"Babysignal"-Trend kommt nach Bielefeld: Kinder lernen mit den Händen zu sprechen

Bielefeld. Jetzt ist Schluss! Louis (5) spreizt die Finger in Hüfthöhe waagerecht auseinander, kreuzt die Hände parallel übereinander und zieht sie dann energisch nach außen. Nicht nur das können die Jüngsten in der Kita &bdquo;Die Schatzinseln" schon ohne Worte sagen. Sie lernen seit etwa einem halben Jahr ganz spielerisch Elemente aus der Gebärdensprache. &bdquo;Babysignal" nennt sich der besondere frühkindliche Sprachförderansatz. Der Trend kommt ursprünglich aus den USA.&bdquo;Wir haben bei uns zwei Kinder, deren Eltern gehörlos sind", berichtet Kita-Leiterin Iris Wünscher. Nicht nur, um sich besser mit ihnen austauschen zu können, besuchte das Kita-Team vor den Sommerferien eine Fortbildung. &bdquo;Wir haben uns das Konzept vor zwei Jahren in einer Kita in Spenge angeschaut", berichtet Erzieherin Christiane Wohlmann. "Sie fühlen sich dadurch besser verstanden" Dort sei ein Junge aus Rumänien gewesen, der kaum Deutsch konnte. &bdquo;Mit Gebärdensprache konnte er aber etwa ausdrücken, dass er ein Buch lesen wollte." Etwas trinken, zusammenkommen, nach draußen gehen, die Windel wechseln: Kollegin Ricarda Dissmann betreut die Gruppe mit jüngeren Kindern und setzt nun auch schon bei den Ein- bis Zweijährigen Gebärdensprache ein. &bdquo;Sie fühlen sich dadurch besser verstanden", sagt sie.Genau diese Altersgruppe hatte die Hamburgerin Wiebke Gericke primär im Blick, als sie vor 15 Jahren &bdquo;Babysignal" aufbaute. Auf Einladung des Jugendamts ist sie jetzt nach Bielefeld gekommen und berichtet, was sich hinter der Idee genau verbirgt. &bdquo;Über einfache Handbewegungen kommunizieren auch schon die Kleinsten mit uns und können zeigen, was sie möchten", sagt die Sprachtherapeutin und Buchautorin. Gerade in den ersten Jahren könne man da viel Gutes tun, speziell für Kinder mit Förderbedarf oder Kinder, die nicht mit Deutsch als Muttersprache groß werden. Von den Kitas bekomme sie sehr viel positives Feedback. &bdquo;Die Kinder kommen heute immer früher in die Betreuung", sagt Gericke. Da sei es hilfreich und von Vorteil, wenn sie sich ausdrücken können und verstanden werden. Aber es gibt auch kritische Stimmen: Gebärdensprache für die Jüngsten sei nur ein weiterer Trend in der Reihe von Angeboten wie Englisch, Mathematik oder gar Chinesisch, die überehrgeiziger Eltern schon lange vor dem Schuleintritt buchen. Als &bdquo;völlig überflüssig", wie es Wassilos Fthenhakis, Professor für Entwicklungspsychologie an der Universität Bozen sagt, sehen die Erzieherinnen in der Schatzinsel und auch Gericke as aber nicht an. Klar könne ein Kind, dass sich ganz normal entwickelt, auch gut ohne Gebärdensprache groß werden. Das Projekt helfe, dass alle auf einen Level kämen &bdquo;Aber sie bereichert das Sprachwissen, fördert Freude am Ausdruck – und ein positives Miteinander", sagt Gericke. Letzteres ist auch mit der Grund, warum sich der Sozial-Kriminal-Präventive Rat der Stadt das Projekt für Kitas unterstützt, auch finanziell. &bdquo;Kinder sollen andere als gleichwertigen Partner auf Augenhöhe erleben", sagt Thomas Niekamp. Das Projekt helfe, dass alle auf einen Level kämen. &bdquo;Je früher man ansetzt, desto besser", sagt Niekamp. Dass auch ältere Kinder viel Spaß und Interesse an den Gebärden haben, ist in der Kita Schatzinseln offensichtlich. Ganz automatisch bauen sie die Handbewegungen im Alltag mit ein. Und wollen immer neue Gebärden lernen: Wie geht Dinosaurier? Eis? Keks? Und umringen immer staunend die gehörlos den Eltern, wenn sie beim Abholen mit ihren Kindern auf ihre Art sprechen. Ganz klar, dass Wohlmann die Frage &bdquo;Was gibt’s heute zum Nachtisch", mit entsprechender Geste beantwortet. Auch Gebärden für ihre eigenen Namen haben sie sich gesucht. &bdquo;Da schaut man, was typisch ist für die Person", sagt Wohlmann und legt ihre Hände in Form einer Brille an ihre Augen. &bdquo;Bei mir ist das die Brille", sagt Wohlmann. &bdquo;Wir halten den Ansatz für sehr erfolgversprechend", ergänzt Birgit May, beim Jugendamt zuständig für alltagsintegrierte Sprachbildung im Elementarbereich. Gebärdensprache könne sehr gut beim Erlernen der Deutschen Sprache helfen. Und dadurch allen Kindern Zugang zu anderen Bildungsangeboten in der Kita wie Musik- oder Bastelangebote ermöglichen. &bdquo;Über Sprache ist alles verbunden", sagt May. Der erste Fachtag zur Sprachbildung mit Gebärden, an den etwa 60 Erzieher und Kita-Leiter teilgenommen haben, sei als Auftakt zu sehen. Im Neune Jahr sollen kostenlose &bdquo;Babysignal"-Fortbildungen für alle Interessierten angeboten werden. Sich in das Thema einzuarbeiten, sei schon zeitintensiv, so das Team der Schatzinsel. Die Zeit im Kita-Alltag sei eh schon knapp. &bdquo;Aber es ist wirklich eine tolle, hilfreiche Sache, die sich wirklich lohnt", sagen alle.

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