Millionenloch: Bielefelds ÖPNV bricht wegen Corona komplett ein

Bielefeld. MoBiel war jahrelang für Rekorde gut. Mehr als 60 Millionen Fahrgäste nutzen in Bielefeld mittlerweile pro Jahr Stadtbahn und Busse. Doch die Zahlen stagnieren. Das liegt aktuell zwar mit an Corona. Aber es zeigt sich auch, dass die Mobilitätswende beim ÖPNV ohne verstärkte Anreize an Grenzen stößt. &bdquo;Wenn alles so bleibt wie bisher, sind große Steigerungen nicht zu erwarten“, sagt Kai-Uwe Steinbrecher, technischer Leiter bei MoBiel, anlässlich der Jahresbilanz. Die Stadtbahnlinie 5 wird nicht gebaut, andere Großprojekte stocken. Und mit kurzen Verlängerungen wie der Linie 4 bis zur Dürerstraße, die 2021/22 gebaut wird, sind keine großen Zuwächse zu erwarten. Zuwächse begrenzt Stadt und die Verkehrsbetriebe stecken beim ÖPNV-Ausbau in der Klemme. MoBiel versucht, durch die Öffnung für andere Verkehrsarten wie Car-Sharing, Elektro-Roller und -Bikes sowie Mobilitätsstationen neue Geschäftsfelder zu aktivieren. Geschäftsführer Martin Uekmann: &bdquo;Wir dürfen die Verkehrsarten nicht gegeneinander ausspielen, sondern müssen sie besser verknüpfen und neue Angebote machen, um auf das veränderte Verkehrsverhalten der Menschen einzugehen.“ &bdquo;Unser Rückgrat bleibt aber der ÖPNV“, betont Uekmann. Und hier fließen auch weiter die großen Investitionen. Von 2018 bis 2022 steckt MoBiel rund 120 Millionen Euro in neue Vamos-Stadtbahnen, schadstoffärmere Busse, den Betriebshof in Sieker und neue Hochbahnsteige. Geplant ist der Einstieg in wasserstoffgetriebene Busse. Millionen-Ausfälle Doch der Streckenausbau bringt auch Verluste mit sich. So sorgte die Unterbrechung der Linie 3 für den Hochbahnsteigbau auf August-Bebel- und Oelmühlenstraße 2019 für Millionen-Ausfälle. Uekmann: &bdquo;Und es ist nicht einfach, alle Fahrgäste zurückzugewinnen.“ Jetzt ist der Bau des dritten Hochbahnsteigs auf der Linie 3 in der Oldentruper Straße in Sieker-Mitte geplant, der erneute Einschränkungen bringt. Uekmann: &bdquo;Wir werden hier aber die Linie 3 auf einem Gleis weiterfahren lassen. Eine neuerliche Unterbrechung können wir den Fahrgästen nicht zumuten.“ Projekte verzögert Der Umbau der Brackweder Hauptstraße mit der Stadtbahnlinie 1 lässt weiter auf sich warten. MoBiel muss die Gleise deshalb noch mal flicken. Das zog das Unternehmen in die akute Corona-Zeit April teils vor, doch in den letzten zwei Sommerferienwochen sorgen die Restarbeiten für neue Störungen. Die Corona-Krise bremste MoBiel deutlich aus. Im März brachen die Fahrgastzahlen schon ein, im April lag der Tiefpunkt mit nur noch einem Viertel der Fahrgäste, so Sprecherin Birgit Jahnke: 55.000 statt 220.000 an einem normalen Werktag. MoBiel schränkte den Fahrplan teils ein. Uekmann rechnet mit einem Loch in mittlerer einstelliger Millionenhöhe und hofft auf Ausgleich durch Bund und Land. Tiefpunkt im April Denn sonst steigen die Verluste noch stärker. 2019 lagen sie mit 23,3 Millionen Euro schon über dem 2018er-Wert von 22,1 Millionen. Noch könnten die Stadtwerke dies aus anderen Töpfen ausgleichen, betont der Geschäftsführer. Auf Dauer rechnet man aber damit, dass die Stadt Bielefeld einspringen muss. Immerhin konnte MoBiel 2019 mit 75,6 Prozent wieder etwas mehr seiner Kosten durch eigene Anstrengungen decken. Durch die Übernahme von BVO-Linien stieg die Zahl der Beschäftigten um rund 150 auf 855. Als wichtiges Ziel formuliert MoBiel mehr digitale Angebote. Ab 2021 soll es eine einzige App zur besten Verkehrsmittel- und Ticketwahl geben, mit der gebucht und bezahlt werden kann, kündigt Geschäftsbereichsleiterin Cornelia Christian an: &bdquo;Das Smartphone soll zum Ersatz für den Autoschlüssel werden und genau so einfach zu bedienen sein.“ Eine App für Alles MoBiel spüre den Trend der Kunden zu Dauerkarten und Clipticket. Deshalb hofft Christian auch, dass die neuen Sharing- und Mietangebote sich durchsetzen und in Verbindung mit Stadtbahn und Bussen Mobilität positiv verändert. Trotz anfänglicher Startschwierigkeiten bewertet Christian den Einstieg bei Alma-E-Motorroller, Leihfahrrädern, Elektroautos und Anton-Funkbussen &bdquo;als insgesamt zufriedenstellend“. Einstieg vorn erlaubt Der Ausblick fällt Uekmann in Corona-Zeiten schwer. Eine zweite Infektionswelle hätte negative Folgen. Etwas aufatmen können Fahrgäste in Bussen: Ab nächste Woche seien alle mit Schutzgläsern für Fahrer ausgestattet, so dass Kunden auch wieder vorn einsteigen könnten.

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