Bielefeld

Ein Bielefelder Start-up will Lärmgeplagten helfen

Die Mitglieder von „BitVox“ haben sich über das Förderprogramm der Stiftung Studienfonds OWL kennengelernt.

Timo Kölling, Dennis Kaupmann, Joel Sprenger und Tobias Lehmann (von links) testen an Dummy "Kemar" ihren entwickelten Gehörschutz in der Akustikkabine. | © Nadine Uphoff

04.08.2019 | 20.08.2019, 12:37

Bielefeld. Stipendien bieten vor allem finanzielle Entlastung. Doch hinter der Förderung steckt mehr. Die Bielefelder Tobias Lehmann und Dennis Kaupmann haben das Netzwerk der Stiftung Studienfonds OWL für Unterstützung bei der Unternehmensgründung genutzt. Mit Erfolg, denn mit ihrem Start-up „BitVox" wollen sie neue Maßstäbe im Gehörschutz für die Industrie setzen.

Das Start-up suchte personelle Unterstützung

Nach ihrem Mechatronik-Studium an der Fachhochschule Bielefeld steht für Kaupmann und Lehmann fest, dass sie ihr gemeinsames Projekt zum Thema Störschallkompensation in Fahrzeugkabinen weiterentwickeln wollen. Um ihr Vorhaben, das als Teil des Förderprogramms Exist vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt wird, umzusetzen, fehlt jedoch personelle Unterstützung. Im Netzwerk der Stiftung Studienfonds OWL werden sie fündig, als sie Joel Sprenger kennenlernen.

Sprenger und Lehmann werden während ihres Studiums beide vom Studienfonds OWL unterstützt. Lehmann startet 2009 sein Studium an der FH Bielefeld. In diesem Jahr gründen auch die fünf staatlichen Hochschulen in OWL die Stiftung Studienfonds OWL. „Das sprach sich im Studiengang schnell herum. Wir haben es einfach alle probiert. Damals gab es noch Studiengebühren. Mit dem Fördergeld konnte ich diese begleichen", so Lehmann.

Netzwerk macht sich bezahlt

Das Netzwerk der Stiftung hat sich nach Angaben des 31-Jährigen vor allem zum Ende der Förderzeit bezahlbar gemacht, „als ich Timo Kölling und Joel Sprenger kennengelernt habe". Sprenger, der sein Studium im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen 2014 an der FH Bielefeld begann, hat vor allem von der ideellen Förderung in Form von Workshops profitiert. 2016 erhält er eine Mail über den Verteiler der Studienfonds-Stipendiaten von Lehmann und Kaupmann. Die beiden suchen Mitstreiter für ihr Gründungsprojekt, die betriebswirtschaftliches Know-how mitbringen sollten. „Das hörte sich spannend an. Das Thema Gründung interessierte mich", erklärt Sprenger.

„Das Netzwerk der Studienfonds OWL bietet eine gute Möglichkeit, an Interessierte ranzukommen", sagt Lehmann. Auch auf Veranstaltungen können Stipendiaten und Förderer wertvolle Kontakte knüpfen. Als viertes Mitglied stößt kurze Zeit später Timo Kölling dazu, der das Team im Zuge seiner Bachelorarbeit kennenlernt.

Die Tüftler bekommen reichlich Fördermittel

Im November 2017 starten die Vier dann ihr Projekt „HEA2R". Die Abkürzung steht für Headset for Augmented Auditive Reality, was so viel wie Kopfhörer für erweiterte Audio-Wahrnehmung bedeutet. Nach der 26-monatigen Förderphase, in der die Tüftler 800.000 Euro an Fördermitteln erhalten, ihr Projekt weiterentwickeln und mit potenziellen Kunden sprechen, steht die Gründung an. Ihr Unternehmen nennt sich „BitVox connected acoustics GmbH".

Automatisierte Anweisungen aufs Ohr der Mitarbeiter

Ziel der Vier ist es, einen neuen Industriestandard im Bereich Gehörschutz zu etablieren. Das Produkt sieht aus wie normale In-Ear-Kopfhörer. Durch eine Software wird Telekommunikation in einer lauten Umgebung, wie etwa in der Industriefertigung, möglich. Der Clou an der Entwicklung des Bielefelder Start-ups ist aber die Möglichkeit für Firmen, automatische Anweisungen aufs Ohr der Mitarbeiter zu geben.

So sollen in Zukunft Maschinen mit den Beschäftigten vernetzt sein. Anweisungen könnten folgendermaßen lauten: „An Maschine 1 muss Material aufgefüllt werden." „Maschine 2 hat eine Störung." „Maschine 3 ist fertig und bereit zum Umrüsten". Darüber hinaus soll der Nutzer mit dem System interagieren können. Möglich wäre dann zum Beispiel die Dokumentation eines Schichtprotokolls per Sprache, ähnlich wie bei den Sprachassistenzsystemen Alexa oder Siri.

Der Gehörschutz könnte Mitte 2020 auf den Markt kommen

„Der Vorteil von unserem Produkt ist, dass der Mitarbeiter nicht aktiv werden muss, sondern relevante Informationen unmittelbar aufs Ohr bekommt", erklärt Sprenger. Bislang würden die Unternehmen meist auf visuelle Elemente, wie Signal-Lampen setzen, die vom Beschäftigten jedoch erst wahrgenommen werden müssen. Der 23-Jährige schätzt, dass der intelligente Gehörschutz Mitte 2020 marktreif sein wird.

Bis dahin wollen sie mit Partnerunternehmen am Assistenzsystem feilen, den Gehörschutz zertifizieren lassen und weiteres Personal finden. Zunächst steht diesen Monat jedoch der Umzug von der FH in das vor kurzem eröffnete Innovationszentrum Campus Bielefeld an.



Information
Serie: Köpfe des Studienfonds OWL

In unserer neuen Serie „Köpfe des Studienfonds OWL" stellen wir Ihnen in den nächsten Wochen Menschen vor, die die Arbeit, Ziele und Visionen der Stiftung Studienfonds OWL ausmachen. 2006 gründeten die fünf staatlichen Hochschulen in OWL, die Universitäten Bielefeld und Paderborn, die Fachhochschule Bielefeld, die Technische Hochschule OWL und die Hochschule für Musik Detmold, einen Verein, um Studenten für ein Studium in OWL zu begeistern und, um den Kontakt zur Wirtschaft zu stärken. 2009 folgte die Gründung der Stiftung. Seit 2006 werden jedes Jahr Stipendien an Studenten vergeben, die an einer der fünf Hochschulen studieren. Jährlich erhält jeder Stipendiat über das staatliche Programm der Deutschlandstipendien 3.600 Euro, allerdings nur, wenn die Hälfte privat finanziert wird. So sind in den vergangenen Jahren bereits 11,7 Millionen Euro ausgeschüttet worden, davon stammen 6,2 Millionen Euro aus privaten Spenden. Im Förderjahr 2018/2019 werden derzeit 444 Stipendiaten unterstützt. Gefördert werden könnten jedoch 933.

Informationen für Förderer, Stipendiaten und Interessierte finden Sie hier.