Sprachtalent: Erster syrischer Flüchtling macht Abitur in Bielefeld

Bielefeld. An seinen ersten Schultag an der Marienschule der Ursulinen kann Dani Char sich noch genau erinnern. &bdquo;Ich war sehr nervös und hatte auch ein bisschen Angst“, sagt er. &bdquo;Ich wusste ja nicht, was auf mich zukommt.“ Das ist inzwischen vier Jahre her. Jetzt hat er als erster syrischer Flüchtling das Abitur an der Marienschule bestanden. Dani kam Ende 2015 nach Deutschland. Mit seiner Mutter flüchtete er aus der syrischen Hauptstadt Damaskus über das Mittelmeer und die Balkanroute nach Europa. Da sein Bruder Jan bereits einige Zeit vorher nach Deutschland geflohen war, landeten Dani und seine Mutter bei ihm in Paderborn. Dani sollte dort die Integrationsklasse einer Realschule besuchen. "Die ersten Wochen waren schwierig" Doch bei einer Untersuchung im Gesundheitsamt wurde eine Mitarbeiterin auf den sprachbegabten jungen Mann aufmerksam und empfahl der Familie, sich bei Günter Kunert, Schulleiter der Marienschule, zu melden. &bdquo;Einige Tage später saß Dani mit seinem Bruder und seiner Mutter bei mir im Büro“, erinnert sich Günter Kunert. Dani sei sehr still gewesen und auch seine Mutter sprach nicht viel. &bdquo;Aber sein Bruder war sehr engagiert und überzeugte mich, dass wir Dani an unserer Schule aufnehmen sollten.“ Das war im September 2016. Dani kam in die 9. Klasse. &bdquo;Die ersten Wochen waren schwierig, vor allem mit der deutschen Sprache hatte ich Probleme“, sagt der heute 20-Jährige. Zunächst habe er nur Englisch gesprochen und sich mit Übersetzer-Apps auf dem Smartphone ausgeholfen, doch dann sei es schnell besser geworden. &bdquo;Schon nach zwei Wochen wurde die Sprachbarriere kleiner, weil um mich herum nur Deutsch gesprochen wurde.“ Klassenkameraden halfen bei Verständnisproblemen Auch die Klassenkameraden haben sich große Mühe gegeben, Dani bei Verständnisproblemen weiterzuhelfen. &bdquo;Alle Schüler waren hilfsbereit, mir Dinge noch einmal zu erklären, denn gerade gesellschaftliche Fächer mit viel fachsprachlichen Ausdrücken, wie in Erdkunde und Biologie, waren am Anfang eine Herausforderung.“ Besonders viel Unterstützung bekam er dabei von seiner Mitschülerin Lara, mit der er inzwischen seit drei Jahren in einer Beziehung ist. Heute sagt er, dass es vielleicht auch ein Ansporn war besser Deutsch zu lernen, um Lara ansprechen zu können. Auch ihre Familie hat den jungen Mann stets unterstützt. Individuelle Förderung sei für Dani zu keiner Zeit nötig gewesen, doch trotzdem haben alle Lehrer stets ein Auge auf ihn gehabt, sagt Kunert. &bdquo;Wir haben eben keine Integrationsklasse an dieser Schule, aber die Kollegen haben alles in ihrer Macht stehende getan, um ihn zu unterstützen“, sagt Kunert. Im Fach Musik beispielsweise wurde Danis Geschichte in Form von politischer Musik zum Thema gemacht, dabei sei der Junge das erste Mal etwas aufgetaut. Doch auch mit den deutschen Klausuren hatte der Abiturient zunächst Probleme: &bdquo;In Syrien sind Klausuren reine Reproduktionsaufgaben, da muss man nur auswendig lernen“, sagt er. &bdquo;In Deutschland sind die Klausuren anders, besonders Gedichtsanalysen fand ich zunächst schwierig.“ Ein Beruf in der Wirtschaft Die Abiturprüfungen haben Dani keine Schwierigkeiten bereitet. Zusammen mit seiner Freundin Lara hat er für die Prüfungen in den Leistungskursen Englisch und Biologie gelernt. Als drittes Fach hatte er Mathe und die mündliche Prüfung musste er in Erdkunde ablegen. Dani hat alle Prüfungen bestanden und bei der Zeugnisvergabe, die Corona-bedingt auf dem Sportplatz der Schule stattfand, hat Schulleiter Kunert in seiner Abschiedsrede den besonderen Erfolg von Dani noch einmal hervorgehoben. Dass es jetzt keinen Abiball gibt, findet er sehr schade, aber zumindest im kleinen Kreis mit Freunden haben sie den Schulabschluss gefeiert. Jetzt möchte Dani studieren. Für die Zukunft kann er sich einen Beruf in der Wirtschaft gut vorstellen. Dass er zurück nach Syrien geht, kann er sich aktuell nicht vorstellen, auch wenn sein Vater noch immer dort ist. Dani ist aramäischer Christ. Um seine Wurzeln nicht zu verlieren, engagiert er sich in der syrischen Gemeinde in Bielefeld. &bdquo;Ich habe auch noch mit einigen Freunden aus meiner Schule in Syrien Kontakt, aber auch die sind inzwischen in andere Länder geflohen“, sagt Dani. &bdquo;Aber dafür habe ich jetzt Freunde in der ganzen Welt.“

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