Beißvorfall bei Bielefelder Schleppjagd: Hundemeute verletzt Frau und Labrador

Bielefeld-Sennestadt. Seit Sonntagmittag bangt ein Bielefelder Ehepaar um das Leben ihres vierjährigen Labradors Joe. Simone Fürst war mit Joe im Sennestädter Wald unterwegs, als sie plötzlich mit einer Meute Jagdhunden konfrontiert war. Ihr zufolge kam es zu einer wilden Beißerei. Was genau dazu geführt hatte, ist aktuell Bestandteil polizeilicher Ermittlungen. Sicher ist: Die Ärzte der Tierklinik kämpften in einer stundenlangen OP um das Leben des Tieres. Ob der schwarze Labrador überleben wird, hänge vom Verlauf der tiermedizinischen Behandlung in den kommenden Tagen ab, sagen die Sennestädter. Simone Fürst war wie immer von zu Hause über Senner Hellweg und Elbeallee zur Lichtung gelaufen. Als sie weiterging, kam es im Wald zu der Begegnung, zu dem die einzelnen Protagonisten unterschiedliche Erinnerungen haben. Tatsache ist, dass ein gutes Dutzend englischer Foxhounds (Laufhunde) auf Joe und ihr Frauchen trafen. Die Halterin spricht von einem "äußerst blutigen Alptraum". Schleppjagd auf Abwegen Das Ehepaar Fürst erhebt schwere Vorwürfe gegen die Veranstalter einer sogenannten Schleppjagd. Schleppjagden sind Reitsportveranstaltungen, bei denen Jagdhunde gefolgt von mehreren Reitern einer Duftspur ("Schleppe") im Gelände folgen. Die Spurenleger reiten der Meute voraus. Während des Ritts durch die Senne (zwischen Oerlinghausen und Sennestadt) trafen zunächst die Spurenlegerinnen auf Joe und Simone Fürst. Die Sennestädterin berichtet: "Die beiden Reiterinnen sind auf mich zugekommen und sagten, dass ich zusehen solle, hier wegzukommen. Hier komme gleich eine Meute durch." Die Hunde waren schon in der Nähe zu hören. Zwischen den Frauen kam es zu einem unfreundlichen Wortwechsel, davon geht auch die Polizei aus, wie Polizeisprecherin Hella Christoph erklärt. Später sagen die Reiterinnen aus, dass sie vulgär beleidigt worden seien. Fürst widerspricht diesem Vorwurf, sagt aber, dass sie den Frauen vorgeworfen habe, keinerlei Absperrung oder Warnschild für Fußgänger und Hundehalter eingerichtet zu haben. Die Reiterinnen eilen weiter. Joe und ihr Frauchen weichen zurück. Mit zehn tiefen Bisswunden bleibt Joe zurück Doch zu spät: Die Hunde folgen plötzlich nicht mehr ihrer Spur, sondern biegen ab und jagen nun Joe. Das bestätigt später auch der Jagdleiter. Die Jagdhunde umzingeln den schwarzen Labrador und greifen an. "Das waren bestimmt 20 Tiere. Ich habe mich sofort vor Joe gestellt, aber die Hunde kamen von überall." Eine gefühlte Ewigkeit dauert es laut Fürst, bis die Reiter eintreffen und mit ihren Peitschen auf die Jagdhunde einwirken. "Joe wäre hier gestorben, wenn die Reiter nicht dazwischengegangen wären." Dass die Sennestädterin selbst auch in ihre Wade gebissen wird, merkt sie zunächst gar nicht. Wie der Leiter der Schleppjagd später berichtet, hatte er alle Hände voll zu tun, um die Hunde weiterzutreiben. Er hatte lediglich einen großen schwarzen Hund wahrgenommen: "Der war so wild, der hat sein Frauchen selbst gebissen", sagt er zunächst. Simone Fürst kann es nicht glauben, als sie seine Darstellung hört: "Natürlich hat er sich gedreht. Aber mich hat Joe niemals gebissen." Was der Schleppjagdleiter offenbar nicht mitbekommt, sind die schweren Verletzungen des Labradors. "Die haben sie einfach stehen lassen" "Der Tierarzt in der Klinik sagte uns später, dass er so tiefe Bisse schon lange nicht mehr gesehen habe", erinnert sich Fürst. Einer der Bisse habe die Harnröhre nur knapp verfehlt. Insgesamt zehn zum Teil schwerwiegende Bissverletzungen müssen die Ärzte in einer stundenlangen Operation versorgen. Joe übersteht die OP, wacht am Montag auf. Am Dienstag nimmt er sogar Wasser und ein wenig Nahrung zu sich. Über den Berg sei der Intensivpatient der Tierklinik aber noch nicht, sagen seine Besitzer. Viel hänge davon ab, ob das abgerissene Gewebe wieder durchblutet werde und so gerettet werden könne. Mehrere Tage müsse er noch in der Klinik bleiben. Die beiden Hundehalter können kaum schlafen vor Sorge um ihren Labrador. Was Ehemann Lars Fürst aber noch mehr erbost, ist der "lapidare, gleichgültige Umgang" der Verantwortlichen mit dem Vorfall. Der Schleppjagdleiter ("Master") ließ nach dem Vorfall eine Meutenführerin ("Pikeuse") bei seiner Frau zurück. Die hinterließ eine Handynummer, wie der Master später berichtete. Da sie zu dem Zeitpunkt aber keine Verletzungen am Hund erkannt habe, habe sie sich verabschiedet. Fürst wiederum betont, dass der Hund verletzt am Boden lag. "Meine Frau war selbst verletzt und konnte Joe nicht fortbewegen. Deshalb bin ich mit dem Auto in den Wald gefahren. Die haben sie einfach stehen lassen." Er spricht von unterlassener Hilfeleistung. Eine Strafanzeige in dem Fall hat er noch am Montag erstattet. Die Beschuldigten zeigten wiederum Simone Fürst wegen Beleidigung an. "Es tut mir leid, was passiert ist." Genehmigt wird so eine Schleppjagd übrigens vom Umweltamt, wie Stadtsprecherin Gisela Bockermann berichtet. Dabei geht es um die Erlaubnis, durch das Naturschutzgebiet zu reiten ("landschaftsrechtliche Befreiung"). Denn der Begriff Jagd ist hier irreführend, weil heute keine Tiere mehr gejagt oder geschossen werden. Die alte Tradition wird also nur noch als Reitsport in der Natur durchgeführt. "Solche Schleppjagden sind nichts Ungewöhnliches", so Bockermann. Eine Absperrung oder Warnschilder sind dafür nicht vorgesehen. "Wir haben bei dieser Schleppjagd 20 andere Hundebesitzer getroffen und alle gebeten, den Weg zu räumen", sagt der Leiter. "Es gab mit keinem Probleme." Der 66-Jährige kann sich nur erklären, dass Joe die Geruchsspur vielleicht mitgezogen habe. Deshalb könnte die Meute den vorgesehenen Weg verlassen haben. Andere Vorfälle dieser Art habe es bisher nicht gegeben. Nachdem der Verantwortliche erfuhr, wie schwer die Verletzungen sind, sagt er: "Ich bin auch Hundebesitzer. Es tut mir leid, was passiert ist. Wir hoffen, dass der Hund überlebt. Natürlich übernehmen wir die Kosten der Behandlung." Die Ermittlungen der Polizei dauern noch an. Die Beteiligten müssen in den kommenden Tagen noch befragt werden. Erst nach Abschluss der Ermittlungen dürfte der Fall beim Ordnungsamt zur Prüfung vorgelegt werden.

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