Lösungen für Tüte und Kesselbrink: Bielefelder Arzt widerspricht NW-Redakteur

Bielefeld. Die aktuellen Versuche der Stadt, am Treppenplatz, am Kesselbrink und an der &bdquo;Tüte" Probleme zu lösen, hat Jens Reichenbach zum Anlass für einen Kommentar genommen. Der anerkannte Suchtmediziner Ulrich Pfaff konnte nach der Lektüre nur mit dem Kopf schütteln. Er hat eine Gegenrede formuliert: &bdquo;Es ist eine Neverending Story, wenn sich gesellschaftliche Kräfte mit der Drogenpolitik beschäftigen. Und die aufgeführten Brennpunkte haben ja alle was mit Drogen zu tun. Drogen sollte und könnte man in drei Gruppen einteilen, die möglicherweise unterschiedliche Sichtweisen nach sich ziehen sollten. Insgesamt ist aber klar: Mit Logik und &bdquo;gesundem Menschenverstand" oder gar rationalem Umgang hat das alles recht wenig zu tun. Alkohol 1) Der Alkohol (etwa am Treppenplatz – aber auch an anderen öffentlichen Konsumstellen wie Kesselbrink, neben Supermärkte) ist eine legale Droge, die öffentlich konsumiert wird und offensichtlich durch 24-Stunden-Verkaufslizenzen verfügbar gemacht wird. Da würde ich schon gern besser verstehen, warum man da nichts machen kann? Wie ist das mit diesen Lizenzen? Andererseits kommt das gesellschaftliche Event Weinfest wieder auf Bielefeld zu. Aber das ist ja auch gesittet. Marihuana 2) Bei Marihuana (mit der psychoaktiven Substanz THC) werden regelmäßig Erfolge gemeldet – auch von der Tageszeitung ...Ich frag mich immer wieder, was das soll. Selbst in Trump-Land ist dieser Stoff legal. Im menschlichen Körper gib es massenhaft Cannabinoid-Rezeptoren, der Körper produziert es selbst, es wird – zu Recht – zunehmend als Medizin eingesetzt. Zugegeben, die Pflanzen sind durch Zucht gehaltvoller geworden und können so im Einzelfall mehr Schaden auslösen. Insbesondere bei jungen Gehirnen. Aber: Das könnte man regeln, man könnte – wie beim Bier oder Wein – Konzentrationen vorgeben. Aber dann müsste man es ja legalisieren. Im Übrigen kenne ich in meinem Alter (ich bin 70) und in meinen Kreisen kaum einen, der nicht Erfahrungen mit diesem gefährlichen Rauschgift mal gehabt hätte. Die meisten haben keine erkennbaren Schäden, die meisten sind gar was geworden. Gar keinen Kontakt hatten offensichtlich die Zeitungsredakteure. Deswegen nehmen die so unbekümmert das Wort Rauschgift in den Mund und nicht den Stoff selbst. Muttermilch als Einstiegsdroge? Ja, aber Marihuana ist doch eine Einstiegsdroge? Für härteren Stoff? Alle Heroinsüchtigen nahmen vorher THC? Alle Heroinsüchtigen, oder wenigstens fast alle, nahmen früher auch Muttermilch – oder ist es umgekehrt und sie kriegten wegen Vernachlässigung keine? Muttermilch als Einstiegsdroge? Oder vielleicht doch Schutz? Laut Hauptstelle für Suchtgefahren ist Bier übrigens ein Einstieg in den Alkoholismus. Man rechne sich einmal aus, was gewonnen wäre, was gespart würde, wenn THC legal wäre. Man hätte Polizisten für andere Aufgaben übrig, z. B. um nächtens den Treppenplatz zu räumen. Es würden auch viele (Auto-)Fahrten nach Holland gespart (Umweltschutz), man könnte Steuern einnehmen und Arbeitsplätze würden legalisiert. Medizinisch jedenfalls ist THC weniger gefährlich als Alkohol. Weniger gefährlich als die Diazepame und Zopiclone und Zolpideme (Beruhigungs- und Schlafmittel), die man vom Arzt kriegt. Heroin und Kokain 3) Heroin und Kokain machen süchtig. Sie können ziemlich schädlich sein. Wie schädlich? Kann man kaum sagen, weil man die Schäden durch die Repression, denn illegalisierten Vertrieb und den illegalisierten Konsum gar nicht recht trennen kann. Illegalisierter Vertrieb: Der Konsument, weiß gar nicht, was er kriegt, welche Fremdstoffe oder Fremdkörper seinem Rauschmittel zugefügt sind. Na ja, und wo man es kaufen soll, weiß man jetzt auch nicht. Außerdem macht Illegalität den Stoff teuer mit all seinen Folgen. Illegalisierter Konsum: Schäden durch dreckiges Wasser, schlechte Filter, schlechte Nadelverfügbarkeit, Nadeltausch führen zu Infektionskrankheiten. HIV, Hepatitis C und wohl auch viele der Abszesse sind staatlich induziert oder mindestens gefördert. Wenn man an der Tüte Ärger kriegt, zieht man um Es ist möglicherweise klar: Süchtige sind abhängig. Abhängig von ihrem Stoff. Gute kausale Therapien gibt es nicht. Entzüge werden immer wieder versucht, aber gelingen nicht so leicht. Also brauchen die Menschen den Stoff. Woher kriegen? Am Kiosk gibts nix. Also muss man sich treffen. Wo bloß? Und jetzt kommen wir wieder nach Bielefeld: Der Bahnhof ist ein typischer Treffpunkt: logisch. Und Bielefeld hat da kein Alleinstellungsmerkmal. Und natürlich gehen da auch die Auswärtigen hin, denn in der Umgebung ist der Drogenerwerb sicher nicht einfacher, und der zugehörige Gelderwerb auch nicht. Und wenn man an der Tüte Ärger kriegt, zieht man um. Vielleicht zum Kesselbrink. Da ist es im Sommer ja auch ganz schön. Wo zieht man hin, wenn man da auch Ärger kriegt? Nach Sennestadt? Na ja vielleicht ins Ostmannturmviertel. Ach nee, ist auch nicht so glücklich, da wohnen ja Menschen – aber nur welche mit Migrationshintergrund. Abhängige müssen auf die Straße, sie müssen den Stoff beschaffen Immerhin hat man in etwas mehr denkenden Kreisen schon mal gemerkt, dass der illegalisierte Konsum nicht so gut ist und dass man ihn gesünder machen will. Deswegen gibt es – zu Recht – Konsumräume. Mit dem Nebeneffekt, dass ein solches Hilfezentrum die Leute von der Straße holen kann. Dann stören sie nicht so. Das blöde ist nur, dass die Leute doch auf die Straße müssen. Denn sie MÜSSEN ihren Stoff ja auch beschaffen. Und hier hört es eben erneut mit der Logik auf. Illegale Beschaffung erhöht die Preise und die Kriminalität. Das setzt sich so fort. Ach ja, kennen Sie noch Richard Nixon? Der US-Präsident hat den Drogenkrieg ausgerufen. Also gegen die Drogen. Und wo gibt es die größte Opiatkrise? Sind die Lamentos für schwierige Orte hilfreich? Was also sollte man aus all dem für Konsequenzen ziehen? Vorschläge hat übrigens ein Volkswirt namens Ingo Pies bereits 1985 gemacht in seinem Buch Rationale Drogenpolitik. Für wen oder was sind die Lamentos über schwierige Orte hilfreich? Sie werden es wissen, ich sehe es nicht. Denn es gibt ja keine Lösung. Das einzige Interesse, das ich erkennen kann, ist Stimmung und Stimmenfang. Oder hab ich etwas übersehen?

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