Betrug mit Schnelltests: Bielefelder Anbieter kämpfen um ihren Ruf

Bielefeld. Als er den Anruf erhielt, waren Unregelmäßigkeiten oder gar Betrug im großen Stil bei Schnelltest-Anbietern noch kein Thema. Dennoch stimmte Franz Schaible, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Solidarität, dem Vorschlag seines Software-Experten zu, die Daten der durchgeführten Schnelltests nicht wie ursprünglich geplant nach einem, sondern erst nach sechs Monaten zu löschen. &bdquo;Ich hatte damals schon ein komisches Gefühl", erinnert sich Schaible an das Telefonat Anfang April. &bdquo;Ich dachte mir: Irgendwann muss es doch Kontrollen geben." Zwei Monate später macht Schaible drei große Kreuze, dass er damals auf sein Bauchgefühl gehört hat. Denn inzwischen sind bundesweit mehrere Anbieter von Schnelltests in Verdacht, die &bdquo;unbürokratische Abrechnung" der Bürgerschnelltests ausgenutzt zu haben, um sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und damit beim Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) die Kosten für nie stattgefundene Tests erstatten zu lassen. Es geht um Millionensummen. (Die nw.de berichtete). Die Stiftung Solidarität kann aufgrund der gespeicherten Daten lückenlos nachweisen, dass sie inzwischen rund 71.000 Tests durchgeführt hat. Dennoch bekommt die Stiftung den Skandal zu spüren. "Schwarze Schafe machen den Ruf der Branche kaputt" &bdquo;Schwarze Schafe unter den Testanbietern machen den Ruf der ganzen Branche kaputt", ärgert sich Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger, nimmt aber ausdrücklich die in Bielefeld aktiven Firmen und Institutionen vor einem Generalverdacht in Schutz. Der im Zusammenhang mit dem Abrechnungsskandal genannte Anbieter sei in Bielefeld nicht aktiv. &bdquo;Die meisten Anbieter bei uns sind etablierte Bielefelder Unternehmen", betont Nürnberger. Genau diesen Punkt – die Verlässlichkeit von bekannten und seit Jahren seriös arbeitenden Anbietern von medizinischen Dienstleistungen – sieht Markus Wendler als entscheidend an. &bdquo;Es ist doch gerade in Zeiten wie einer Pandemie wichtig, Vertrauen zu schaffen", sagt der Geschäftsführer des Anbieters PVM. Durch die Laissez-Faire-Haltung der Bundesregierung sei Glücksrittern und auch Betrügern Tür und Tor geöffnet worden. &bdquo;Und das zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Corona-Zeit", sagt Wendler. Auch bei den PVM-Testzentren seien die Testdaten geschützt und gespeichert, also jeder einzelne Abstrich nachvollziehbar. Es sei alles transparent und mit rechten Dingen zugegangen. &bdquo;Daher kann es jetzt nicht sein, dass auch diejenigen, die sich beim Aufbau der Testinfrastruktur stark engagiert haben, an den Pranger gestellt werden." "Wir können nur plausibilisieren, nicht überprüfen" Dies sieht Ingo Nürnberger genau so. Und genau deswegen sei es wichtig, dass betrügerische Anbieter durch Kontrollen entlarvt und zur Verantwortung gezogen werden. Dies dürfe allerdings nicht den Städten und Landkreisen aufs Auge gedrückt werden: &bdquo;Die Kommunen sind für die Zulassung der Teststellen zuständig gewesen, wir haben vor allem die fachliche Eignung geprüft und gecheckt, ob die Räumlichkeiten passen", sagt Nürnberger. &bdquo;Bei Beschwerden der Bürger etwa zur Testabnahme gehen wir diesen auch nach, auch durch die Hygienekontrolle." Bei der Abrechnung habe wiederum das Land NRW gemäß der Teststrukturverordnung die Möglichkeit, die Zahlen zu prüfen. &bdquo;Wir als Kommunen können diese nur plausibilisieren, aber nicht überprüfen", sagt Nürnberger. &bdquo;Schon allein deshalb nicht, weil wir keinen Zugang zur Abrechnung und den Unterlagen haben." Man könne die Kassenärztliche Vereinigung allerdings beraten, wie eine Überprüfung der Testanbieter erfolgen und wie Betrug aufgedeckt werden kann. Franz Schaible hat erneut ein ungutes Bauchgefühl, wenn er überlegt, wie unlauteren Anbietern beigekommen werden soll. Durch die &bdquo;unbürokratische Abrechnung" habe es so gut wie keine Dokumentationspflicht gegeben, eine einfache Tabelle mit der Zahl der durchgeführten Tests habe gereicht, um die Kosten erstattet zu bekommen. Dies werde sich nach dem Skandal um erfundene Tests sicherlich ändern. &bdquo;Und das ist auch absolut richtig so", sagt Schaible. &bdquo;Wer die Musik bezahlt, sollte auch das Recht haben, zu kontrollieren." Markus Wendler verweist hier einmal mehr darauf, dass lieber auf bekannte und verlässliche Partner gesetzt werden sollte. &bdquo;Kein Arzt, kein Apotheker und kein Unternehmer, der seit Jahren im medizinischen Bereich tätig ist, riskiert seinen guten Ruf, um 1.000 Tests zu erschwindeln."

Meistgelesen