Bielefelder Väter erzählen von Glücksbringern und Stressfaktoren

Bielefeld. Das Coronavirus bestimmt derzeit unseren Alltag. Auch der heutige Vatertag ist für viele anders als sonst – und auch die Rolle des Mannes, zeigen diese Beiträge. Die vielen Geschichten rund um unser Leben mit dem Virus fasst die Lokalredaktion der Neuen Westfälischen in dieser täglichen Rubrik zusammen. Wollen auch Sie berichten? Dann schreiben Sie an: bielefeld@nw.de "Bekomme mehr von der Entwicklung mit" - der Vater Corona bedeutet für uns viel Zeit mit der Familie zuhause zu verbringen – es entschleunigt den stressigen Alltag. Berufsbedingt muss ich sonst morgens bereits sehr früh aus dem Haus, manchmal bevor unsere Tochter wach ist. Nach einem langen Tag sehen wir uns dann erst zum gemeinsamen Abendessen wieder. Den Tag verbringt sie in der Kita. Die aktuellen Schutzmaßnahmen haben viel Zeit im Homeoffice mit sich gebracht. Ich bekomme mehr von der Entwicklung meiner Tochter mit, die täglichen Freuden und Sorgen. Es ist schön den ersten ausgefallenen Zahn, das Radfahren lernen ohne Stützräder und die ersten geschriebenen Wörter und gelösten Rechenaufgaben in den Vorschulbüchern zu begleiten. Es gibt morgens und abends keinen Zeitstress. Wir können uns die Betreuung zuhause besser teilen. Nach Feierabend geht es direkt raus in die Natur. Außerhalb der Familie leidet das Sozialleben jedoch sehr. Sportvereine dürfen nicht besucht werden, die Übungsabende bei der Feuerwehr sind ausgesetzt und natürlich auch unsere alljährliche Familienwanderung zum Vatertag. Besonders fehlen unserer Tochter aber ihre Freunde in der Kita. Felix Boche (27), Projektmanager Marketing, freiberuflicher Fotojournalist und Vater einer Tochter (5) Eine himmlische Zeit, die schnell vorbeigeht - der Vater und Pastor Genießen Sie die Zeit! Es ist so eine schöne Zeit. Die Kinder werden so schnell groß. Wie oft ich das wohl gehört habe. Aber es stimmt, es ist eine himmlische Zeit, die schnell vorbeigeht – sage ich heute. Wer selbst kleine Kinder hat, weiß aber auch: Wenn es endlich soweit ist, kann ich abends mal wieder ins Kino. &bdquo;Kleine Kinder" heißt schließlich: Warum schreit es denn jetzt schon wieder? Windeln wechseln. Früh um fünf der Ruf: &bdquo;Ich bin wa-a-ach!" – gern auch nachts und am Wochenende. Im Winter vor dem Rausgehen zehn Minuten das Kind anziehen. Kurz, es heißt: Rund um die Uhr beschäftigt sein. Heute hat meine Tochter ihren 17. Geburtstag – darum heißt es Vatertag, obwohl Himmelfahrt es besser trifft. Durch Corona ist es sogar für mich als Dorfpastor ein vollkommen freier Tag. Und tatsächlich: &bdquo;Die Kinder werden so schnell groß!" Ins Kino kann ich trotzdem nicht. Aber es ist so eine schöne Zeit, damals – und heute auch! Benjamin von Legat (51), Pastor Peter und Paul Viele Männer stresst ihre neue Rolle - die Gesundheitsexpertin Die Frau außer Haus in einem systemrelevanten Beruf, der Mann im Homeoffice plötzlich als Erzieher, Lehrer und Unterhalter für die Kinder gefragt: Die Corona-Krise hat vor allem bei Vätern zu einer Verschiebung der Stressfaktoren geführt. Wie eine Forsa-Umfrage zeigt, steht bei Männern jetzt nicht mehr der Job, sondern der Nachwuchs ganz oben auf der Stress-Skala: 42 Prozent aller befragten Väter mit Kindern unter 18 Jahren geben aktuell an, wegen deren Erziehung und Betreuung unter Druck zu stehen. Ausbildung oder Beruf empfinden hingegen nur noch rund ein Drittel der Väter als Stressfaktor. Vor der Corona-Krise war es genau umgekehrt. Die Öffnung von Kitas und Schulen dürfte also vor allem für diejenigen Väter eine Erleichterung sein, die wegen Kurzarbeit oder Homeoffice vollständig zu Hause sind, denn für sie ist diese aktivere Vaterrolle neu. Sie sind nun plötzlich Vollzeitpapa und waren es bislang nicht gewohnt, neben der Arbeit auch noch die Kinder zu versorgen. Auf die Gewichtung der Stressfaktoren bei Müttern hat die Krise hingegen weniger eingewirkt: Für die Hälfte von ihnen ist nach wie vor die Kindererziehung die größte Belastung im Alltag, und ein Drittel steht nach wie vor beruflich unter Strom. Die Umfrage zeigt aber auch, dass die täglichen Aufgaben und Sorgen im Corona-Alltag Mütter insgesamt mehr belasten als Väter. Weitere große Stressfaktoren neben Kinderbetreuung und Beruf sind die Arbeitsbelastung im Haushalt, Konflikte in der Familie, finanzielle Sorgen sowie die Ansprüche von Lehrern und Erziehern. Dazu kommt die Sorge, dass sich ein Familienmitglied mit dem Corona-Virus infizieren könnte. Um den Stress in der Krise zu reduzieren, wünschen sich gleichermaßen rund die Hälfte der Mütter und Väter zusätzliche finanzielle Unterstützung, beispielsweise durch mehr Kindergeld. 37 Prozent der Eltern hoffen auf flexiblere Arbeitsbedingungen etwa mit Blick auf die Arbeitszeit. Jede zweite Mutter und jeder vierte Vater wünschen sich außerdem mehr Unterstützung im Haushalt. Damit Stress nicht krank macht, müssen Phasen der Anspannung und Entspannung im Gleichgewicht stehen. Ein Warnsignal ist etwa, wenn Menschen die Fähigkeit zur Regeneration verlieren, sich beispielsweise nicht mehr erholen können. Aus Angst, sich angreifbar zu machen und den Job zu verlieren, vermeiden gerade Eltern häufig das Gespräch mit Vorgesetzten, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch um Stressreduktion geht. Solche Aussprachen sind aber vor allem in Krisensituationen wichtig und der erste wichtige Schritt zu einer Lösung. Ulrike Schäfer (54), Leiterin der Servicestelle Bielefeld und Gesundheitsexpertein der KKH Kaufmännische Krankenkasse Knopf drehen und ein Küsschen ist nicht - der Schornsteinfeger Ich arbeite seit 45 Jahren als Schornsteinfeger. Eine Situation wie diese haben wir alle noch nicht erlebt. Damit wir alle Corona hoffentlich gut überstehen, ist ein bisschen Glück bestimmt nicht verkehrt. Das bringen wir gerne mit, wenn wir jetzt in unseren Bezirken zum Kehren kommen. Unser Alltag hat sich da ansonsten nicht viel verändert. Ich besuche täglich etwa 15 bis 20 Haushalte. Im Gegensatz zu vielen anderen hatten wir Schornsteinfeger großes Glück, sind nicht von Kurzarbeit betroffen. Aufgrund einer Herzerkrankung gehöre ich Risikogruppe. Angst habe ich aber keine. Vorsicht, Abstand und Hygiene hingegen sind gut und wichtig. Masken und Desinfektionsmittel haben wir immer dabei. Die meisten Kunden freuen sich, uns zu sehen. Es gibt nur ganz wenige, die so große Angst haben, dass sie uns nicht ins Haus lassen möchten. Um Gefahren zu vermeiden, müssen wir allerdings die Verbrennungsanlagen regelmäßig kontrollieren. Wer Bedenken hat, sollte sich einfach vor dem Termin kurz bei uns melden, dann finden wir immer eine Lösung. Einmal durfte ich nicht kommen, weil der Haushalt unter Quarantäne stand. Seit dem Mittelalter gelten Schornsteinfeger als Glücksboten, weil wir die Häuser vor Feuer beschützen. Auch soll es Glück bringen, an den goldenen Knöpfen unserer Jacken zu drehen. Das, ebenso wie ein Küsschen, ist momentan leider nicht drin. Aber mit Abstand und Gottvertrauen meistern wir hoffentlich alle diese Krise. Stephan Kransmann (59), Schornsteinfegermeister

Meistgelesen