Verkehrsplaner zu Staus: „Die Bielefelder lamentieren auf hohem Niveau“

Bielefeld. Schlangen an den Abfahrten des Ostwestfalendamms. Jeden Morgen Stau auf der Artur-Ladebeck-Straße und Berufsverkehr, der den Jahnplatz verstopft. Mit Ende der Ferien steuert Bielefeld auf den Herbst und damit auch auf seine nächste Stau-Hauptsaison zu. Doch Verkehrsplaner Patrick Kühn findet: &bdquo;Der Bielefelder lamentiert auf relativ hohem Niveau, was die Stauzeiten angeht". Kühn ist einer von drei Köpfen im Amt für Verkehr, die den Verkehr der Stadt von morgen schon heute planen sollen. Ein Verkehrsingenieur, ein Verwaltungsfachmann und ein Bauingenieur lenken seit Neustem im Trio die Bielefelder Verkehrsgeschicke: Der 32-jährige Kühn hat gerade erst im Juli die Leitung der Verkehrsplanung übernommen, sein Chef Olaf Lewald (55) leitet ebenfalls seit Juli das Verkehrsamt. Sein Stellvertreter Dirk Vahrson (59) ist langjähriger Leiter im Verkehrswegebau. Eine Gemeinsamkeit: Alle drei sind Pendler. Lewald kommt täglich aus Jöllenbeck in die City, Vahrson reist aus Enger an, Kühn aus Bünde. Staus per ÖPNV umfahren Das Auto lassen die Drei meistens zu Hause oder am Heimatbahnhof stehen. &bdquo;Ich bin mit Bahn und Stadtbahn immer schneller und stressfreier am Ziel, als wenn ich Auto fahren würde", sagt Kühn. Staus ließen sich relativ leicht per ÖPNV ohne Zeitverlust umfahren. Trotz privatem Autoverzicht wollen die Planer sich nicht als Autogegner verstanden wissen. &bdquo;Leute, die auf ihr Auto wirklich angewiesen sind, werden auch weiterhin auf ein Auto angewiesen sein", sagt Kühn. Auch sie müssten bei der Verkehrswende berücksichtigt werden. Das Auto dürfe man nicht verteufeln, fügt Vahrson hinzu. &bdquo;Aber es kann nicht alles weiter auf Autowachstum ausgerichtet sein. Jedes Jahr bekommen wir in Bielefeld 3.000 Autos zusätzlich. Da werden wir an eine Grenze stoßen." "Regulierungen" für Autofahrer Das Ziel des neuen Verkehrsamtschefs Lewald ist &bdquo;ein guter Ausgleich der unterschiedlichen Interessen". Es gebe eben auch Politiker in den Gremien, denen manche Ansätze zur Verkehrswende zu weit gingen. Moderate Töne aus einem Amt, in dem die Verkehrsplanung revolutioniert werden soll. Einig ist sich das neue Führungstrio aber auch darin, dass der Straßenraum neu verteilt werden muss. Sind Restriktionen fürs Auto da nicht logische Konsequenz? Man werde wohl nicht immer nur mit neuen Mobilitätsangeboten als Lockmittel arbeiten können, räumt Lewald ein, und schließt &bdquo;Regulierungen" nicht aus. Platz minimieren: "Ohne dass es Autofahrer wehtut" Zumindest argumentativ bleibt das Auto für das neue Verkehrsamtsteam Dreh- und Angelpunkt: &bdquo;Der Platz fürs Auto kann zum Teil minimiert werden, ohne dass es dem Autofahrer wehtut", betont Kühn. &bdquo;Man kann Autospuren zum Beispiel in der Breite reduzieren, ohne dem Autoverkehr etwas wegzunehmen." Auch wenn Spuren gestrichen würden, müsse das nicht den Verkehrsfluss beeinträchtigen, sagt Vahrson. &bdquo;Wenn ich zum Beispiel zwei Straßen zu Einbahnstraßen mache, kann der Verkehr effektiver verteilt werden und hin über die eine, zurück über die andere Straße fließen." Alle werden immer noch mit dem Auto nach Hause, zum Supermarkt, zum Arzt kommen, das sei oberste Prämisse, sagt Kühn. &bdquo;Nur kann es dann sein, dass man eben nicht direkt vor der Haustür einen Parkplatz finden kann, sondern eben erst 100 Meter weiter." Eine Möglichkeit könne irgendwann sein, dass man sich das Auto autonom aus einem Parkhaus vorfahren lasse, sagt Vahrson. Noch ist das Zukunftsmusik. Geheimwaffe der Verkehrsplaner Keine Zukunftsmusik ist jedoch eine Software, die seit erst gut einem Jahr zu einem &bdquo;mächtigen Instrument" für die Verkehrsplanung in Bielefeld geworden sei, sagt Kühn. &bdquo;Visum" heißt das Programm, dass das Straßen- und Stadtbahnnetz abbildet und in dem alle Verkehrsdaten der Stadt gespeichert sind: Ampelphasen, Tempolimits, Straßenkapazitäten, Verkehrszählungen und -ströme, aber auch ÖPNV-Daten. Zwei geschulte Mitarbeiter der Stadt betreuen die Software und füttern sie mit neuen Daten. &bdquo;Anhand dieses Verkehrsmodells können wir vorhersehen, wo sich ein Verkehr hinverlagern würde", erklärt Kühn. Zum Beispiel, wenn Spuren reduziert werden. &bdquo;Visum" ist gewissermaßen die Glaskugel, mit der die Planer in die Verkehrszukunft schauen wollen. Drei Trend-Themen für Bielefeld Neue Mobilitätstrends kann das clevere Programm aber nicht voraussehen. &bdquo;Vor einem Jahr waren E-Scooter noch kein Thema", nennt Lewald ein Beispiel. Auch der Fokus auf Barrierefreiheit, E-Mobilität und neue Entwicklungen wie Verkehrs-Apps oder E-Scooter hätten die Vorzeichen, unter denen Mobilität und ihre Planung funktioniere, in kürzester Zeit verändert. &bdquo;Der Abstimmungsprozess für Planungen ist noch intensiver geworden", sagt Vahrson. Und dass bei Planungszeiträumen, die ohnehin schon 5 bis 15 Jahren betragen würden. Welche Mobilitätstrends in den kommenden zehn Jahren auf Bielefeld zukommen, sei weiterhin schwer abzuschätzen, sagen die Planer. Drei große Themen zählt Lewald dann doch auf: &bdquo;Die Innenstadtlogistik, der Schulweg-Verkehr und vor allem die Fußgängermobilität." Letztere sei in den vergangenen Jahren stiefmütterlich behandelt worden. &bdquo;Das wird noch ein Riesenthema werden." Mehr zur Mobilität:Bielefelds E-Scooter haben Sicherheitsprobleme

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