Ein beliebtes Ausflugslokal am Fuße der Burg

Bielefeld. Am Wochenende spielte die Hauskapelle Johle/Herbst nachmittags zum Kaffeekonzert und abends zum Tanz auf. Es waren wohl glückliche Zeiten zwischen den Weltkriegen am Fuße der Sparrenburg. Dort lud ein großes Ausflugs- und Tanzlokal Spaziergänger, Familien und Feiernde ein. 2.000 Gäste konnte die &bdquo;Berglust“ in Spitzen innen und außen bewirten. &bdquo;Ganz Bielefeld traf sich da“, sagten Zeitzeugen. Geblieben sind nur versteckte Mauerreste. Doch die Erinnerung soll wach bleiben, mit einer Stele. Die Sparrenburg ist seit der Sanierung der Mauern und Rondelle auch mit Geld der Bürger zu einem Schmuckstück geworden. Doch Stadt und Bielefeld Marketing wollen das Wahrzeichen weiter aufwerten, Besucher mit einer &bdquo;Begrüßungskultur“ ansprechen. Dazu zählen Elemente wie Stelen und Hinweistafeln, auf denen über Historie und Episoden informiert wird. Stele für die Berglust Sechs dieser Infopunkte sind verblichen und sollen jetzt ausgetauscht werden, so Eva Schreiber, die bei der Stadt Burgprojekte betreut. Hinzu kommen an vier Stellen zusätzliche Hingucker: Zwei Stelen auf der Promenade, die an die gespendeten neuen Bäume für die Allee erinnern, eine Informationsinsel mit Vitrine am kleinen Parkplatz sowie eine Stele als Gedenken an die &bdquo;Berglust“. Sie soll unten an der Zufahrtsstraße stehen – wo der Fuß des Lokals einst war. Der Bezirksvertretung Mitte wird am Donnerstag noch einmal der geplante Text auf der Tafel vorgelegt. Wenn sie grünes Licht gibt, könnte die Stele noch im März aufgestellt werden – und von einer wechselvollen und spannenden Geschichte eines ganz besonderen Lokals berichten. Einkehr zum Trunke Um 1750 herum soll der &bdquo;wunderschöne Ausblick ins weite Land“ einen &bdquo;findigen Bürger“ bewogen haben, ein Haus mit zwei engen Schankstuben zu bauen – das er wegen der Fernsicht &bdquo;Luginsland“ nannte, schrieb Historikerin Bärbel Sunderbrink in einer kleinen Chronik: &bdquo;Die Bielefelder wanderten gern zur Burg, kehrten dort ein zu einem Trunke und genossen die frische Luft und das Panorama.“ An dem Standort betrieben die Bielefelder vorher einen Steinbruch, nachdem Friedrich der Große Quader der Sparrenburgmauern für den Bau der alten Kaserne hatte abtragen lassen. Es blieb eine Bergstufe, auf der das Lokal entstand. Das war beliebtes Ziel, anfangs &bdquo;in kleinbürgerlicher Geruhsamkeit“, wie ein Chronist schrieb. Um 1848 herum, &bdquo;in unruhvollen Zeiten“, hätten sich &bdquo;politische Brauseköpfe um den demokratischen Gastwirt Nasse hier zu hitzigen Aussprachen“ versammelt, &bdquo;die zusammen mit dem Reiffschen Bier das Blut in Wallung brachten“. Politische Brauseköpfe Auch auf diese Epoche der Stadtgeschichte soll die Stele hinweisen, betont Hartmut Meichsner, langjähriger Fraktionschef der CDU in der Bezirksvertretung Mitte, der vor zwei Jahren den Anstoß zu dem Gedenken gab. Denn das Lokal sei in der 1848er-Revolutionszeit &bdquo;ein zentraler Treffpunkt der ostwestfälischen Demokraten“ gewesen. Nasse sei denunziert worden und 1849 für sechs Monate in Festungshaft auf der Burg gekommen. Anschließend habe er das Lokal verkauft und sei in die USA ausgewandert. Gut 100 Jahre später ließ der neue Wirt Schmidt auch die einfache Holzbrüstung der &bdquo;Berglust“-Terrasse ausbauen mit bunten Glasscheiben. Die Aussicht wurde zu &bdquo;einer Vogelschau in allen Regenbogenfarben“, war zu lesen. Besonderen Zulauf habe die &bdquo;Berglust“ ab 1914 erlebt, als die Ära der Familie Meerkamm begann. Der Architekt Otto kaufte die Gaststätte, Bruder Adolf bewirtschaftete sie. Die Meerkamms bauten sie aus und erweiterten. Ein großer Saal für 1.200 Gäste, ein Musik-Pavillon und eine Kegelbahn kamen hinzu, die offene Terrasse wurde überdacht. Tanz und Konzerte lockten die Menschen an, sonntags musizierte das städtische Orchester im Pavillon. Tanzschulen und Vereine feierten hier, Chöre und Kosaken sangen. Für die Kinder gab es einen Spielplatz mit Rutschbahn aus Holz, Karussell und Rundlauf. &bdquo;Minerva-Dance-Hall" Doch der zweite Weltkrieg beendete die gute Zeit auf der &bdquo;Berglust“. Die Behörden quartierten hier Zwangsarbeiterinnen aus der Ukraine und Russland ein, später Kriegsgefangene. Von Bomben blieb das Gebäude weitgehend verschont. 1945 beschlagnahmten es die Engländer, machten es zeitweise zur &bdquo;Minerva-Dance-Hall“. Kapellen und Bands mit bekannten Musikern wie Heinz-Hermann Genzel und Otto Posteher seien hier aufgetreten, daneben gab es Kleinkunst, Varieté und Zauberei, berichtet Andreas Bootz in seinem Buch &bdquo;Kultur in Bielefeld 1945 – 1960“. Schokolade mit Oma In den 1950er-Jahren war Schluss mit Vergnügen. Die Stadt übernahm die leerstehende &bdquo;Berglust“, quartierte teils noch Flüchtlinge ein. Das Gebäude verfiel, der Garten verwilderte. 1957 beschloss der Rat den Abriss, 1960 war das Lokal Geschichte. Hartmut Meichsner, dessen Großmutter unterhalb wohnte, erinnert sich noch, wie die Mauern fielen. Und ein bisschen erlebte er noch die bessere Zeit. Er durfte die Oma zum Kaffeetrinken begleiten, erzählt er, und kriegte eine heiße Schokolade und ein Stück Kuchen.

Meistgelesen