"Schwerwiegende Fehler": Anwalt will Senne-Mord neu aufrollen

Bielefeld. Das Landgericht Bielefeld hat Georgios S. (57) aus Bad Oeynhausen im Mai 2017 wegen heimtückischen Mordes an seiner Ehefrau Tanja zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Seit Februar 2018 ist dieses Urteil rechtskräftig. Doch nun hat sein Rechtsanwalt Gerhard Strate die Wiederaufnahme des Verfahrens um den sogenannten Senne-Mord beantragt. Denn er hat Zweifel am wichtigsten Beweisstück des Verfahrens. Die beiden am Tatort gefundenen Patronenhülsen, auf der eindeutig DNA seines Mandanten nachgewiesen werden konnte, passen laut einem Waffenexperten nicht zu der Schrotmunition, die im Körper der Toten gefunden wurde. Drei bis vier elementare Beweisstücke am Tatort - "Das ist ungewöhnlich" &bdquo;Mein Mandant hat immer seine Unschuld beteuert. Und ich glaube auch, dass er unschuldig ist", sagt Gerhard Strate, der als einer der bekanntesten Anwälte in Deutschland und als Experte für Wiederaufnahmen bereits geschlossener Verfahren gilt. Unter anderem hat er in dem deutschlandweit beachteten Fall Gustl Morath nach acht Jahren bewiesen, dass sein Mandant zu Unrecht in der Psychiatrie saß. Strate hat sich die Akte des Senne-Mordes genau durchgesehen und dabei eine Besonderheit bemerkt: &bdquo;Es fanden sich drei bis vier elementare Beweisstücke, die auf meinen Mandaten zurückzuführen sind, am Tatort. Das ist ungewöhnlich für jemandem, der unerkannt entkommen will, um sich anschließend um seine Söhne kümmern zu können." Das Landgericht war nach der Beweisaufnahme zu dem Schluss gekommen, dass der in Trennung lebende Ehemann aus Bad Oeynhausen am 15. September 2016 Tanja S. vor ihrem Haus am Eisterfeldweg aufgelauert hatte, um diese mit einem Schrotgewehr zu töten. Mord-Entschluss hatte mit seiner bedrohten Vaterrolle zu tun Dabei hatte er eine Sturmmaske getragen. Die &bdquo;Mordkommission Eister" fand später zwei Patronenhülsen, ein Gewehr-Futteral und eben diese Sturmmaske, die er auf der Flucht verloren haben soll. Das Landgericht war zu der Überzeugung gekommen, dass Georgios S. damals befürchtete, den Kontakt zu seinen beiden Jungs und seine Rolle als Vater zu verlieren. Sein Entschluss, die damals 41-jährige Tanja S. zu töten, soll also maßgeblich mit den Kindern zu tun gehabt haben. Diese lebten damals in Bielefeld bei Tanja S. und ihrem neuen Lebensgefährten. Waren die Beweise gefälscht? Der Strafverteidiger weiß sehr wohl, dass auch überlegte Personen in so einem Fall Fehler machen können: &bdquo;Aber nicht so viele. Wenn mein Mandant mit der Tat die Kinder hätte zurückgewinnen wollen, dann hätte er nicht alles zurückgelassen, was ihn als Täter identifiziert." Der Staranwalt vermutet daher, dass die Kripo hier &bdquo;lancierte Beweise" finden sollte, die auf Georgios S. hinweisen sollten. Durch die Jagdtätigkeit des Unternehmers aus Bad Oeynhausen, der unter anderem mit seinen Söhnen in Griechenland auf die Pirsch gegangen war, sei an Patronenhülsen und Futteral auch von anderen heranzukommen gewesen, sagt Strate. Gutachter: Patronenhülse passt nicht zu Tat-Projektilen Untermauert wird diese These womöglich durch einen Waffensachverständigen, der in seinem Gutachten zu dem Schluss gekommen ist, dass die bei der Tat verwendete Schrotmunition nicht zu den Patronenhülsen passt, die am Tatort gefunden wurden. Die Hülsen italienischer Herkunft sind laut Markierung mit jeweils neun Projektilen von 8,6 Millimeter Größe gefüllt. Das stimme aber nicht mit der Größe und Zahl der gefundenen Projektile und Projektilteile überein, sagt der Sachverständige. Das hätten Experten erkennen müssen. Er spricht von &bdquo;schwerwiegenden methodischen Fehlern" bei der Analyse der Munition durch die Ermittlungsbehörden. Die tödlichen Projektile seien größer als 9 Millimeter gewesen und vermutlich seien jeweils nur acht Schrotkugeln verschossen worden. Als Skandal in diesem Zusammenhang bezeichnet Anwalt Strate zudem das Verschwinden der Projektile: &bdquo;Das Landesamt für Zentrale polizeitechnische Dienste hat die Beweismittel aus dem Mordverfahren ohne Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft vernichtet", sagt Strate. Das habe ihm die Staatsanwaltschaft inzwischen bestätigt. Insofern konnte sich der Gutachter nur auf Fotos der Projektile berufen, die aber für die Beweisführung dennoch ausreichend seien. Die Söhne von Opfer und Täter leben seit der Tat im Heim Das Landgericht Bielefeld hat den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, das ohnehin bereits von mehreren Ermittlungspannen begleitet war, erhalten und weitergeleitet. Ob der Senne-Mord angesichts der neuen Erkenntnisse komplett neu aufgerollt wird, wird das zuständige Landgericht Münster entscheiden. Der damalige Lebensgefährte von Tanja S. reagierte entrüstet auf die Nachricht, dass die Verteidigung eine Wiederaufnahme des Mordfalls anstrebt: &bdquo;Ich finde es schlimm, dass Anwälte so einem Mörder helfen. Ich wünsche sehr, dass es nicht zugelassen wird." Die beiden Söhne von Mordopfer Tanja S. und ihrem verurteilten Mörder (inzwischen 14 und 16 Jahre) leben inzwischen in einem Internat.

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