So wollen Gastronomen in Coronazeiten überwintern

Bielefeld. Daniela Werning, Betreiberin der gleichnamigen Weinstube am Alten Markt, hat vorgesorgt: 16 Infrarot-Heizstrahler hat sie bestellt. "Wir möchten unseren Gästen auch in der kalten Jahreszeit ermöglichen, draußen zu sitzen", sagt die Wirtin. Weil die Mehrzahl der Gäste in Corona-Zeiten nicht in Innenräumen essen oder trinken möchte, sei es für Gastronomen "überlebenswichtig" Lösungen zu finden. Für die Bielefelder Gastronomen ist die Situation auch so schon schwierig. Denn trotz Außengastronomie können lediglich die Hälfte der tatsächlich möglichen Plätze genutzt werden, um die Abstandsregeln einzuhalten. "Das sieht dann immer voll aus, wenn man durch die Innenstadt läuft. Aber das sind nur die Hälfte der Tische", verdeutlicht Regine Tönsing, Hauptgeschäftsführerin der Dehoga Ostwestfalen. Um diese Kapazitäten dennoch voll ausnutzen zu können, hat sich der Bielefelder Stadtentwicklungsausschuss Anfang September mit diesem Thema befasst. Die Stadt hat beschlossen, mehr Raum für die Außengastronomie zuzulassen und auf die Gebühren für 2020 zu verzichten. Heizpilz: Retter oder Klimakiller? Doch der Raum für Tische im Freien nützt nur dann etwas, wenn den Gästen auch warm genug ist. Und da kommt der Heizpilz ins Spiel. Eigentlich größtenteils aus der Gastronomie verbannt, weil er im Vergleich zum tatsächlichen Nutzen einen extrem hohen Energieverbrauch aufweist, wird er nun als Retter in der Krise verstanden - zumindest von Seiten der Gastronomen. Alternativ könnten beispielsweise auch strombetriebene Infrarot-Lampen eingesetzt werden. Auch über Zelte wird nachgedacht. Für Bielefeld gilt: Alle Heizkonzepte müssen von der Verwaltung abgesegnet werden, damit etwaige Brandschutzbestimmungen eingehalten und Rettungswege gesichert sind, erklärt Bernd Hellermann, Amt für Verkehr. Die Dehoga bewertet das positiv: "Alle haben Existenzängste, deshalb zählt jede einzelne Maßnahme", betont Tönsing. Doch die Straße zu beheizen, stößt auf Kritik. Bei den Bielefelder Grünen wird ein Verbot von Heizpilzen bereits heiß diskutiert, betont Grünen-Politiker Jens Julkowski-Keppler. Und auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) bezeichnet die Nutzung von Heizpilzen als "Klimasauerei". Nach Angaben der BUND-Energieexpertin Irmela Colaço gegenüber der Nachrichtenagentur AFP könne ein einziger Heizpils in einer Saison so viel Kohlendioxid produzieren wie ein Kleinwagen in einem Jahr. Grundsätzlich dürften klimaschonendere Standards mit Verweis auf die Corona-Krise nicht zurückgefahren werden, forderte Colaço: "Wir dürfen nicht die Corona-Krise gegen die Klimakrise ausspielen." Belüftungsanlagen im Gespräch Doch viele Gästen hätten Angst, sich in den Restaurants aufzuhalten, kontert die Dehoga-Geschäftsführerin. Lediglich in der Szenegastronomie seien die Probleme etwas kleiner, da die Gäste weniger Befürchtungen hätten, sich anzustecken. Um dem entgegenzuwirken, prüft der Dehoga-Bundesverband derzeit Lüftungssysteme für die Innenräume, um den Gästen mehr Sicherheit zu garantieren. "Da sind wir auch im Gespräch mit Ministern über mögliche Förderungen", sagt Tönsing. Die Verhandlungen seien auf einem guten Weg, aber dennoch: "Das kostet natürlich trotzdem viel Geld. Die Frage ist, ob Gastronomen überhaupt in der Lage sind, so etwas zu bezahlen." Eine repräsentative Umfrage, die YouGov Deutschland im August in Auftrag gegeben hat, besagt, dass 51 Prozent der Deutschen zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus öffentliche Innenräume meiden. Viele Befragte (81 Prozent) fühlen sich in Hotels, Gastronomie und Tagungsstätten gefährdet. Erst wenn eine medizinisch zertifizierte Luftreinigung erfolgt, würde ein Teil davon diese Räume wieder aufsuchen. Gastronomen wollen spontan reagieren Eine kleine Umfrage unter Gastronomen zeigt, dass viele erst einmal abwarten, bevor sie sich Heizgeräte anschaffen. Das Wetter der vergangenen Tage hatte dafür gesorgt, dass es in den Biergärten eng wurde. Marc-Oliver Schierenberg, Besitzer des Oerkenkruges in Jöllenbeck, und Betriebsleiter Vahe Markosyan, wollen erst reagieren, wenn es draußen kälter wird. "Es ist kein Problem, kurzfristig Heizstrahler oder Pilze zu bestellen", glaubt Schierenberg. Allerdings biete die Traditionsgaststätte im Innenbereich viel Platz. Wie im Außenbereich könnten sich dort 120 Personen aufhalten - mit genügend Abstand.

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