Wollte die Bielefelder Flaschensammlerin den Bahn-Security-Mitarbeiter töten?

Bielefeld. Es ist unstreitig, dass ein lange schwelender Konflikt zwischen einem Bahnmitarbeiter und einer 39 Jahre alten Frau aus Gütersloh im November 2019 auf Bahnsteig 2 des Bielefelder Hauptbahnhofs ausgeartet war. Doch war es wirklich ein versuchtes Tötungsdelikt, dessentwegen sich Simone O. (Name geändert) vor dem Landgericht zu verantworten hatte? Die X. Große Strafkammer beantwortete die Frage nun mit einem Nein – sie verurteilte die Angeklagte wegen versuchter Nötigung, Hausfriedensbruchs sowie Beleidigung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Die Angeklagte war am fraglichen Tag verbal aggressiv Am 2. November 2019 hielt sich die Flaschensammlerin O. auf Gleis 2 des Hauptbahnhofs aus – wissend, dass das Flaschensammeln dort durch die Hausordnung untersagt ist. Darüber hinaus bestand bereits seit Längerem ein Hausverbot für die 39-Jährige, welches ihr ebenfalls bekannt war. &bdquo;Die meisten Mitarbeiter und Bundespolizisten drücken jedoch ein Auge zu", hatte O. bereits am ersten Verhandlungstag vor Gericht angegeben. Einige wenige hätten sie jedoch, so ihre Aussage, auf dem Kieker und einen regelrechten Hass auf sie entwickelt. Zur zweiten Kategorie gehöre laut Simone O. auch der Bahnbedienstete B., der sie an jenem Tag gemeinsam mit einem Kollegen auf dem Gleis entdeckte und sie ansprach. Es scheint unstreitig, dass die Frau daraufhin verbal aggressiv wurde und sich dem Gespräch zu entziehen versuchte. Gleichwohl hatte O. vor Gericht angegeben, sie habe mit einem Zug nach Bad Oeynhausen fahren wollen und sei von B. aus dem Zug gezerrt worden. Der Staatsanwalt hatte drei Jahre Haft beantragt Während des verbalen Disputs stand der Sicherheitsbedienstete B. schließlich für einen Moment mit dem Rücken zum Gleis, welches etwa eineinhalb Meter von ihm entfernt war. Mit den Worten &bdquo;Ich bringe dich um" winkelte O. beide Arme etwas an und ging einen Schritt auf B. zu. Dieser wich dem erwarteten Stoß jedoch aus und ergriff die Frau an einem Arm. In diesem Moment sah er aus dem Augenwinkel einen Zug einfahren, der noch etwa 15 Meter von den Streitenden entfernt war. Gemeinsam mit seinem Kollegen brachte B. die Angeklagte in die Mitte des Bahnsteigs, von wo aus sowohl die Bahnmitarbeiter als auch die Angeklagte die Bundespolizei herbeiriefen. Nun hatte sich Simone O. unter anderem wegen des Verdachts des versuchten Totschlags vor dem Landgericht verantworten müssen – ein Verdacht, der sich aus Sicht von Staatsanwalt Frederik Meeth in der Verhandlung auch bestätigt hatte, weshalb er drei Jahre Haft für die Frau beantragte. &bdquo;Dann wären unsere Gefängnisse voll" Die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Christoph Meiring beurteilte das Geschehen jedoch anders. &bdquo;Uns beschäftigte gar nicht mal so sehr, was sich ereignet hatte, sondern vielmehr warum dies passiert war", sagte Meiring in der Urteilsbegründung. Bei der seit einem schweren Unfall in der Kindheit psychisch wie körperlich deutlich beeinträchtigten Angeklagte breche in derartigen Konfliktsituationen die vorliegende Impulskontrollstörung durch. Dass die Situation abstrakt gefährlich gewesen sei, stehe außer Frage, führte Meiring weiter aus. Doch habe der &bdquo;der Angeklagten körperlich deutlich überlegene" durchtrainierte 96-Kilo-Mann noch einen Sicherheitsabstand zu O. sowie zum Gleis gehabt. Auch die ausgestoßene Drohung sei kein Beleg für einen tatsächlichen Tötungsvorsatz, führte Meiring weiter aus: &bdquo;Unsere Gefängnisse wären voll, wenn jede Todesdrohung immer mit Haft bestraft würde." In den allermeisten Fällen komme es zu derartigen Äußerungen entweder aus Prahlerei – oder aber durch Hilflosigkeit. Kritik an der Ermittlungsarbeit der Polizei In der Urteilsbegründung kritisierte Meiring die Ermittlungsarbeit der Bundespolizei im vorliegenden Fall. Dabei griff er die Worte von Verteidiger Tim Gruner auf. Dieser hatte in seinem Plädoyer bemängelt, dass weder der Triebwagenführer des damals eingefahrenen Zugs als Zeuge befragt, noch das Filmmaterial der Überwachungskameras gesichert worden war.

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