Städtevergleich: Bielefeld hat überraschend viele Corona-Tote

Bielefeld. 66 Corona-Tote auf 100.000 Einwohner. So lautet die tragische Zwischenbilanz für Bielefeld nach knapp einem Jahr der Pandemie. Bielefeld liegt damit etwa im Landes- und Bundesschnitt. Aber: Liegen vergleichbare Städte im 200-Kilometer-Umfeld auch auf diesem Niveau? Eher nein. Verglichen wird Bielefeld als ländliche Großstadt oft mit Osnabrück, Münster, Braunschweig, Paderborn, Kassel, Oldenburg, Bonn, Hamm. Hier zeigt sich beim Blick auf die 100.000er-Vergleichs-Zahl: Oldenburg hat weniger als ein Drittel der Toten Bielefelds, Braunschweig, Münster, Paderborn und Bonn etwa halb so viele, Osnabrück zwei Drittel, Kassel fast so viele und nur Hamm liegt über Bielefeld. Sonderstellung? Ein Trend: Geht es in Richtung Ruhrgebiet, haben andere Großstädte eher Zahlen oberhalb Bielefelds: Mönchengladbach liegt noch vergleichbar hoch, Hagen und Wuppertal aber höher. Liegen Städte in Niedersachsen, sind ihre Werte oft deutlich niedriger. Hat Bielefeld also eine Sonderstellung – oder nicht? Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Krisenstabsleiter und Sozialdezernent Ingo Nürnberger: "Das kann ich nicht bestätigen.” Er betont mit Blick auf die von der NW ausgewählten Städte: "Bei der von Ihnen getroffenen Städteauswahl hat Bielefeld einen der höchsten Anteile an über 80-Jährigen. Bekanntlich konzentrieren sich die Todesfälle auf diese Bevölkerungsgruppe.” 3 von 4 Toten sind über 80 Tatsächlich sind hier Zusammenhänge zu erkennen, so haben Münster, Oldenburg, Bonn und Paderborn etwa ein Prozent weniger Menschen ab 80 Jahren. Und: In Bielefeld sind drei von vier Toten 80 Jahre und älter. Aber: Braunschweig wiederum hat bei den 80-Jährigen und Älteren denselben Prozentsatz wie Bielefeld – aber nicht einmal die Hälfte der Toten. Spielt das Durchschnittsalter eine Rolle? Bielefeld liegt bei 42,8 Jahren, die Bandbreite reicht von gut 41 in Münster bis 44,5 in Hagen. Bielefeld liegt im Mittelfeld. Und Nürnberger sagt: "Das Durchschnittsalter ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll, da ein hoher Anteil von über 80-Jährigen mit einem hohen Anteil von jungen Menschen korrespondieren kann.” Heißt: Eine dynamische Uni-Stadt könnte über viele Studenten den Schnitt herunterziehen, obwohl sie gleichzeitig sehr viele ältere Bürger hat. Diakonie ein Faktor? Könnten in Bielefeld die beiden diakonischen Riesen – Bethel und Johanneswerk – mit ihren Angeboten ein Grund sein, warum die Zahlen hier eher hoch sind? Ein Indiz: Auf seniorenportal.de werden für Bielefeld 113, für Braunschweig aber nur 68 Pflege-/Alteneinrichtungen ausgewiesen. Aber Bielefeld ist auch ein Drittel größer, so dass das Verhältnis etwa 113 zu 90 wäre. Und die Größe der Einrichtungen nicht berücksichtigt ist. Auch beim betreuten Wohnen und den Geriatrien liegt Bielefeld in diesem Vergleich vorne, sehr deutlich sogar bei den Hospizen mit 15 zu 3. Doch es ist kompliziert. Nürnberger: "Die These ist gut, aber wir können sie nicht bestätigen." Bielefeld habe unterdurchschnittlich viele stationäre Pflegeplätze. 32 Pflegeheime gebe es, die fast gleich großen Städte Bonn, Wuppertal und Münster hätten 45, 39 und 36. Bielefeld wiederum habe eine gute ambulante Pflegeversorgung, Stichwort "Bielefelder Modell". Und so bleibt wohl als beste Annäherung dieses Zitat des Krisenstabsleiters: "Leider haben wir keine Erklärung für die mittlerweile recht hohe Zahl an verstorbenen Menschen in Bielefeld - fraglich ist aber, ob der Unterschied schon statistisch signifikant ist. Und ich befürchte, es gibt auch einen Zufallseffekt." Keine Schuldzuweisungen Es ist am Ende ein Themenfeld, das nichts mit Schuldzuweisungen zu tun hat, es scheinen sehr spezifische und teilweise eben auch zufällige Aspekte zu sein, die zu den Quoten führen. Nürnberger: "Bielefeld musste erfreulicherweise lange Zeit nur eine unterdurchschnittliche Zahl von Todesfällen melden - leider hat sich das mit dem verstärkten Ausbruchsgeschehen in Alten- und Pflegeheimen verändert.” Er verweist aber auch darauf, dass es eben Städte wie Remscheid, Oberhausen und Gelsenkirchen gibt, die bei der Zahl der Toten auf 100.000 Einwohner bei 100 und mehr liegen. Eindeutige Erklärmuster? Fehlanzeige. Aber, so Nürnberger: "Jeder Todesfall im Zusammenhang mit Corona ist einer zu viel.”

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