Gestamp stoppt Ausbildung in Brackwede

Brackwede. Ernst waren die Gesichter der rund 500 Beschäftigten des Gestamp-Werks, als sie am Dienstagnachmittag am Ende der Betriebsversammlung aus der Halle strömten. "Es gibt keine Investition, und die Aufträge werden zurückgehalten", berichtete ein Arbeitnehmer, der über 30 Jahre bei dem Autozulieferer beschäftigt ist. Die Geschäftsführung vergleiche den Brackweder Betrieb immer wieder mit anderen Standorten, bei denen die Personalkosten günstiger sein sollten. "Aber die haben ganz andere Strukturen, das lässt sich nicht gar vergleichen". Andere Mitarbeiter munkelten sogar, dass Gestamp das Brackweder Werk am Ende ganz schließen könnte. Geschäftsführung ließ sich nicht blicken Um Schlimmeres verhindern, war auch Oberbürgermeister Pit Clausen zur Versammlung gekommen. Doch er wurde ebenso wie die Beschäftigten, Betriebsrats- und Gewerkschaftsvertreter enttäuscht: Ein Austausch mit der Geschäftsleitung war nicht möglich, es war trotz Einladung niemand von der Werksspitze erschienen. "Das ist schon unanständig", meinte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Murat Dogan anschließend vor dem Hallenausgang. "Ich bin wirklich enttäuscht." Die Erste Bevollmächtigte der IG Metall, Ute Herkströter, sprach schlicht von einem "Armutszeugnis". Die Geschäftsführung ihrerseits ließ zwischenzeitlich als Begründung für ihr Nichterscheinen mitteilen, dass man ihr schon bei der letzten Betriebsversammlung nicht die Möglichkeit gegeben habe, Stellung zu beziehen. Zugeständnisse der Gewerkschaft abgelehnt Grund für einen Austausch, eine Verständigung gar, gibt es genug. Es geht um Kosteneinsparung und Arbeitsplatzsicherung, darum, das Brackweder Werk angesichts spürbarer Umsatzrückgänge in der Autoindustrie und vielen weiteren Unwägbarkeiten zukunftssicher zu machen. Das will auch die Gewerkschaft. Sie hätten dafür schmerzhafte Zugeständnisse gemacht, sagten Dogan und Herkströter gestern. Doch selbst das Einspar-Angebot der IG Metall für Gestamp in Höhe von 151 Millionen Euro auf fünf Jahre sei abgelehnt worden. Dogan: "Dabei hat uns das als Betriebsrat viel Kraft und Energie gekostet." Die Zurückweisung der Offerte durch die Geschäftsführung Ende Januar sei "wie ein Schlag ins Gesicht" gewesen. Ausbildung wird "zu Grabe getragen" Nun solle gar die Ausbildung zum Spielball im Hin und Her zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite werden, berichtet Dogan weiter. "Sie wollen die Ausbildung hier zu Grabe tragen", meinte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende. "Wir tragen deshalb heute auch alle Schwarz." Die laufenden Ausbildungsverträge würden zwar noch erfüllt, neue in diesem Jahr aber nicht abgeschlossen. Darüber hinaus würden Aufträge, die der Konzern für das Brackweder Werk "in der Pipeline" habe, zurückgehalten. "Sie wollen den Standort plattmachen", formuliert es der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende drastisch. Da konnten auch die aufmunternden Worte des Oberbürgermeisters die gedrückte Stimmung der Belegschaft nicht heben. Murat Dogan stellte ganz klar, dass die mit der E-Mobilität verbundenen Probleme in der Auto- und Zuliefererindustrie mit dem Brackweder Gestamp-Werk, in dem über 1.200 Mitarbeiter beschäftigt sind, wenig zu tun habe. Gefertigt würden hier Fahrwerk- und Außenbauteile sowie die Batteriekisten für die E-Mobilität. 201 Entlassungen nur freiwillig und gegen Geld Nun will die Arbeitnehmerseite Schritt für Schritt von ihren Zugeständnissen zurücktreten: in einer ersten Runde jetzt von der Zustimmung zu 201 Entlassungen mit Sozialplan und Interessenausgleich. Auf freiwilliger Basis bleibe das gleichwohl möglich, so die Gewerkschaftsvertreter. "Aber nur, wenn dem Arbeitnehmer entsprechend Geld geboten wird - nicht mehr über einen Interessenausgleich." Gestrichen worden sei zudem der Verzicht auf bezahlte Pausen im Schichtbetrieb und die Prämienabsenkung. Nun habe die Gestamp-Geschäftsführung eine Woche lang Zeit, die neue Offerte zu akzeptieren, sagte Herkströter. "Danach ziehen wir weitere Teile des Angebots zurück. Aber wir bleiben gesprächsbereit."

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