Polizei-Panne: Im Nachbarhaus wird ein Bielefelder getötet - Beamte lassen sich abwimmeln

Bielefeld/Hannover. Der Mordfall Kadir A. ist so gut wie aufgeklärt, doch kurz vor der Anklageerhebung wurden nun Details bekannt, die die Familie des getöteten Bielefelders schockiert zurücklassen. Wie der Anwalt der Hinterbliebenen, Nebenklagevertreter Pascal Ackermann, berichtet, stand die Polizei in Hannover direkt nach der Tat schon vor dem Haus des wegen Mordes beschuldigten Paares. Doch die Beamten von zwei Streifenwagen ließen sich vom Haupttäter abwimmeln. Wie berichtet, war der 28-jährige Bielefelder Kadir A. Anfang April von seinem Internet-Flirt, einer 25-jährigen Frau aus Hannover, in die niedersächsische Hauptstadt gelockt worden und schließlich in der Wohnung ihres neuen Freundes (23) mit zahllosen Messerstichen und -schnitten getötet worden. Nachbarin hört Schreie und ruft die Polizei Am 15. April wurde die mit mehr als 100 Stichverletzungen übersäte Leiche des Bielefelders halb verscharrt auf einem Friedhof in Hannover-Kirchrode gefunden. Die Tatwaffe soll dem Vernehmen nach ein japanisches Tanto-Schwert gewesen sein – ein Kampfmesser mit etwa 30 Zentimeter langer Klinge. Wie am Rande der Ermittlungen nun bekannt wurde, war die Polizei den Tätern bereits am Tag der Tat hautnah auf der Spur. Dem Vernehmen nach hatte eine Nachbarin im Haus des 23-Jährigen Schreie gehört und die Polizei gerufen. Und selbst der Beschuldigte soll seinerseits per Notruf einen Rettungswagen gerufen haben. Er muss sich mit dem scharfen Messer selbst verletzt haben, heißt es in diversen Medien. Die Verletzung war nach Angaben von Anwalt Ackermann so stark, dass der Rettungswagen den 23-Jährigen später sogar mit ins Krankenhaus nahm. Geruch von Pfefferspray passt nicht zur Version des Mordverdächtigen Zuvor wimmelte der 23-Jährige aber die beiden Streifenteams der Polizei ab. Der Beschuldigte, der wie seine Freundin in einer diakonischen Einrichtung lebte und unter Betreuung stehen soll, behauptete, dass er sich bei Kampfübungen selbst mit dem Messer verletzt und deshalb auch geschrien habe. &bdquo;Obwohl noch der Geruch von Pfefferspray in der Luft gelegen haben soll, ist keiner der Beamten auf die Idee gekommen, diese Version des 23-Jährigen zu hinterfragen", sagt der Anwalt vorwurfsvoll. Reizgas passt gar nicht zu der Geschichte mit den Kampfübungen und der angeblichen Selbstverletzung. &bdquo;Hätten sie ihn gebeten, sich zur Besprechung in die Wohnung zurückzuziehen, hätten sie Kadir sofort gefunden." Die Hinterbliebenen zeigten sich nach Angaben Ihres Anwalts geschockt, als sie davon erfuhren. Ob Kadir A. zu diesem Zeitpunkt noch lebte, lässt sich aus rechtsmedizinischer Sicht nicht mehr mit Sicherheit sagen. Da der Beschuldigte selbst aber ausgesagt haben soll, dass der Bielefelder zu diesem Zeitpunkt in seiner Wohnung noch geröchelt habe, lässt den Schmerz, den diese Panne womöglich bei Vater und Schwester hinterlassen muss, deutlich werden. Kadir A. wusste nichts von den Vorwürfen eines Sexualdelikts Pascal Ackermann lobt indes aber auch die anschließende Ermittlungsarbeit der &bdquo;Mordkommission Zündschnur" als hervorragend. Durch akribische Ermittlungen sei es der Kripo in Hannover gelungen, die beiden Verdächtigen am 6. Mai festzunehmen. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Pärchen Kadir A. aus Rache in eine Falle gelockt habe. Denn der Bielefelder hatte die 25-Jährige ein Jahr zuvor auf einem Datingportal im Internet kennengelernt. Als sich beide dann das erste Mal in Bielefeld trafen, soll es zu Intimitäten gekommen sein. Später zeigte die 25-Jährige den Bielefelder deswegen an. Weil aber schon die belastende Aussage der jungen Frau schon nicht für den Vorwurf eines Sexualdelikts ausgereicht haben soll, stellten die Ermittlungsbehörden das Verfahren ein. Kadir A. erfuhr laut Ackermann nie von den Vorwürfen, befragt wurde er nicht. Als er sich im April 2020 also zu zweiten Mal mit der 25-Jährigen verabredete, ahnte er nicht, dass diese ihn zwischenzeitlich angezeigt hatte, geschweige denn, welche Rachepläne sie mit ihrem Freund nun im Schilde führte. Die Beschuldigten sollen beide an einer neuronalen Störung leiden Aus Sicht des Nebenklägers scheint es eine sehr geplante Tat gewesen zu sein. Sowohl vorher, aber auch nachher. Immerhin zeigen Überwachungskameras, wie das Pärchen nach der Tat mit einem großen Koffer nach Hamburg reiste und ohne diese Koffer wieder zurückkehrte. Die Polizei hatte versucht, mit Fotos des Paares die Spur der Tatwaffe zu rekonstruieren. In dem Koffer sollen die bisher nicht gefundene Tatwaffe sowie verschiedene Habseligkeiten von Kadir A. gesteckt haben. Das Pärchen hatte nach seiner Festnahme die Tötung des Bielefelders Supermarktangestellten eingeräumt. Ihrer Aussage, wonach der 23-Jährige aber in Notwehr zugestochen haben will, schenkten die Ermittlungsbehörden bisher wenig Glauben. Das Pärchen sitzt wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Mordes in Untersuchungshaft. Weil beide eine neuronale Störung haben sollen, die Schwierigkeiten bei sozialen Interaktionen macht, wartet die Staatsanwaltschaft jetzt noch auf die ärztliche Begutachtung der Beschuldigten. Anschließend ist mit der Anklageerhebung zu rechnen.

Meistgelesen