Weil sie in Ruhe einkaufen wollen - Eltern bringen Kinder in Notbetreuung

Bielefeld. Die Angst vor der neuen Virus-Mutation geht um, jeden Abend ist in den Nachrichten zu hören: &bdquo;Kitas und Schulen bleiben geschlossen". Nicht nur dieser Satz, der absolut nicht zutrifft für NRW, sorgt für schlechte Stimmung. &bdquo;Es ist ein völlig falsches Bild, das da erzeugt wird", sagt Detlef Müller, verantwortlich für die zehn Bielefelder Kitas der Katholischen Kindertageseinrichtungen Minden-Ravensberg-Lippe. Mehr Infografiken finden Sie bei StatistaDass hier bei uns der Betrieb lediglich um jeweils zehn Stunden pro Woche und Kind eingeschränkt ist – selbst auch nach der Verschärfung der Maßnahmen – wüssten viele Außenstehende immer noch nicht. Zwar appelliere die Politik an die Eltern, ihre Kinder zuhause zu lassen. Aber das mache es eher noch schlimmer, sorge für viel Unmut und schlechte Stimmung unter den Eltern. "Das ist alarmierend" Die durchschnittliche Auslastung bei den zehn Bielefelder Kitas des Trägers beträgt 42 Prozent, &bdquo;aber wir haben auch zwei mit über 60 Prozent, das ist alarmierend", sagt Müller. Jeder sei aktuell aufgefordert, seine Kontakte zu reduzieren. Das sei für die Erzieherinnen dienstlich überhaupt nicht möglich. Auch, dass immer wieder gesagt werde, es gebe kaum Ansteckungen in der Kita, sei falsch, ergänzt eine Leitung, die anonym bleiben möchte. Erzieherinnen, so eine aktuelle AOK-Studie, gehörten bis vor kurzem zu der am meisten von Corona betroffenen Berufsgruppe. Das Gesundheitsamt kann erst ab November Zahlen zu Coronafällen in Kitas liefern. Im November gab es 43, davon 7 Cluster, also mehrere Infektionen nach einem Coronafall. Im Dezember waren es 42, davon 6 Cluster, aktuell jetzt nach den Weihnachtsferien im Januar bisher 11, davon 2 Cluster-Fälle, so die Stadt auf NW-Nachfrage. Betroffen seien vorrangig Mitarbeiter. Es gebe jedoch auch 3 Cluster-Fälle, bei denen mehrere Kinder infiziert und eine Cluster-Situation ausgelöst hätten. In den städtischen Kitas sei aktuell durchschnittlich etwa ein Drittel der Kinder da. &bdquo;Bei uns tummeln sich aber bestimmt 75 Prozent", berichtet eine Mutter, deren Tochter eine städtische Einrichtung besucht, aktuell aber zuhause bleibt. &bdquo;Da macht es wirklich wütend, wenn man mitbekommt, dass andere Mütter, die nicht berufstätig sind, ihre Kinder hinbringen", sagt sie. Sie vermisse da stark die Solidarität mit den ohnehin aktuell extrem geforderten Erzieherinnen. »Schicken Sie ihr Kind wieder in die Kita« Das ärgere auch ihn, berichtet ein zweifacher Vater. Er und seine Ehefrau arbeiten beide in Vollzeit, im Schichtbetrieb. Die Landesregierung appelliert dringend, Kinder aus der Kita zu nehmen. Aber niemand überprüfe, ob die Eltern wirklich Schwierigkeiten bei der Betreuung haben. Das sei auch ein Punkt, der die Kolleginnen, von denen viele ja auch selbst Mütter sind, in Rage bringe, berichtet Detlef Müller. Einerseits habe man Eltern, die den Aufruf, die Kinder wenn möglich zuhause zu lassen, sehr ernst nähmen und sich viel auflasteten. Andererseits gebe es dann die, die sich morgens zum Frühstücken treffen würden oder einfach mal ganz in Ruhe einkaufen wollten, berichteten Leitungen. Da würden klare Vorgaben vom Land und eine Reduzierung auf Notbetreuung helfen. &bdquo;Ganz klar müssen wir dabei auch die Kinder im Blick haben, für die es aktuell im häuslichen Umfeld nicht gut ist", ergänzt Müller. Sehr ungerecht sei auch, so der zweifache Vater, dass die Kita-Gebühr in Bielefeld jetzt vom 1. Januar bis 14. Februar wieder allen erstattet wird, auch wenn man sein Kind in die Kita bringt. Andererseits aber für Dezember nicht, auch wenn man, wie aufgefordert, seine Kinder freiwillig zuhause gelassen haben. &bdquo;Schicken Sie ihr Kind wieder in die Kita", sei die Antwort vom Land gewesen, als er dort die Situation geschildert habe. Mit den Elternbeiträgen wird nur ein geringer Teil der Kosten abgedeckt &bdquo;Eltern verstehen die Zahlung von Elternbeiträgen als Gegenleistung für die Betreuung ihrer Kinder in Kita, Kindertagespflege und OGS", heißt es dazu in einer aktuellen Vorlage zum Thema Kita-Gebühren von der Stadt. Tatsächlich stehe den Elternbeiträgen jedoch keine direkte Gegenleistung gegenüber. &bdquo;Elternbeiträge sind vielmehr nur ein Anteil an der Finanzierung der Betriebskosten von Einrichtungen und damit als Beitrag zu den Gesamtkosten der Kindertagesbetreuung zu verstehen", heißt es. Mit den Elternbeiträgen werde nur ein geringer Teil der tatsächlich entstehenden Kosten für die Betreuung der Kinder abgedeckt. Der ganz überwiegende Teil werde durch Kommunen, Land und Träger aufgebracht. Von rund 75 Prozent Auslastung berichten auch Ute Born und Sonja Petrusch-Röbers, Vorsitzende des Vereins &bdquo;TaMuBI", einem Zusammenschluss von etwa 80 Tagesmüttern aus Bielefeld. In der Tagespflege sind die Stunden nicht eingeschränkt. &bdquo;Wir helfen gern, aber viele von uns haben selbst noch kleine Kinder oder welche, die beim Homeschooling Unterstützung brauchen", sagt Born. &bdquo;Wenn wir die Betreuungszeit reduzieren, bekommen wir als Selbstständige weniger Geld." Tagesmütter einem großen Risiko ausgesetzt Zudem betreuten viele die Tageskinder zuhause, bei einigen lebten Großeltern mit im Haus. Das werde alles von der Politik nicht berücksichtigt. Jedem Tag seien Tagesmütter einem großen Risiko ausgesetzt: &bdquo;Die Kleinen können wir nicht mit Masken betreuen." Es gebe Kolleginnen, die selbst zur Risikogruppe gehörten, große Angst vor Ansteckung hätten. Auch sei immer noch unklar, ob die Kommune wie im ersten Lockdown weiter zahle, wenn eine Tagesmutter in Quarantäne muss. &bdquo;Wir wünschen uns auch, dass auch die kleinen Kinder getestet werden, wenn beispielsweise Geschwister in Quarantäne sind und sie eindeutige Symptome haben", ergänzt Petrusch-Röbers.

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