Musiker zerpflücken Bielefelds Kultur-Angebot

Bielefeld. Den Bielefelder Musiker Casper kennen sie alle: Seit Jahren tritt der Rapper vor Zehntausenden in ausverkauften Hallen auf – im ganzen Land. Doch auch er fing klein an und spielte sich anfangs durch die Bielefelder Clubs. Dort konnte er sich entwickeln und Erfahrungen sammeln. Das aber werde für junge Musiker in der Stadt immer schwieriger, kritisieren jetzt heimische Künstler. Sie stellen der Bielefelder Kulturszene ein schlechtes Zeugnis aus. Mit Folgen. In der Stadt fehle es an Auftrittsmöglichkeiten für junge Bands, an Probenräumen, Tonstudios und Spielstätten. &bdquo;Kultur ist immer Learning by Doing. Doch wenn das Doing nicht mehr geht, ist das ein Armutszeugnis für unsere Stadt", sagen die Musiker. Die jungen Männer spielen in verschiedenen Bands unterschiedlicher Genres. Sie sind zwischen 20 und 35 Jahre alt. Viele machen seit mehr als zehn Jahren Musik in der Stadt. Wirklich gut seien die Bedingungen dafür noch nie gewesen; doch seit dem Wegfall der Jugendzentren Falkendom und Kamp sei es besonders schlecht. &bdquo;Das können sich viele Bands gar nicht leisten" &bdquo;Es ist für junge Musiker fast unmöglich, Probenräume in der Stadt zu finden", sagt Johnny Stecker, Sänger der Metal-Band Soulbound. Die Band habe anfangs in einem Keller geprobt – und zahle mittlerweile 300 Euro pro Monat für einen Probenraum. &bdquo;Das können sich viele Bands gar nicht leisten", kritisiert Stecker. Regelmäßig werde er von Jugendlichen angefragt, die auf der Suche nach Räumen seien. Und die Punkband Krimi teile sich einen Probenraum mit fünf weiteren Bands, sagen die Bandmitglieder im Gespräch mit der NW. Auch Auftrittsorte in der Stadt seien rar. Vor allem junge Bands mit wenig Budget haben große Probleme, geeignete Spielstätten nicht-kommerzieller Art zu finden. &bdquo;Dadurch fehlen den jungen Leuten Erfolgserlebnisse. Was bringt das Proben, wenn man es nicht nach außen tragen kann?", fragt Alexander Burgdorf von der Musikkooperative Auftakt. Für den Schritt in größere Räume vor größerem Publikum seien Erfahrungswerte im Kleinen wichtig. Die jungen Künstler betonen, welch großen Mehrwert das Engagement als Musiker habe: Konzerte organisieren, Flyer drucken, Personal und Sponsoren ansprechen, Abläufe planen, Licht und Ton bereitstellen. &bdquo;Das sind viele Prozesse, die man als Ehrenamtlicher im Rahmen der Kulturveranstaltungen lernt", sagt Maik Quernheim vom Jugendzentrum Sticker. Besonders hilfreich sei es, während eines Konzerts dabei von etablierten Bands zu lernen. "Ich suche händeringend Bands" Johnny Stecker falle auf, dass es seit einigen Jahren immer weniger Bands in der Stadt gebe, die sich in der lokalen Szene etablieren können. &bdquo;Für Konzertreihen suche ich zum Teil händeringend Bands." Das führen die Künstler auch auf die schlechten Rahmenbedingungen zurück. Deshalb wünschen sie sich in der Stadt ein Angebot unter einem Dach – am besten interdisziplinär, also eine Art Begegnungszentrum für Musiker, Schauspieler und Künstler jeder Art, mit Probenräumen, Tonstudios und Auftrittsmöglichkeiten. &bdquo;Was in Bielefeld fehlt, ist ein Ort, an dem nicht nur Kultur konsumiert wird, sondern der dazu einlädt, Kultur aktiv zu gestalten", sagt Stecker. Der Bedarf sei da, sagt Sebastian Sand von der Musikkooperative Auftakt: &bdquo;Die Jugendzentren Falkendom und Kamp sind ja nicht gescheitert, weil die Nachfrage nicht da war, sondern, weil Anwohner sie nicht wollten." Grüner Würfel komme nicht in Frage Für ein Jugendangebot unter einem Dach ist der Grüne Würfel auf dem Kesselbrink in den Augen der Musiker nicht geeignet, da er räumlich dafür nicht ausgerichtet sei – und aus Lärmschutzgründen um 22 Uhr abends Schluss sein müsse. Vom Thema Lärm zeigen sich die jungen Männer genervt: &bdquo;Unsere Jugendlichen sitzen angeblich nur vor dem PC und machen nichts. Und wenn sie dann doch was machen, sind sie zu laut." Die Falken hatten kürzlich öffentlich den Wunsch nach einem Jugendkulturhaus im Jahnplatz-Forum geäußert. &bdquo;Das hätte eine enorme Strahlkraft und Symbolcharakter für andere Städte", loben die jungen Musiker diesen Vorschlag. &bdquo;Das wäre der Hammer." Vor allem die gute ÖPNV-Anbindung spreche für den Standort. Eine gute und zentrale Erreichbarkeit sei vor allem für junge Musiker und Künstler ohne Auto wichtig. Und auch Lärm sei dort kein Problem. Ebenso wichtig sei den jungen Musikern, dass ein solches Angebot auf Augenhöhe gestaltet und organisiert werde – und nicht von &bdquo;oben herab". Der Bedarf sei definitiv vorhanden. &bdquo;Durch eine intakte Musikszene entsteht der Puls der Stadt, von dem immer so viele Bielefelder reden." Und: &bdquo;Ein solches Jugendkultur-Angebot würde Bielefeld in jedem Fall deutlich attraktiver machen."

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