Packender Rundgang durch Bielefelds dunkelste Zeit

Bielefeld. Das muss den Bielefeldern erst einmal einer nachmachen: Mit einem überschaubar-bescheidenen Etat, aber vielen persönlichen Ideen, mit Original-Filmen und -Tönen sowie einer Fülle von Objekten aus dem eigenen Fundus – von kleinen Bierflaschen (Tsingtao) aus dem Asia-Shop bis zu der über einem zerstörten Bielefeld schwebenden massigen Weltkriegsbombe – hat ein vielköpfiges Kuratorium des Historischen Museums die Weltgeschichte und ihre lokale Entsprechung lebendig werden lassen. Mit der Epoche der Weltkriege 1914 bis 1945 ist die Neugestaltung der Dauerausstellung abgeschlossen. Gleichwohl: Ein bisschen kommt noch. Die Aufteilung Der neue, rund 350 Quadratmeter große Bereich gliedert sich in fünf Teile. Im Eingang wird mit zeitgenössischen Plakaten, Kunstwerken und Fotos auf den gesamten Zeitstrang eingestimmt. Die ausgewählten Objekte in dem schmalen Gang spiegeln das damalige Lebensgefühl wider, die Hinwendung zum Internationalen, die wachsende Technikbegeisterung, der Kampf für die Rechte der Frau. Die leisen Morsezeichen im Hintergrund zeigten symbolisch, &bdquo;dass die Neuigkeiten von überall kamen", erklärt Michael Falkenstein, der für die Ausstellungsgestaltung zuständig war. Im Folgenden wird in vier Etappen das alltägliche Leben, die wichtigsten historischen Ereignisse in der Welt und in Bielefeld erzählt: Kaiserzeit, Weimarer Republik, Jahre des Nationalsozialismus (NS) und 2. Weltkrieg. Die Schaufenster Die vier Zeitabschnitte werden in großen Schaufenstern an der Längswand dokumentiert, mit einer Fülle von Alltagsgegenständen, Plakaten und Bildern, von denen auch heute wieder einiges – ob Blümchenkleid oder feines Porzellan – aktuell ist. Anderes ist zeittypisch: das Gramophon oder der Volksempfänger, Spielzeugpanzer, &bdquo;Wehrschach" oder eine Übungsgranate aus dem Bielefelder Sporthaus Berke für den einstigen Sportunterricht. Der glänzende Miele-Staubsauer (extra von Miele zur Verfügung gestellt, weil der museumseigene in zu schlechtem Zustand war, so Museumsleiter Wilhelm Stratmann), das so harmlos wirkende &bdquo;Knusperchen"-Plakat der Bielefelder Keksfirma Sum oder typische Kleidung wie das enge schwarze Abendkleid aus den 20er Jahren mit Federboa, der Matrosenanzug, die SA-Uniform (kein Original) oder das einfache Mädchenkleid. Ebenfalls sehenswert: das unscheinbare Brettspiel &bdquo;Deutschlandreise", auf dem auffälligerweise zwar viele Orte aus Ostwestfalen erwähnt sind, aber nicht Bielefeld. Durch manche Stücke, etwa das Plakat zum bekannten Hitlerfilm &bdquo;Er ist wieder da", werden ganz bewusst historische Verbindungslinien bis in die heutige Zeit gezogen. &bdquo;Bielefelder Tagebuch" Den Schaufenstern gegenüber öffnet sich der Raum zu einem &bdquo;Bielefelder Tagebuch", in dem in Filmen, Fotos und Texten die wichtigsten lokalen Ereignisse dokumentiert werden. Objekte machen auch hier die Geschichte greifbar: das bunte, künstlerisch gestaltete Bielefelder Notgeld inklusive des höchsten Scheins im Wert von einer Milliarde Mark; eine – extrem seltene – Hitler-Statue aus Porzellan; die Schulterklappe eines HJ-Scharführers aus Bielefeld; der Dolch eines Bielefelder Hitlerjungen; oder der Chanukka-Leuchter des Bielefelder Rabbiners Dr. Julius Voos, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Zu einem der größten Objekte gehört das Modell der zerstörten Leineweberstadt, das aufmerksame Museumsbesucher schon kennen. Es wurde neu arrangiert, darüber schwebt eine echte Weltkriegsgranate. Die habe man bereits seit den Anfängen im Bestand, erzählt Udo Schlicht, der den NS-Bereich inhaltlich ausgestaltet hat. &bdquo;Wir haben damals beim Kampfmittelräumdienst angefragt, nach einer Bombe, die nicht mehr scharf ist." Audiovisuelle Medien Neben dem Morseklopfen im Eingang finden sich zahlreiche weitere audiovisuelle Medien in der Abteilung. Darunter historische Filme über die Zeppelinlandung auf dem Flugplatz Windelsbleiche und über den Brand der Bielefelder Synagoge sowie Originalsprachaufnahmen von Kaiser Wilhelm II, Philipp Scheidemann, Joseph Goebbels und Adolf Hitler; außerdem Hörstationen, an denen zwei fiktive Bielefelder, die Jüdin Johannah Hamme und der Arbeitersohn Karl August Wilhelm Ehlebracht, über ihren Bielefelder Alltag berichten. &bdquo;Bei diesen Aufnahmen habe ich wirklich eine Gänsehaut bekommen", sagt Michael Falkenstein. Finanzen Der Umbau der gesamten Dauerausstellung habe über sechs Jahre gedauert, jedes Jahr seien 50.000 Euro dafür im städtischen Haushalt bereitgestellt worden, sagt Kulturdezernent Udo Witthaus. Dazu habe der Landschaftsverband Westfalen-Lippe rund 30 Prozent der Gesamtkosten &bdquo;aufgeschlagen". Karl Gustav Heidemann vom Förderverein des Museums hat zudem durch seine Spende die Realisierung des Audiorundgangs ermöglicht. Eröffnung Die Eröffnung der Ausstellung ist am Sonntag, 16. Februar, um 11.30 Uhr im Vortragssaal des Historischen Museums im Ravensberger Park. Damit ist die Gesamtumgestaltung fast abgeschlossen. &bdquo;Aber es wird noch eine große Vitrine gegeben, in der die Zeit 1945 – 1949 thematisiert wird", berichtet Museumsleiter Stratmann. &bdquo;Das wollen wir noch dieses Jahr angehen." Ende des Jahres könnte auch das fertig sein.

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