Tierschutz und Corona: Hunde-Vermittlung ins Home Office und Gassi-Hilfe für Senioren

Sennestadt. Auf den ersten Blick bietet das Bielefelder Tierheim ein gewohntes Bild: Vor dem Eingang parken Autos, auf dem Gelände laufen die Hunde in ihren Zwingern umher, eine Mitarbeiterin geht mit ihrem hochbeinigen braunen Vierbeiner an der Leine über den Hof. Doch die kleine Kampstraße, an der sonst Autos von Ehrenamtlichen und Besuchern stehen, ist gähnend leer. Am Tor prangt ein auffällig orangefarbenes Schild: "Ab Montag, 6. März, ist das Tierheim auf Grund der aktuellen Lage für alle Besucher und Gassi-Geher geschlossen." Interessenten sollen sich telefonisch melden und einen Termin vereinbaren. Terminvergabe für Vermittlungswünsche per Telefon Tierschutz im Zeichen von Corona, das erfordert, wie in vielen Bereichen derzeit in der Stadt, sehr viel Flexibilität, Umorganisation und Verzicht. Die Terminvergabe per Telefon sei ein Weg, der jetzt beschritten worden sei, damit die Tiervermittlung nicht vollständig auf Eis liege, sagt Maike Thomaier, die für die Hundeabteilung zuständig ist. 28 Vierbeiner leben zur Zeit in der Einrichtung. Die Vermittlung laufe bislang gut, so die Tierschützerin, auch bei den Katzen, 89 bevölkern derzeit das Mini-Tiger-Domizil ein paar Meter weiter. Vor einigen Tagen ist ein Bullterrier ins neue Zuhause ausgezogen, der zu den Listenhunden zählt. "Manchmal dauert es etwas, aber irgendwann findet sich für jeden Hund ein neues Zuhause. Und die Vermittlung von solchen Hunden einer besonderen Sorgfalt", sagt Thomaier. "Dabei arbeiten wir gut mit dem Ordnungsamt zusammen." Auch in Corona-Zeiten. Home Office hat Vorteile für die Vermittlung In der aktuellen Krise sehen die Mitarbeiter und Vereinsmitglieder aus Tierschutzsicht auch eine (kleine) eine positive Seite. Thomaier: "Viele Leute haben jetzt mehr Zeit, sie sind zu Hause oder im Homeoffice - und das ist gut, wenn ein Hund neu einzieht." Denn der sollte die erste Zeit in der neuen Umgebung ja nicht allein sein und liebevolle Unterstützung bei der Eingewöhnung bekommen. Die Befürchtung des Deutschen Tierschutzbundes, dass nun mehr Vierbeiner abgegeben oder ausgesetzt würden, kann Thomaier für Bielefeld nicht bestätigen. Bislang habe es nur zwei Anfrage wegen "Pensionsüberbrückung" gegeben. Verzicht auf Gassi-Geher Verzichtet wird auf die sonst üblichen Nachkontrollen. "In fremde Haushalte gehen, das geht gar nicht im Moment", meint der Vorsitzende des Tierschutzvereins, Helmut Tiekötter. Verzichten muss die Einrichtung derzeit aber auch auf die sonst so engagierten Gassi-Geher. Statt ihrer machen sich die Mitarbeiter nun reihum mit den Hunden auf eine Spaziergang in der Natur rund um die Kampstraße, verabreichen Streicheleinheiten und trainieren mit ihnen Platz, Sitz und Co.. Doch auch wenn durch den fehlenden Besucherstrom nun dafür Zeit bleibt, die täglichen Routinearbeiten wie Füttern oder Saubermachen halten das Team ebenfalls gut beschäftigt. Und auch die ehrenamtlichen Hundeausführer sind nicht ganz ohne tierische Aufgabe. Wer von ihnen möchte, der kann sich in eine Liste aufnehmen lassen und mit privaten Fellnasen spazierengehen, wenn deren (oft schon ältere) Besitzer eine solche Hilfe brauchen. Tiekötter: "Dann wird der Hund an der Tür übergeben, und natürlich wird auf Abstand geachtet." Denn auch hier soll die Gefahr einer Ansteckung möglichst gering gehalten werden. Interessierte können sich beim Tierheim über die verschiedenen Internetkanäle des Vereins, aber auch per Telefon (0 52 05) 9 84 30 melden. Planierarbeiten vor dem neuen Hundetrakt Im hinteren Bereich des Areals, dort, wo vorher einer der beiden alten Hundetrakte von 1976 gestanden hatte, laufen die Planierarbeiten vor dem neuen Hundehaus, das durch eine Zugangstür auch über das Haupthaus zugänglich ist. Der Neubau selbst ist fertig, innen dezent in Grau und Weiß gehalten, außen rot verklinkert wie das Katzenhaus. Beide tragen die Namen von großzügigen Spenderinnen, deren Geld bzw. der Erlös aus ihren Häusern, die sie dem Tierschutzverein vererbt haben, in den Bau geflossen ist: Im Erna-Karguss-Haus, das seit inzwischen gut zehn Jahren in Betrieb ist, logieren aktuell 89 Katzen; das Leonie-Jürging-Haus, das insgesamt 900.000 Euro gekostet hat, muss auf den Einzug seiner neuen Bewohner noch warten. Die 30 Zimmer, die vom 2,90 Meter breiten Mittelgang ausgehen - vier mal zwei oder zwei mal zwei Meter groß - sind leer, es fehlen Hundekörbchen, Näpfe, Spielzeug Und auch die Ausläufe gibt es noch nicht Für sie wird gerade der Boden planiert. Sie werden den tierischen Gästen demnächst deutlich mehr Raum zum Spielen und Toben bieten: Rund 40 Quadratmeter wird jeder der 16 geplanten Außengehege messen. Hinter dem Areal für die künftigen Ausläufen des Neubaus schließt sich eine hochumzäunte Freifläche an, die wechselnd als zusätzlicher Auslauf für die Hunde und als Aufenthaltsmöglichkeit für die Besucher genutzt werden soll. Die können die Vierbeiner von dort in Ruhe betrachten und erste Kontakte aufnehmen. Für die Zweibeiner soll die Wiesenfläche noch ansprechend mit Sitzgelegenheiten hergerichtet werden, sagt Tiekötter. Auf der anderen Seite der bisherigen Wiese, auf der nur ein kleiner hölzerner Unterstand steht stehen die beiden kleineren Gruppenhäuser mit ihren 200-Quadratmeter-Ausläufen. Sie seien in Eigenleistung entstanden, daher sei für sie auch nur der Materialwert angefallen, sagt Tiekötter. Das summiert sich gleichwohl auf rund 20.000 Euro pro Haus. Neue Kleingruppenhäuser sind schon bewohnt In beiden "Appartements" wohnen bereits Hundetrios, Herdenschutzhunde, ein Rottweiler-Mix und ein Schäferhund. Besonders letzterer mache es sich öfter auf dem neuen Hochbett in seinem Gruppenhaus gemütlich, berichtet Thomaier. Währenddessen schaut der Vereinsvorsitzende ein wenig besorgt auf die spielenden Vierbeiner. Es würden spürbar mehr Herdenschutzhunde abgegeben, erzählt er. "Erst waren es Schäferhunde, dann Dalmatiner, und nun das ". Diese neueste Abgabe-Moderasse stellt die Tierschützer vor besondere Herausforderungen, ist sie doch aufgrund ihrer hohen Ansprüche nicht leicht zu vermitteln. Als Familienmitglied sind diese Tiere wenig geeignet, sie brauchen viel Auslauf, Beschäftigung, etwas zum Bewachen - aber vor allem eins: neue Besitzer, die ihre Besonderheiten kennen und gut mit ihnen umgehen können. Die Einweihung des neuen Hundehauses war eigentlich für Anfang Juni, zum Tag der offenen Tür, geplant. "Aber ob es den jetzt, angesichts von Corona, überhaupt geben wird, weiß ich nicht", meint Tiekötter. Gleichwohl setzt er darauf, dass das Haus etwa Ende Juni nutzbar sein werde. Und auch danach gehen den Vereinsmitgliedern die Ideen und Projekte nicht aus. "Wir würden auch den verbleibenden alten Hundetrakt gern abreißen", sagt Tiekötter. Der sei neben den neuen Gebäuden ja nun ein "richtiger Schandfleck". Tierheimeigene Hundeschule geht in Betrieb Doch als erstes basteln die Mitarbeiter jetzt an ihrer neuen Hundeschule, die zum 1. April an den Start gehen sollte. So die ursprüngliche Planung. Zunächst werde nur Einzeltraining angeboten, erklärt Maike Thomaier, die über einen Trainerschein verfügt und von zwei Hundefachfrauen - Celina und Claudia - unterstützt wird. Mehr Infos zur neuen Hundeschule "Die Pfotenchaoten" gibt es per E-Mail unter diepfotenchaoten@tierheim-bielefeld.de Alle aktuellen Entwicklungen zur Corona-Krise in Bielefeld im Liveblog der Lokalredaktion

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