündnis fordert: Bielefeld soll bis 2035 auf 100 Prozent erneuerbare Energien umsteigen. Was halten Sie davon? Schlifter befürwortet einen &bdquo;ehrgeizigen Ausbau" regenerativer Energien, um den Zusagen im Pariser Klimaschutzabkommen gerecht zu werden. Bei regional bezogenen Entscheidungen müsse die Gefahr von &bdquo;Carbon-Leakage-Effekten" mitgedacht werden: CO2-Erzeugung müsse vermieden, nicht aufgrund der Kosten in Staaten mit weniger strengen Emissionsauflagen verschoben werden. Rente Eine Bielefelder Friseurin geht 2025 in Rente. Dann hat sie 52 Jahre gearbeitet, hat Kinder erzogen und ihr Eltern gepflegt. Sie erhält 636,06 Euro Rente. Ist das gerecht? &bdquo;Geringe Bezüge sind nur eines von vielen Problemen der umlagefinanzierten, gesetzlichen Rente", so Schlifter. Er will sich in Berlin für eine kapitalgedeckte, gesetzliche Aktienrente einsetzen, mit der alle Bürgerinnen und Bürger am Wachstum der Märkte teilhaben könnten. &bdquo;Nur mit diesem in Schweden seit Jahren erfolgreich umgesetzten Modell können wir die Herausforderungen des demografischen Wandels meistern und die Rente sichern." Altersarmut In unserer Stadt beziehen rund 3.000 Rentner eine Grundsicherung. Tendenz steigend. Wie wollen Sie das Massenphänomen Altersarmut entgegenwirken? Die &bdquo;Grundrente" sei nicht zielgenau, da viele der Bedürftigen nicht genügend Beitragsjahre hätten und daher nichts bekommen würden. 90 Prozent der Empfänger seien zwar nicht bedürftig, bekämen aber trotzdem die Grundrente. Die FDP habe dagegen ein Konzept für eine Basis-Rente vorgelegt, das bedürfnisorientiert vorgehe. Langfristig solle eine Aktienrente Altersarmut eliminiert. Kultur Der Kultursektor ist einer der am härtesten von den Einschränkungen durch die Anti-Coronamaßnahmen betroffenen Wirtschaftszweige. Welche Vorschläge zur Neubelebung der Kultur haben Sie? &bdquo;Der Bund sollte sich bei Kultureinrichtungen mit überregionaler Bedeutung auch in der Fläche stärker engagieren", meint Schlifter. Konkret heißt das für ihn: Er würde sich in Berlin für eine bessere Förderung der Sanierung der Kunsthalle einsetzen und Perspektiven für einen Erweiterungsbau entwickeln. ZUR PERSON Jan Maik Schlifter (46) ist seit 2012 Vorsitzender der Bielefelder FDP. Er ist seit 2014 Mitglied des Bielefelder Rates. Auf der NRW-Landesliste der Liberalen wird er auf Platz 34 geführt. Die Position ist wenig aussichtsreich. Er studierte von 1995 -2000 Geschichte, Volks- und Betriebswirtschaft in Bielefeld und Alicante. Anschließend arbeitete der Diplom-Kaufmann bei dem Unternehmen Data-Scientist. 2005 gründete er mit Partnern ein Unternehmen für statistische Datenauswertungen und Vertriebskonzepte im Pharma- und Gesundheitswesen. Der geborene Bielefelder ist verheiratet und hat drei Kinder.

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