Bürger setzen sich durch: Stadt will Millionen für Radfahrer investieren

Bielefeld. Viel mehr Personal, viel mehr Geld: Das sind zwei Punkte, mit denen die Stadt Radfahrern Mut machen will für die nächsten Jahre. Mut machen in dem Sinne, dass vieles besser werden soll. Immer mehr Menschen sollen ganz oder teilweise umsteigen auf das Fahrrad. Längst definiert ist das Ziel, dass bald jeder vierte Weg mit dem Rad erledigt werden soll. Und das weniger durch Zwang, sondern mehr durch Angebote; über eine bessere Infrastruktur. Das hat Folgen: Im Amt für Verkehr, in dem bisher laut Leiter Olaf Lewald 160 Menschen arbeiten, 6 davon im Themenfeld Fahrrad, sollen noch dieses Jahr 17 neue "Fahrrad"-Stellen geschaffen werden, hinzu kommen 2022 weitere 5. Kurz: Aus 6 "Fahrrad"-Stellen werden binnen weniger Monate 28, eine Steigerung um gut 450 Prozent. Und auch das Radbudget soll ausgeweitet werden: von bisher 2,6 Millionen auf 13,8 Millionen Euro im Jahr 2024 - eine Steigerung um 530 Prozent. Komplett freiwillig geschieht das übrigens nicht, der Radentscheid hatte mit seinen fast 27.000 Unterschriften hohen Druck aufgebaut, das Ergebnis war ein Vertrag mit der Stadt über Inhalte. Die finden sich nun auch im Konzept, jedoch nicht alleine. Bielefeld steuert um Fakt ist: Die Stadt steuert um. In der kiloschweren Beschlussvorlage zum "Umsetzungskonzept Radverkehr" stehen laut Oberbürgermeister Pit Clausen "gut 300 Maßnahmen für die kommenden 15 Jahre". Clausen, der gestern 59 Jahre alt wurde: "Das ist ein wichtiges Modul für die Verkehrswende, wir fokussieren uns für Jahre auf den Radverkehr." Bezahlt werde das aus Mitteln der Stadt, Krediten und Fördergeldern. Steuern sollten dafür nicht erhöht werden, weder die Grundsteuer noch andere. Clausen: "Wir wollen nicht nur quatschen, sondern auch schaffen." Das sei übrigens auch sozial, denn anders als das Auto seien der ÖPNV, Fahrradfahren und zu Fuß gehen bezahlbar. Lewald ordnet den Fokus aufs Radfahren so ein: "Das ist keine Bevorzugung, im Gegenteil - bis in die jüngste Vergangenheit hinein wurde die Stadt primär am Auto entlang geplant, jetzt müssen Radfahrer und Fußgänger sowie der ÖPNV einiges aufholen." Neue Töne Das sind neue Töne aus dem Amt, das in naher Zukunft nicht mehr dem Baudezernat des abwanderungswilligen Gregor Moss (CDU), sondern dem neu von den Grünen zu besetzenden Umweltdezernat angehören soll. Lewald umschreibt das so: "Die Neuausrichtung des Amtes für Verkehr hat begonnen, und dieses Radverkehrs-Konzept ist für uns und Bielefeld ein Meilenstein." Ein Konzept, das kommende Woche im Finanz- und im Stadtentwicklungsausschuss behandelt wird - und eine Woche später dann im Rat. Die rot-grün-rote Koalition ist gefordert. Lewald: "Unser Ziel ist es, den Radverkehr nicht mehr nur ad hoc zu fördern, sondern systematisch." Der Verbund aller Maßnahmen solle nachvollziehbar, das dahinter liegende Programm sichtbar werden. So könnten Menschen mitgenommen werden. Clausen sieht das so: "Der Wandel lässt sich nicht befehlen, wir müssen aber aus Verantwortung für die Gesellschaft etwas dafür tun - und da sind viele maßvolle, geerdete Schritte wichtiger als einzelne Leuchttürme." Ohne Leuchttürme Mit diesen tut sich Bielefeld seit Jahren schwer, ablesbar an der vor anderthalb Jahren gescheiterten großen Radstation am Jahnplatz, ablesbar an den Debatten um die jetzt diskutierte kleine Lösung, aber auch an Themenfeldern wie "Artur-Ladebeck-Boulevard", Radstation direkt am Hauptbahnhof und auch Radschnellwegen. Nahmobilitätsbeauftragte Barbara Choryan dreht es ins Positive: "Unser Leuchtturm ist das große Ganze." Sie weiß: Politik muss eben mitspielen. Für Choryan ist auch ein Leuchtturm, dass absehbar bis zu 40 Kilometer hochwertige, bevorrechtigte Fahrradstraßen kommen sollen - den Auftakt macht der Ehlentruper Weg. Und der Radschnellweg von Herford über Bielefeld gen Gütersloh/Rheda sei nicht vom Tisch, bis Ende 2022 werde das Land hier konkreter werden, dann könnte auch die Trasse feststehen. Und ab Sommer 2022, so Clausen, sei auf der Artur-Ladebeck-Straße ein Pop-Up-Radweg denkbar, als Test. Vorher nicht, denn: Der OWD wird laut "Straßen.NRW" von Juli 2021 bis Juni 2022 auf verschiedenen Abschnitten saniert. Gutes Angebot soll locken Zum bunten Mosaik, aus dem eine fahrradfreundlichere Stadt werden soll, gehört vieles - von 1.000 Radbügeln mehr pro Jahr über neuen Radwegestandards und Radstationen bis hin zu einem Winterdienst auf Radwegen. Choryan: "Es geht um eine Angebotsplanung." Und da höre sie oft "Hier fährt doch fast keiner", was für sie gerade das Argument dafür ist, etwas zu tun - "damit dann dort bald viele fahren". Möglichst lückenlos solle in Bielefeld geradelt werden können. Das Konzept sei da ein großer Wurf, was auch Lewald so sieht: "Sogar andere Städte, die schon recht weit sind, schauen gerade auf uns."

Meistgelesen