Das sind die letzten Geheimnisse der Bielefelder Sparrenburg

Bielefeld. Die Sparrenburg ist das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt. Zuletzt vor gut fünf Jahren in der Diskussion, als eine heftige Debatte um das neue aus Stampfbeton hergestellte Infozentrum entbrannt war. Die Jahre 2007 bis 2013 waren mit positiveren Gefühlen verbunden, als die archäologischen Ausgrabungen auf der Burg Funde zu Tage brachten, die nicht allein Fachleute begeisterten. Genannt seien die imposanten Grundmauern des bis dahin unbekannten Zeughauses, die mittelalterliche Ringmauer der Burg und die Steinbogenbrücke zum Windmühlenrondell. Seitdem ist es ruhig geworden um die Burg. Zu ruhig, finden Mitglieder des Historischen Vereins Bielefeld. Sie wollen wieder aktiver werden und die letzten Geheimnisse und Rätsel um die Sparrenburg lüften und lösen. Zu den bislang ungelösten Rätseln zählt schon das Alter der Burg. Die Jahre 1240 bis 1250 werden bislang als Entstehungszeitraum genannt. Doch Bielefeld wurde 1214 gegründet, und eine Stadtgründung ohne Schutz wäre eigentlich wahnwitzig gewesen. Darum gehen viele von einem früheren Baubeginn aus, im Kern um 1200. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Burg zur Festung ausgewachsen. Mit etwa 9.000 Quadratmetern flächenmäßig eine der größten Burgenanlagen in Deutschland. Eine Festung, die angeblich einen geheimen Verbindungsgang zur Altstadt besitzt. DER GEHEIME GANG Es gab in der Vergangenheit etliche Bielefelder, die behaupteten, diesen Sparrenburggang, der hinter dem Bankhaus Lampe enden soll, selbst begangen zu haben. Als die Stadt Anfang 1959 nach den östlichen Gängen und Gewölben auch die westlichen Teile freigelegt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte, gab dies der Geschichte neue Nahrung. Und 1961 hat der Rutenmeister-Architekt vom Erstrahlen-Forschungsring Osnabrück, Heinrich Margraf, durch seine Wünschelrutengänge &bdquo;einwandfrei getestet", dass es ein weiteres Gangsystem im Sparrenberg gebe. Um den Wehrturm herum sei ein &bdquo;mehrere Meter breiter Rundgang verborgen", der seitliche Verbindungsstränge zu den äußeren Gangsystemen habe. Zudem gebe es drei zu Tal führende Gänge, zwei Richtung Altstadt, einen Richtung Bethel. Die beiden zur Lampe-Bank und zum Gymnasium verlaufenden Verbindungen lägen anfangs parallel in etwa 25 Metern Abstand in einer Tiefe von rund 10 Metern. Dann mündeten sie in das unterirdische Höhlensystem des Berges. Oben lediglich aus dem Fels geschlagen, seien sie in der Stadt mit Bruchstein eingefasst und überwölbt. Margraf empfahl der Stadt dringend, weiter nachzuforschen. Über diese Geschichten können Gerd Bobermin und Christian Heißenberg von der Arbeitsgemeinschaft Sparrenburg im Historischen Verein nur Schmunzeln. Sie glauben nicht an die Existenz eines Verbindungsganges. &bdquo;Aber wir fänden es schon spannend herauszufinden, wie sich solch ein Gerücht über Jahrhunderte halten kann", sagt Geschichtsfan Bobermin. Denn schon der Landschreiber auf der Sparrenburg, Wolf Ernst Alemann ( 1726) , der in der 2. Hälfte des 17. Jahrhundert Ereignisse in und um Bielefeld aufgezeichnet hat, erwähnt diesen mehrfach in seinen Texten. In der Transkription von Uwe Heckert heißt es an einer Stelle: &bdquo;Sonsten ist noch zu bemercken, daß die gantze festung Sparenberg mit ihren Rondelen und Bollwercken unter miniret / und gewölbet sind, und sagt man, daß / man biß auf die Neuste Stadt in Bielefeld / unter der erden hergehen könne. Es wür=/de aber solches keinem gewiesen, aus / beysorge, daß solches an die feinde nicht / möchte verrahten werden, allein dies / ist wohl ein mährlein". Eine Mähr vielleicht auch schon deshalb, weil nach Bobermins Worten der Bereich der Neustädter Kirche früher ein Moorgebiet gewesen war. Andererseits habe es in der Obernstraße unterirdische Verbindungsgänge von Haus zu Haus als Fluchtmöglichkeit gegeben. Und bei Grabungen in der Straße &bdquo;Am Sparrenberg" sei um 1960 ein Gang freigelegt, aber ohne weitere Forschungsarbeiten wieder verschüttet worden. Das deutlichste Argument gegen die Existenz eines solches Ganges, erklären Bobermin und Heißenberg, seien jedoch die ausgiebigen Untersuchungen und Vermessungen um 1900 durch Fachleute unter Stadtbaurat Ritscher, in deren Folge genaue Pläne angefertigt wurden. &bdquo;Ein Gang zur Stadt wurde dabei leider nicht gefunden", betont Gerd Bobermin. DER SCHERPENTINER Erwiesen ist hingegen, dass es ein Treppen- und Gangsystem im Scherpentiner gibt, der imposanten westliche Bastion der Sparrenburg. Doch zum Leidwesen der Hobbyhistoriker war der Grottengang nur für ein paar Tage auf, als die Stadt Anfang der 80er Jahre den spitzwinkligen Vorbau des Windmühlenrondells renovieren ließ. Bobermin ist die 85 Stufen selbst hinunter gestiegen, der unterirdische Stollen stand aber unter Wasser (was wohl auch heute noch der Fall sein dürfte). &bdquo;Gerne würde ich mal jemanden sprechen, der bis zum Ende vorgedrungen ist", sagt Gerd Bobermin. Alle paar Meter weite sich der Gang in kleine Grotten, wie Perlen an einer Schnur, erzählt Bobermin. Warum nur? Das ist eine Frage, der man gerne weiter nachgehen würde. In originalen Bauzeichnungen (ca. 1556) ist die &bdquo;Contermine" mit einer durchschnittlich geplanten Weite von 2,40 Meter eingezeichnet. Der Horchgang auf Höhe der Fundamente sollte wohl dazu dienen, rechtzeitig feindliche Mineure wahrzunehmen, die sich bis zur Festung vorgraben könnten, um dort Sprengladungen anzubringen. DAS MARIENRONDELL Rätsel gibt auch der zugemauerte Raum im Marienrondell auf, der vor rund 15 Jahren von einem Höhlenforscher bestätigt worden sei. &bdquo;Das Rondell ist nur zur Hälfte überwölbt", erklärt Heißenberg, der von Beruf Architekt ist. Wenn man im begehbaren unterirdischen Teil stehe, seien Nischen ausgespart, deren Wände nass sind. Was sich dahinter befindet, ist nicht bekannt. Wie groß der Hohlraum ist, hat die Arbeitsgemeinschaft &bdquo;Burg und Festung Sparrenberg" des Historischen Vereins 2006 zusammen mit Kollegen vom archäologischen Freundeskreis OWL erkundet. Mit Hilfe eines Bodenradars (Szintillationszähler) wurde festgestellt, dass es wahrscheinlich einen rund 5 mal 5 Meter großen Hohlraum gibt, auch der mögliche Zugang mit bis zu 2 Metern Höhe konnte anhand der Strahlenmessung dargestellt werden. Ob es sich dabei um einen Raum handelt, der schon während der Bauphase baufällig geworden ist oder ob in diesem Teil des Rondells ein Raum vorgesehen und dann nicht fertig gestellt wurde, ist nicht klar. &bdquo;Es wäre mit heutiger Technik aber kein Problem, diesem Rätsel der Burg auf die Spur zu kommen", meint Heißenberg. Und er erinnert an das unbekannte Gewölbe, das man bei den Grabungen zwischen den Grundmauern des Zeughauses und der Festungsmauer gefunden hat. Zwei Montanarchäologen seilten sich damals durch den engen Zugang ab und fanden das 7 Meter lange und 3,3 Meter breite Tonnengewölbe, über dessen Alter und Verwendung bislang ebenfalls noch nichts bekannt ist. DER KOMMANDANT Und schließlich wäre da noch das Burggespenst. Der kurbrandenburgische Oberst Rabe Hermann von Cloet zu Hennen (1616-1696) soll noch heute auf seiner geliebten Sparrenburg sein Unwesen treiben. So hat es die frühere Burgwartin Gertrud Nebel bei ihren Führungen gerne erwähnt. Dessen könnte sich die Marketing-Abteilung der Stadt einmal gründlich annehmen, meint Boberbin. Leider, so Gerd Bobermin, ist sein Grab trotz der umfangreichen Ausgrabungen auf dem Burggelände nicht gefunden worden. Nach dem Geschichtsschreiber von Ledebur soll er in der Festungskirche der Sparrenburg begesetzt worden sein.Über den Kommandanten ist jedoch bekannt, dass er kriegerischen Auseinandersetzungen gerne aus dem Weg ging und stattdessen lieber listenreich zum Ziel kam.So auch bei der letzten Belagerung der Burg 1679 durch die Franzosen. Den 200 Soldaten auf der Sparrenburg stand ein übermächtiges Heer entgegen. Der Kommandant, der wusste, dass jede Auseinandersetzung Burg und Stadt in Schutt und Asche legen würde, gaukelte den Franzosen jedoch vor, dass ein großes Besatzungsheer vorhanden sei, indem er immer 40 Mann außer Sichtweite der Franzosen abseilen und dann mit viel Tamtam wieder zum Burgtor einmarschieren ließ. Der französische Heeresführer rückte ab, nicht aber ohne sich den Abzug mit einer großen Geldsumme versüßen zu lassen. Die Zukunft Weil es noch so viel zu enträtseln und zu tun gibt, will sich die Arbeitsgemeinschaft "Burg und Festung Sparrenberg" aus dem Dornröschenschlaf erwecken und wieder aktiv werden. Die Mitglieder haben beispielsweise Vorschläge in der Tasche, wie das Kiekstattrondell wieder besser erlebbar gemacht werden könnte. Oder wie die letzten Geheimnisse der Burg den Besuchern noch besser vermittelt werden könnten. "Es hat sich schon viel getan", betont Gerd Bobermin, "doch wir haben noch viele Ideen." Wer Kontakt mit der AG Sparrenburg aufnehmen will, kann sich per E-Mail wenden an GerdBobermin@web.de.

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