Rentner bremst auf der Autobahn Polizisten aus - und zeigt den Beamten an

Bielefeld. Auf hoher See und vor Gericht sei man in Gottes Hand, weiß der Volksmund zu berichten - möglicherweise gilt dies auch für Abschnitte auf der A2: "Ich dachte, das schaffe ich nicht mehr. Da hat vielleicht jemand auf mich aufgepasst", sagte ein Polizeibeamter nun vor Gericht. Im Januar 2018 hatte er nach eigenen Angaben nur mit größter Mühe eine Kollision verhindern können. Vor dem Bielefelder Amtsgericht fand nun ein Konglomerat, das sich größtenteils aus den Ingredienzen Nötigung und falsche Verdächtigung speiste, seinen voraussichtlichen juristischen Abschluss. "Nur durch Vollbremsung eine Kollision verhindert" Am Morgen des 19. Januars vor drei Jahren befand sich ein 37 Jahre alter Polizeibeamter in seinem Privatauto auf der A2 auf dem Weg zu seiner Bielefelder Dienststelle. Gegen 6.35 Uhr überholte er nach eigenen Angaben in Höhe von Vlotho einen Lkw, als plötzlich ein zuvor nicht zu sehender Audi Q5 von hinten angeschossen kam. "Er fuhr so dicht bei mir auf, dass ich sein Kennzeichen und den Kühlergrill im Rückspiegel nicht mehr sehen konnte", berichtete der Beamte nun vor dem Bielefelder Landgericht. Nach dem Überholvorgang sei er wieder nach rechts gezogen, der Audi habe sich direkt vor ihn gesetzt, sagte der Polizist weiter aus. Unvermittelt habe der Audi-Fahrer dann stark abgebremst: "Nur durch eine Vollbremsung konnte ich eine Kollision vermeiden. Alles, was in meinem Auto rumlag, befand sich danach vorne im Fußraum." Nach einem kurzen Schockmoment habe er sich mit zitternden Knien das Kennzeichen des Audis aufgeschrieben, dieser sei sodann schnell davongefahren. Nach der Ankunft an der Dienststelle schrieb der Beamte eine Anzeige. Eine Kennzeichenabfrage ergab, dass es sich bei dem fraglichen Auto um einen Firmenwagen handelte. Gemeinsam mit einem Kollegen suchte der Beamte das Unternehmen auf und wurde an den Fahrer des Autos verwiesen. Bei diesem handelte es sich um einen heute 64 Jahre alten Mann aus Bad Oeynhausen. Vor Gericht erfuhr der Zeuge, dass er gleichzeitig auch Beschuldigter sei "Er fühlte sich ganz offenbar von uns ertappt und räumte nach einer Belehrung auch ein, dass er der Fahrer des Autos gewesen sei. Nur an den fraglichen Vorfall wollte er keine Erinnerung haben. Nach kurzer Überlegung entschloss er sich dann dazu, gar nichts mehr zu sagen", referierte der Polizist die damalige Begegnung. Das Verfahren kam ins Rollen, das Herforder Amtsgericht verurteilte den Rentner wegen Nötigung zu einer Geldstrafe. Gegen dieses Urteil legte der 64-Jährige Berufung ein - er will zur fraglichen Zeit gar nicht auf der A2 gewesen sein - , das entsprechende Verfahren wurde schließlich vom Landgericht Bielefeld gegen eine Geldauflage von 2.000 Euro eingestellt. Doch barg die Berufungsverhandlung für den auch damals als Zeugen geladenen Polizisten eine Pointe: Während seiner Aussage erfuhr er, dass gegen ihn eine Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung vorliege. "Das hat mich sehr geärgert", sagte der Beamte nun vor dem Bielefelder Amtsgericht, "im schlechtesten Fall hätte ich bei der damaligen Aktion mein Leben verloren". Dennoch war für den 37-Jährigen die Angelegenheit nach der Berufungsverhandlung eigentlich erledigt. Nicht so jedoch für die Bielefelder Staatsanwaltschaft: Diese leitete ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung ein - dieses richtete sich nun aber gegen den Rentner. Vor dem Amtsgericht schwieg der Angeklagte In der Verhandlung vor dem Bielefelder Amtsgericht schwieg der 64-Jährige nun zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf. Dies habe zur Folge, dass aufgeklärt werden müsse, ob sein Mandant überhaupt zu jener Zeit auf der A2 und selber am Steuer gewesen sei, sagte Verteidiger Baris Devletli zu Beginn der Verhandlung. Nach der Aussage des Polizeibeamten und kurzer Beratung mit seinem Verteidiger entschuldigte sich der Rentner schließlich bei dem 37-Jährigen - allerdings ausschließlich für die Anzeige wegen falscher Verdächtigung. Das Gericht stellte das Verfahren sodann gegen eine Geldauflage von 2.500 Euro vorläufig ein.

Meistgelesen