Warum dieser Dachdecker jetzt einen Deutschlehrer anstellt

Bielefeld. Mit so viel Resonanz hätte Ingo Dedermann nicht gerechnet. Kaum hatte er per Facebook nach einem Deutschlehrer für seinen Azubi Lassana gesucht, meldeten sich etliche. "Auch einige, die das ehrenamtlich machen wollten", berichtet der Dachdeckermeister und Inhaber der Firma Barczewski. Trotzdem wolle er aber unbedingt jemanden fest anstellen, auf 450 Euro-Basis oder in Teilzeit. "Dann ist das einfach verbindlicher und ich kann es besser steuern", sagt Dedermann. Warum er sich jetzt freiwillig die zusätzlichen Kosten aufhalst? "Weil es sich lohnt, Lassana es verdient hat", sagt Dedermann und blickt mit väterlich-liebevollem Blick zu seinem jungen Mitarbeiter, der gerade mit seinen Kollegen einen Dachstuhl eins Mehrfamilienhauses erneuert, 2017 als Flüchtling aus Westafrika nach Deutschland kam und "in seiner Heimat viel Gewalt und Grauen erleben musste". Seit einem Jahr fällt die Sprachschule aus Eigentlich bekommt Lassana als Asylbewerber vom Staat einen Deutschkurs bezahlt. "Aber der findet wegen Corona jetzt leider seit über einem Jahr nicht mehr statt", berichtet Dedermann, der vor gut 20 Jahren die Firma Barczewski von seinem ehemaligen Chef übernommen hat. Sein achtköpfiges Team ist bunt gemischt, die Mitarbeiter kommen aus Ostdeutschland, Polen, Russland, dem Irak und Kolumbien. Damit sich alle gut verstehen, sei Deutsch einfach wichtig, sagt der Chef, der seit Jahren beim Technischen Hilfswerk für Hilfsprojekte im Ausland und in der Flüchtlingshilfe engagiert. So hat er auch Lassana kennengelernt. Eine Mitarbeiterin habe ihm erzählt, dass der 25-Jährige, der in seinem Heimatland Mali nie zur Schule gegangen ist, unbedingt etwas Handwerkliches machen möchte. Dedermann gab ihm eine Chance und einen Praktikumsplatz - und war begeistert. "Er ist fleißig und hat ein wunderbares Wesen", sagt der Dachdeckermeister. Und dass, obwohl Lassana schon einiges mitmachen musste, ob in seiner Heimat oder auf der Tausende von Kilometer langen Flucht, die er zu Fuß zurückgelegt hat. Trotz allem sei er noch so freundlich, positiv und offen. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Anforderungen an die Azubis sind stark gestiegen Mathe, Statik, Werkstoffkunde, Chemie oder Geometrie: Die Anforderungen an die Azubis in der Berufsschule seien in den vergangenen Jahren stark gestiegen. "Es liegt in meiner Verantwortung, dass Lassana da gut mitkommt und gut Deutsch lernt - für sich selbst und für den Job", sagt Dedermann, der den engagierten Flüchtling dann zum 1. August 2019 als Auszubildenden eingestellt hat. Jetzt habe er nicht länger warten wollen, bis der Deutschunterricht auf Staatskosten irgendwann wieder anfange. Drei vielversprechende Bewerber auf die Stelle als Deutschlehrer, darunter eine Studentin, die gerade ihren Master macht und Deutsch als Fremdsprache studiert hat, sind jetzt in der engsten Auswahl. "Mir war wichtig, dass der Einzelunterricht in Präsenz stattfindet", sagt Dedermann, dessen Tochter Chiara als Dachdecker-Junggesellin und Studentin der Baubetriebswirtschaft auch im Unternehmen mitarbeitet. Jetzt ist Probeunterricht geplant. "Dann gucken wir, wer bei uns anfängt", ergänzt der 58-Jährige. Das Geld sei bestens investiert, davon ist er überzeugt. "Lassana ist es wert, er ist ein toller Mensch", sagt Dedermann. "Ich gebe ihm einen Job bis zur Rente." Auch der Firmengründer war ein Flüchtling Auch der Gründer seiner Firma, Barczewski, sei ein Flüchtling gewesen - aus Ostpreußen. Egal ob nach dem Krieg, mit den Gastarbeitern aus Italien oder Jugoslawien oder nach der Wende aus Ostdeutschland: Immer, wenn eine große Menge Menschen dazu gekommen ist, hat uns das bereichert, sind viele fleißige Leute dazu gekommen", sagt Dedermann. Auf der einen Seite werde über Fachkräftemangel geklagt, oft trage die Bürokratie aber auch das ihre dazu bei. Flüchtlingen wie Lassana werde vom Staat vorgeschrieben, wo sie wohnen müssen. "Das macht es oft nicht einfach", sagt Dedermann. Lassana wohnt in Werther, zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen in einem Haus. Er steht früh auf, um pünktlich um 6.45 Uhr im Betrieb zu sein und auf die Baustelle zu fahren. Nach Feierabend macht Lassana gern noch einen Spaziergang in Bielefeld. Seine bald neu erworbenen Deutsch-Kenntnisse könnten auch dabei helfen, hier bleibende Freundschaften zu schließen.

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